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Ssp. celadussa ♂ ♂
Ssp. celadussa ♀ ♀
Ssp. celadussa ♂ ♂ aus dem genetischen Übergangsgürtel zu M. athalia
Ssp. celadussa ♀ ♀ aus dem genetischen Übergangsgürtel zu M. athalia
Aberrationen
Ausgewachsene Raupe
Jüngere Raupenstadien
Puppe
Erstbeschreibung
Beschreibung als Melitaea dejone nevadensis
Habitat
Inhalt

1. Lebendfotos

1.1. Ssp. celadussa ♂ ♂

1.2. Ssp. celadussa ♀ ♀

1.3. Ssp. celadussa ♂ ♂ aus dem genetischen Übergangsgürtel zu M. athalia

1.4. Ssp. celadussa ♀ ♀ aus dem genetischen Übergangsgürtel zu M. athalia

1.5. Aberrationen

1.6. Ausgewachsene Raupe

1.7. Jüngere Raupenstadien

1.8. Puppe

2. Diagnose

Melitaea celadussa ist eine sehr variable Art. Ihr Habitus schwankt regional aber auch je nach den lokalen Umweltbedingungen. In kühlen und feuchten Biotopen ist die dunkle Zeichnung der Flügeloberseite meist viel stärker ausgeprägt als in trocken-warmen. Tiere von kühleren Standorten der Alpen können nur über die Genitalien der ♂ ♂ oder dem Vorkommensort von M. athalia unterschieden werden. Habituell sind die Tiere nicht zu unterscheiden! Die Palpenhaare sind nach Südwesten zu (Südfrankreich, Spanien) wie M. parthenoides an warmen Standorten zunehmend mit roten Haaren durchsetzt, diese sind jedoch bei dortigen Melitaea celadussa mehr rotbraun, nicht fuchsrot gefärbt. Sehr ähnlich ist auch M. deione gezeichnet. Bestes Unterscheidungsmerkmal ist hier der liegende Gabelfleck am Innenrand der Vorderflügel-Oberseite, der M. deione auszeichnet.

Die erste Generation südwesteuropäischer Melitaea celadussa tieferer und wärmerer Standorte fällt oft durch ihre stark reduzierte, bzw. auf Teilbereiche der Flügel konzentrierte dunkle Zeichnung der Flügeloberseite auf. Im Gebirge ist die Flügelzeichnung der 1. Gen., wie generell überall die der 2., nur schwach oder gar nicht reduziert. Vertreter von M. celadussa aus mittleren Lagen der mediterranen Gebirge, mit nur geringfügiger Reduktion der oberseitigen dunklen Zeichnung, ähneln zuweilen M. parthenoides, insbesondere wenn sie auch noch rote Palpen haben!

Für eine wirklich sichere Diagnose ist eine Genitaluntersuchung oft unerlässlich!

2.1. Ähnliche Arten

2.2. Erstbeschreibung

2.3. Beschreibung als Melitaea dejone nevadensis

3. Biologie

3.1. Habitat

3.2. Lebensweise

In Tieflagen des Mittelmeerraumes ist die Ausbildung einer 2. Generation die Regel. Dort fliegt die erste im April/Mai, die 2. schließt sich im Juni/Juli an.

(Autor: Jürgen Hensle)

4. Weitere Informationen

4.1. Synonyme

4.2. Unterarten

  • Melitaea celadussa celadussa Fruhstorfer, 1910 [außer Südspanien]
  • Melitaea celadussa nevadensis Oberthür, 1904 [Südspanien, Unterartberechtigung unklar, der Name ist ein ungültiges Homonym]

4.3. Taxonomie und Nomenklatur

Die Einleitung von Beuret (1933) gilt – in leicht abgewandelter Form, weil heute nicht mehr alles zu Druckerschwärze umgesetzt wird – noch immer: „Das Problem der systematischen Einteilung der einzelnen Formen der Melitaea athalia-Gruppe hat schon beträchtliche Mengen von Druckerschwärze fliessen lassen. Trotz zahlreichen Publikationen von Reverdin, Verity, Rocci etc. ist es bisher weder gelungen alle Bedenken, die viele Lepidopterologen, in den letzten zehn Jahren, gegen die spezifische Verschiedenheit der Zwei bekanntesten Komponenten dieser Gruppe (athalia Rott. und helvetica Rühl-pseudathalia Rev.) geltend gemacht haben, restlos zu zerstreuen, noch die artliche Zusammengehörigkeit der beiden Melitaeen einwandfrei zu beweisen. Auch war es bisher nicht möglich, gewisse Formen von athalia resp. helvetica-pseudathalia, aus den gemeinsamen Verbreitungsgebieten, immer mit Sicherheit voneinander zu unterscheiden, oder die beiden „spezifischen" Formenkreise, in jenen Gegenden, gegeneinander sicher abzugrenzen, ohne zu reden von anderen Komponenten der Gruppe, wie z. B. britomartis Assm. und melathalia Rocci, die, nach neueren und neuesten Forschungen, von den beiden Vorgenannten ebenfalls artlich verschieden sein sollen.“

