1. Lebendfotos
1.1. Falter
Anmerkungen: eine bis zum 16. August 2016 hier gezeigte Zucht (Raupe, Puppe und Falter) wurde entfernt, da die Bestimmung nicht gesichert ist [Forum und Folgebeiträge].
Ein Falter aus der Steiermark war fehlbestimmt und wurde am 28. November 2019 zu Stenoptilia graphodactyla verschoben [Forum und Folgebeitrag].
1.2. Raupe
1.3. Puppe
2. Diagnose
2.1. Männchen
Anmerkung: am 5. Dezember 2019 wurde ein Falter aus der Slowakei entfernt [Forum] und [Korrektur]
2.2. Weibchen
2.3. Genitalien
2.3.1. Männchen
Ein Falter aus der Steiermark war fehlbestimmt und wurde am 28. November 2019 zu Stenoptilia graphodactyla verschoben [Forum und Folgebeitrag].
Anmerkung: am 5. Dezember 2019 wurde ein Präparat aus der Slowakei entfernt [Forum] und [Korrektur]
2.3.2. Weibchen
2.4. Erstbeschreibung
3. Biologie
3.1. Habitat
3.2. Raupennahrungspflanzen
3.3. Nahrung der Raupe
- [Caprifoliaceae: Dipsacoideae:] Knautia arvensis (Acker-Witwenblume)
- [Caprifoliaceae: Dipsacoideae:] Knautia dipsacifolia (Wald-Witwenblume)
- [Caprifoliaceae: Dipsacoideae:] Succisa pratensis (Teufelsabbiss)
- [Caprifoliaceae: Dipsacoideae:] Scabiosa columbaria ?? (Taubenskabiose ??)
- [Plantaginaceae:] Linaria vulgaris ?? (Echtes Leinkraut, Gewöhnliches Leinkraut ??)
- [Plantaginaceae:] Misopates orontium ?? [= Antirrhinum orontium ??] (Acker-Löwenmaul)
Hinsichtlich den Angaben zu den Nahrungspflanzen der Raupe von S. bipunctidactyla herrscht in der Literatur ein heilloses Durcheinander, verursacht durch viele Fehlbestimmungen und das völlig uneinheitliche Artkonzept in der Gattung Stenoptilia.
Zeller (1841: 838) beschrieb ausführlich: "Die Raupe lebt auf Saxifraga granulata, am liebsten an den mit lichtem, niedrigem Gebüsch bewachsenen Anhöhen, und hier bisweilen in Menge. Sie ist zwar nicht gesellig; doch findet man nicht selten 2, sogar 3 an einer Pflanze. Sie stellt sich ein, sobald der Stengel ihrer Nahrungspflanze etwas getrieben hat, also früher oder später im April. Zu dieser Zeit frißt sie noch die Blätter an und beißt Löcher in den weichen Stengel; später, wenn diese Theile härter geworden sind, und sich die Blüthen mehr entwickelt haben, verschmäht sie die ersteren und frißt dafür die Knospen aus, oder verzehrt auch die jüngsten ganz nebst den zarten Blüthenstielen. Von den Blüthen genießt sie beynahe nur die Kronenblätter, selten die Kelche. Spätlinge müssen sich mit den jungen Kapseln, oder was sonst Fleischiges an der Pflanze geblieben ist, begnügen. Die jungen Raupen würde ihre violettrothe Farbe leicht erkennbar machen, wenn ihre Kleinheit sie nicht verbärge; die erwachsenen haben beynahe das Grün des Pflanzenstengels und eine ähnliche Behaarung, weshalb sie, obgleich sie die Verborgenheit gar nicht suchen, nicht leicht in die Augen fallen, sondern mit einiger Sorgfalt gesucht werden müssen. Sie sind träge Thiere, die selbst beym Eintritt der Verwandlungszeit keine auffallende Lebhaftigkeit äußern." - Das Problem ? Zellers Raupenbeschreibung gehört nicht zu S. bipunctidactyla sondern zu der ihm damals noch unbekannten Stenoptilia pelidnodactyla !