Achtelik (2006) wies nach, dass zwischen mitteleuropäischen M. athalia athalia und südfranzösischen M. nevadensis celadussa Genfluss besteht und die Tiere sich zudem fruchtbar kreuzen lassen - wenn auch mit teilweise verminderter Fertilität. Entsprechende Befunde gab es auch schon Jahrzehnte vorher und so manche der beschriebenen Taxa betreffen gar keine Arten sondern eben diese intermediären Hybridpopulationen. Andererseits ist dieses Band an Übergangsformen im Vergleich zum Gesamtreal der beiden Arten aber doch so schmal und konstant, dass sich die beiden Taxa klar wie getrennte Arten verhalten. Also ein typischer Fall, wo jedes Artenkonzept ins Schwanken gerät.

Zur Problematik celadussa/helvetica/nevadensis formulierte Achtelik (2006):

"Taxonomischen Konsequenzen sollten erst nach dem Abschluss weiterer Untersuchungen (z. B. Morphologie, Allozymelektrophorese, DNA-Sequenzierung) gezogen werden. Unstrittig ist die Zuordnung des Artnamens „athalia“ zu den um Paris fliegenden Tieren. Diese Populationen sind eindeutig den uncusspitzentragenden Faltern West-, Mittel- und Nordeuropas zuzuordnen. Die uncusspitzenlose Form wurde von Reverdin 1920 als eigene Art M. pseudathalia beschrieben. Zeitweise wurde dieser Name durch die Bezeichnung „helvetica“ Rühl 1888 ersetzt, dem manche Autoren Priorität einräumten. Higgins beendete die bereits vor mehr als 60 Jahren diskutierte Frage, wie die uncusspitzenlose Form von „athalia“ heißen müsste, indem er als Locus typicus für diese Form den Ort Tende, Alpes Maritimes, auswählte. Fruhstorfer (1910) hatte der Population dieses Ortes den Namen „celadussa“ gegeben. Diese Population war für Higgins die älteste benannte reine uncusspitzenlose Subspezies von M. athalia: „There can be no doubt that this is the oldest name that applies unquestionably to the sub-species, of which the holotype exists and the typical locality is definitly known and therefor it must take precedence over pseudathalia Rev., 1920“ (Higgins 1955). Die bisherigen Ergebnisse zeigen jedoch, dass es sich bei dieser Südfranzösischen Population, wie bei allen weiteren untersuchten Südfranzösischen oder benachbarten Ligurischen Populationen, vermutlich um Hybride zwischen der Stammart „athalia“ und einer südlich der Alpen verbreiteten Form handelt. Insofern scheint mir die Zuordnung des Namens „celadussa“ für die Bezeichnung einer Unterart, die das möglichst „reinrassige“, uncusspitzenlose südliche Taxon von M. athalia repräsentieren soll, ungeeignet zu sein. Rezbanyai-Reser (1987) vertritt die Auffassung, dass „athalia“ und „celadussa“ nicht als „gewöhnliche“ Unterarten betrachtet werden können, „da innerhalb beider Taxa deutliche, ökologisch-geographisch bedingte morphologische Aufspaltungen bemerkbar sind“. Demnach vertritt „celadussa“ „eben eine weitere Stufe der Artentwicklung, ein Taxon, das zu einer Unterartgruppe der Art athalia gehört, wie dies in der Neufassung der Nomenklaturregeln (1985) sogar als Beispiel aufgeführt wird (Art. 6b, Examples, p.11). Der Name dieser Unterartgruppe (Supersubspezies?) soll aus Prioritätsgründen „nevadensis Oberthür 1905“ heißen“. Die Frage, ob die Bildung von „Unterartgruppen“ sinvoll ist, soll hier nicht diskutiert werden. Richtig ist allerdings, dass das Taxon „nevadensis“ auf Grund seiner isolierten Lage in der spanischen Sierra Nevada (s. Abb. 2.2) eine vermutlich reine uncusspitzenlose Form von „athalia“ darstellt und daher als Ersatz für die Bezeichnung „celadussa“ grundsätzlich geeignet ist. Auch bei der Genitaluntersuchung eigenen Sammlungsmaterials konnte ich bei Tieren aus der Sierra Nevada keine Übergangsformen feststellen."