Schütze (1931: 177) z.B. stellte zusammen: "In zwei Generationen an Succisa, Knautia, Scutellaria, Galium mollugo [Galium mollugo agg., also wahrscheinlich Galium album], Saxifraga granulata in knäuelförmig versponnenen Blüten und Herzblättern (Sorhagen). Rössler fand sie im Mai und September in den von einigen Fäden versponnenen Blüten; nach Schmid von Juli bis September in den grünen Samenköpfen von Erythraea centaurium [jetzt: Centaurium erythraea], welche sie leerfrisst und in denen sie sehr versteckt wohnt. — Feuchte Wiesen." Da sind (wenige) richtige Angaben dabei, aber eben auch viele unpassende.
Gibeaux & Nel (1991) zerlegen den S. bipunctidactyla-Komplex genitalmorphologisch und ökologisch in eine Reihe von Arten, die allesamt nur an Pflanzenarten einer Gattung innerhalb der Unterfamilie Dipsacoideae leben: S. bipunctidactyla (nur) an Knautia arvensis, S. succisae n. sp. an Succisa pratensis, S. serotina an Knautia arvensis, S. scabiodactyla an Scabiosa columbaria und Scabiosa lucida, S. annadactyla an Scabiosa columbaria, S. plagiodactyla an Scabiosa pyrenaica. Für jede dieser Kombinationen werden (meist mehrere) ganz konkrete eigene Nachweise (mit Datum und Ort) angeführt.
Auch Gielis (1996: 54) versuchte aufzuräumen und trennte bei S. bipunctidactyla in vom ihm akzeptierte "hostplants" und "possible hostplants" aus der weiteren Literatur. Zu Ersteren schrieb er unter Nennung der Quellen: "The hostplants are Knautia arvensis L. (Emmet, 1979; Buszko, 1986; Nel 1987b); Arenberger & Jaksic, 1991; Gibeaux & Nel, 1991), Scabiosa columbaria L. (Hannemann, 1977b; Buszko, 1986; Nel 1989a; Bigot et al., 1990; Gibeaux & Nel, 1991), S. pyrenaica Allioni (Gibeaux & Nel, 1991), Linaria vulgaris Miller (Haggett, 1956); Succisa pratensis Moench. (Doets, 1946; Emmet, 1979; Gibeaux & Nel, 1991) and Misopates orontium L. The larva feeds on the flowers and seeds." Seine Abweichungen gegenüber Gibeaux & Nel (1991) rühren einfach daher, dass er S. succisae, S. serotina, S. scabiodactyla und S. plagiodactyla (wieder) als Synonyme zu S. bipunctidactyla stellt.
Knautia, Succisa und Scabiosa sind tatsächlich vielfach überzeugend für den S. bipunctidactyla-Komplex belegt. Haggetts (1956) Titel zur Nennung der Linaria vulgaris lautet "Unusual foodplant of Stenoptilia bipunctidactyla" - es ging also um eine seltene Ausnahme. Und ausgerechnet für die weitere genannte Pflanze der Plantaginaceae - Misopates orontium - wird keine Quelle genannt. Sicher ist - auch hier handelt es sich um Ausnahmen. Und zu welchem Taxon aus dem Komplex die beiden Angaben gehören, bleibt ungelöst.
Nel (1996: 184) akzeptiert Knautia arvensis als einzige Raupennahrungspflanze von S. bipunctidactyla. Knautia dipsacifolia kommt durch die oben gezeigten Raupen hinzu. Succisa pratensis wurde sowohl für S. bipunctidactyla s. str. als auch - und dort durchweg als einzige Nahrungspflanze - S. succisae genannt. Da S. succisae als Synonym zu S. bipunctidactyla zu stellen ist, können diese drei Nahrungspflanzen als gut abgesichert gelten.