Leneveu et al. (2009) machten sich Gedanken über die Artendifferenzierung innerhalb der Gattung Melitaea vor, während und nach der letzten Eiszeit. Um hier erste Anhaltspunkte über die Verwandtschaft der einzelnen Taxa zu bekommen knöpften sie sich 74 Exemplare von 65 beschriebenen Arten der Gattung aus dem gesamten holarktischen Verbreitungsgebiet der Gattung vor, also meist genau ein Exemplar pro Art. Die Sammlungsexemplare wurden einem klassischen Barcoding unterzogen (es wurde also mitochondriale DNA untersucht, genauer die Cytochrome Oxidase Subunit I (COI, 1487 Basenpaare), zusätzlich aber auch noch zwei Gene der Kern-DNA (elongation factor-1a (EF-1a, 1240 bp) und wingless (Wgl, 403 bp)). Aus den Ergebnissen wurden Stammbäume berechnet und der jeweilige Zeitpunkt der Artdifferenzierung abgeschätzt. Aus dem athalia-Komplex wurden u.a. ein Exemplar von M. athalia aus Schweden (Vallentuna) herangezogen, für Melitaea celadussa ein Exemplar aus Südfrankreich (Aude), für Melitaea caucasogenita ein Exemplar aus der Türkei (Posof), für M. britomartis ein Tier aus Russland (Saratov), für M. deione je ein Exemplar aus Frankreich (Alpen) und Marokko (Atlas).

Dabei zeigte sich, dass sich M. athalia aus Schweden und M. caucasogenita aus der Türkei sehr nahe stehen. Die Artberechtigung von M. caucasogenita ist aber wegen deutlicher äußerer und kleinerer genitalmorphologischer Unterschiede heute kaum mehr umstritten. Nächst verwandt zu diesen beiden ist dann M. ambigua aus der Mongolei. Das Schwesterpaar zu diesen heißt dann M. britomartis und M. deione. Und M. celadussa? Ist dann das Schwestertaxon zu allen diesen Arten. Nach Fig. 3 dieser Arbeit würde die Trennung des Taxons celadussa vom Rest der Arten um M. athalia über 7 Millionen Jahre, also bis weit ins Miozän zurückreichen – zweifelsfreie Bestimmung des untersuchten Falters vorausgesetzt. Unabhängig von diesem hypothetischen Alter ist aber klar: M. celadussa und M. athalia sind auf Artebene getrennt – sonst müsste man auch M. britomartis und M. deione als Synonyme zu M. athalia stellen.

M. athalia und M. celadussa sind genitaliter deutlich verschieden. Dennoch können sie sich anscheinend gut kreuzen und so findet man in der Kontaktzone in der Schweiz und von dort aus durch Frankreich bis zu den Pyrenäen einen breiten Gürtel mit Übergangsformen. Vor diesem Hintergrund wurde M. celadussa daher meist als Unterart zu M. athalia gestellt. Doch es sind nicht nur die Genitalunterschiede, die Argumente für eine artliche Eigenständigkeit geliefert haben, sondern auch die von Beuret (1933)- beim Vergleich von ex-ovo-Zuchten aus Bad Säckingen in Baden-Württemberg und celadussa von Val Canaria (Tessin) – herausgearbeiteten Unterschiede in den Präimaginalstadien (Eier, Raupen und insbesondere Puppen). Die Genetik liefert jetzt nur noch ein zusätzliches weiteres Argument.

Leneveu et al. schreiben ferner: "A more detailed study of the species pair would be necessary to discover whether there is gene flow between the species, but unpublished COI sequences of 14 M. celadussa and 12 M. athalia specimens from throughout their ranges suggest that mitochondrial DNA does not introgress (N. Wahlberg, unpubl. data)." Dem steht die Tatsache gegenüber, dass es nach Schmid (2017) zumindest in der Schweiz gar keine genetisch "reinrassigen" Populationen von M. athalia oder M. nevadensis celadussa zu geben scheint, sondern nur Hybrid-Populationen, wobei der athalia-Anteil von Nord nach Süd ab-, der celadusa-Anteil von Nord nach Süd zunimmt. Betrachtet man jedoch alleine die Genitalstrukturen, so gehören die Populationen der Nordostschweiz bereits zu M. athalia, die der Südschweiz zu M. celadussa celadussa.

„Wie soll es heißen?“ Wir folgten hier zunächst van Oorschot & Coutsis (2014), die die Art „Melitaea nevadensis Oberthür, 1904, stat. rev.“ nannten. Dem von Wiemers et al. (2018: 29) geäußerten Argument, dass es sich bei „Melitaea dejone nevadensis Oberthür, 1904" um ein primäres Homonym von "Melitaea parthenie v. nevadensis Spuler, 1901" handelt, können wir uns nicht verschließen: "The species was referred to also as M. nevadensis Oberthür, 1904, which is a junior primary homonym of Melitaea parthenie var. nevadensis Spuler, 1901, currently regarded as a junior subjective synonym of Melitaea parthenoides Keferstein, 1851."