Schon die Angaben zu Skabiosen sind unsicher: Insbesondere ältere Angaben zu Scabiosa columbaria oder Scabiosa ochroleuca könnten sich auf Stenoptilia plagiodactylus, Stenoptilia scabiodactylus oder auch Stenoptilia annadactyla beziehen.
(Autor: Erwin Rennwald)
4. Weitere Informationen
4.1. Etymologie (Namenserklärung)
succisae: Gibeaux & Nel (1991: 104): « Étymologie : par allusion à la plante nourricière, Succisa pratensis. »
4.2. Andere Kombinationen
- Phalaena bipunctidactyla Scopoli, 1763 [Originalkombination]
4.3. Synonyme
- Alucita mictodactyla Denis & Schiffermüller, 1775
- Stenoptilia mictodactyla ([Denis & Schiffermüller], 1775)
- Pterophorus serotinus Zeller, 1852 [Synonym oder eigenständige Art? Im Lepiforum weiterhin als eigenständige Art geführt!]
- Pterophorus hodgkinsonii Gregson, 1868
- Pterophorus hirundodactylus Gregson, 1871
- Pterophorus scabiodactylus Gregson, 1871 [Synonym oder eigenständige Art? Im Lepiforum weiterhin als eigenständige Art geführt!]
- Stenoptilia succisae Gibeaux & Nel, 1991 [K+R-Nr. 05403; neu synonymisiert durch Huemer et al. (2021)]
- Stenoptilia tourlani Gibeaux, 1993 [Synonym oder eigenständige Art? Im Lepiforum weiterhin als eigenständige Art geführt!]
4.4. Taxonomie
Gielis (1996, 2003) und - ihm folgend - die Fauna Europaea (Fauna Europaea Web Service. Last update 22 December 2009. Version 2.1. Available online at [http://fauna.naturkundemuseum-berlin.de]) stellen eine ganze Reihe von aus den letzten Jahrzehnten beschriebenen europäischen Arten in die Synonymie von Stenoptilia bipunctidactyla. Arenberger (2005) diskutiert die Unterschiede (vor allem in den Genitalien) und gesteht allen diesen Taxa weiterhin Artrecht zu. Es handelt sich bei den europäischen Arten um S. plagiodactylus (= S. plagiodactyla), S. scabiodactylus (= S. scabiodactyla), S. serotinus (= S. serotina), S. succisae und S. tourlani. Wir behandeln die Taxa hier - mit Ausnahme von S. succisae - vorerst weiter als eigenständige Arten.
Huemer (2013) bezog Stellung zu S. succisae: "Der taxonomische Status dieser Art ist umstritten, und sie wird sowohl als Synonym zu S. bipunctidactyla (Gielis, 2003) als auch als valide Art (Arenberger, 2005) behandelt. Geringfügige phänotpischen und genitalmorphologischen Differenzen sowie die unterschiedliche Biologie weisen jedoch auf ein separates Taxon." Huemer & Hebert (2015) schränken weiter ein: "[...] Stenoptilia bipunctidactyla und S. succisae [...], deren Artstatus im wesentlichen nur durch unterschiedliche Raupenfutterpflanzen begründet ist und mangels morphologischer und genetischer Differenzen bezweifelt werden muss." Huemer et al. (2021: 8-9) nehmen die Synonymisierung auch formal vor und begründen: "Stenoptilia succisae wurde nach jeweils 4 aus Teufels-Abbiss (Succisa pratensis) gezüchteten Männchen und Weibchen aus den französischen Hautes-Alpes beschrieben und von verschiedenen anderen Lokalitäten Frankreichs, Dänemarks (Gibeaux & Nel 1991) sowie auch aus Vorarlberg (Huemer 2001) und Bayern (Haslberger & Segerer 2016) gemeldet. Die Art soll sich durch die Raupenfutterpflanze sowie durch bestimmte weibliche Genitalstrukturen von der nächst stehenden Stenoptilia bipunctidactyla unterscheiden (Arenberger 2005) wird jedoch umgekehrt von Gielis (2003) als Synonym behandelt. Tatsächlich lebt Stenoptilia bipunctidactyla an nahe verwandten Pflanzen wie Knautia arvensis, Scabiosa spp. und auch an Succisa (Arenberger 2005). Darüber hinaus unterliegen auch die vermeintlichen Genitalunterschiede einer individuellen Variationsbreite (vgl. Abb. in Arenberger 2005; Gibeaux & Nel 2001). Wir folgen daher der auch durch genetische Befunde untermauerten Ansicht von Huemer & Hebert (2015) (Abb. 10) sowie von Haslberger & Segerer (2016) die bereits eine Synonymie beider Taxa annehmen, jedoch nicht offiziell vornehmen." Ihr auf dem Barcoding beruhender Neigbour Joining tree, in dem "S. succisae" aus Österreich und Frankreich vollständig in den Ästen der S. bipunctidactyla verschwinden, ist als letztes Argument für die Synonymisierung sehr überzeugend.