Der möglicherweise älteste Name für das Taxon ist Melitaea helvetica Rühl, 1888. Rühl (1888) hatte sein Taxon als „Varietät der Melitaea Athalia Rott. Melitaea var. helvetica m.“ beschrieben mit Typenfundort in „Graubündten bei Stella und Berggrün". Van Oorschot & Coutsis (2014) lehnen diesen Namen ab, da er aus einem Gebiet mit überwiegend Übergangsstadien („Intermediates“) zwischen M. athalia und M. celadussa stammt. Demnach kann die Beschreibung nicht als Artbeschreibung aufgefasst werden.

Oberthür (1904:11) führt das Taxon unter dem Namen Melitaea dejone-nevadensis ein. Im Text heißt es dann: „J’ai désigné ci-dessus sous le nom de Nevadensis une seconde forma geographica de Dejone“. Die 3 Männchen und 6 Weibchen, die der Beschreibung zugrunde liegen, wurden im Juli 1875 in der „Sierra-Nevada, côté de Lanjaron“ gesammelt. Es erfolgt eine Differenzialdiagnose gegenüber Melitaea deione, M. athalia spielt dabei keine Rolle. Wie sich mittlerweile gezeigt hat, steht das Taxon auch genetisch näher an M. deione als an M. athalia. Oberthür (1909: 251) sah seine Erstkombination aber bald als Fehler an und kam zum Schluss, dass es sich entweder um eine eigenständige Art oder eine Rasse („race“) von M. athalia handeln müsse.

Oberthür (1904) bildet die Art nicht ab. Männchen und Weibchen vom Typenfundort werden dann aber von Oberthür (1910) auf Tafel XLV gezeigt – und jetzt laut Tafellegende (S. 672) unter dem Namen „Melitaea nevadensis“ geführt.

1910 (Fruhstorfer 1910: 51) erfolgte dann auch die Beschreibung der Melitaea celadussa, Fruhstorfer, 1910. Typenfundort hier ist Frankreich, Alpes-Maritimes, Col de Tende.

Falls die Tiere der Sierra Nevada und diejenigen vom Col de Tende zur selben Art gehören – und dafür spricht alles, wäre M. nevadensis der ältere, wegen der oben erwähnten Homonymie aber dennoch nicht gültige Name. Der erste verfügbare Name ist daher Melitaea celadussa Fruhstorfer, 1910.

Unklar ist noch, ob sich die Tiere der Sierra Nevada tatsächlich auf Unterartebene von der nominotypische Unterart (ssp. celadussa) vom Rest des Vorkommensgebiets auseinander halten lassen, und - falls ja - wie diese Unterart dann zu heißen hätte. Rein aus praktischen Gründen werden diese südspanischen Tiere hier getrennt und mit dem gewohnten Namen "ssp. nevadensis" dargestellt.

(Autor: Erwin Rennwald)

4.4. Verbreitung

Die Art wurde aus der Sierra Nevada in Südspanien beschrieben, wo sie ein recht isoliertes Vorkommen besitzt (das genetisch anscheinend noch nicht näher untersucht wurde). Ansonsten gehören hierher alle Angaben zu "M. athalia" aus Italien (mit Ausnahme der Alpen, von den Dolomiten an ostwärts), aus dem Südosten Frankreichs, Teilen der südlichen und westlichen Schweiz und der Nordhälfte der Iberischen Halbinsel. In großen Teilen Frankreichs gibt es einen breiten Gürtel mit Übergangsformen zwischen M. athalia und M. celadussa, in Südtirol und der Schweiz einen schmaleren Streifen.

Die ♂ ♂ Nordschweizer Falter gehören vom Genital her eindeutig zu M. athalia, die aus der West- und Südschweiz ebenso eindeutig zu M. celadussa. Der Bastardgürtel ist hier nur wenige Kilometer breit. Ganz anders, vergleicht man die DNA Schweizer Tiere. Nach Schmid (2017), gibt es in der Schweiz genetisch nur Bastarde, keine reinrassigen M. athalia oder M. celadussa. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt man, wenn man die - problemlos zu unterscheidenden - Puppen vergleicht. So zeigen die Puppen selbst von Populationen aus dem Südelsass teilweise noch eindeutige Merkmale von M. celadussa.

(Autoren: Erwin Rennwald und Jürgen Hensle)

4.5. Literatur