4.5. Faunistik
S. bipunctidactyla ist in Europa weit verbreitet. Da die Abgrenzung verschiedener Taxa aus dem S. bipunctidactyla-Komplex von verschiedenen Autoren sehr unterschiedlich gehandhabt wird, bleiben hier im Detail aber Fragen offen.
Zu der hier als Synonym aufgefassten Stenoptilia succisae: Nach Gaedike & Heinicke (1999) in Deutschland nur aus Bayern bekannt. Dort wurde die Art von Pröse et al. (2003)[2004] mit "3 -gefährdet" für die Regionen "Schichtstufenland" und "Ostbayerisches Grundgebirge" und mit "V - Art der Vorwarnliste" für die Region "Alpenvorland und Alpen" in die Rote Liste aufgenommen. Nach schmetterlinge-d.de gibt es aber einen Eintrag von 1998 von Teisendorf und eine Meldung von der Donau bei Pfatter (jeweils A. Segerer). Da Haslberger & Segerer (2016) aber von Synonymie ausgehen, floss die aktuelle Meldung nicht als S. succisae bei Gaedike et al. (2017) ein.
Nach Huemer (2013) gibt es zu S. succisae in Österreich Vorkommen in Vorarlberg, unsicher auch in Kärnten. Da Huemer et al. (2021) das Taxon aber in die Synonymie stellen, ist die alte Angabe jetzt nur noch eine von vielen weiteren Meldungen von S. bipunctidactyla aus Vorarlberg und Österreich.
4.6. Typenmaterial
S. bipunctidactyla:
Arenberger (1988: 4) schreibt: "Terra typica: Jugoslawien: Krain (Südkärnten). Typus: Verloren. Neotypus, ♀ (hier festgelegt): "Carniola, Wippach, Gradische, 20.6.09". GU 10668 ♀ Mus. Vind. Coll. NHMW."
Synonym "S. succisae":
Gibeaux & Nel (1991: 106): « Holotype : 1 ♂, Hautes-Alpes, col Bayard, 1250 m, 30-V-1986, ex larva (J. Nel cult.) (prép. génit. C. G. n° 2864).
Allotype : 1 ♀, idem, (prép. génit. C. G. n° 2863). Tous les deux dans les collections du M.N.H.N., Paris.
Paratypes : 3 ♂, 3 ♀, idem (28-V/4-VI-1986 et 18 et 21-IX-1986). »
(Autor: Erwin Rennwald)
4.7. Literatur
- Arenberger, E. (1975): Pterophoridae-Arten aus Ägypten (Lepidoptera). — Entomologische Zeitschrift 85 (10): 111-116.
- Neotypus-Festlegung: Arenberger, E. (1988): Taxonomische Klarstellungen bei den Pterophoridae (Lepidoptera). — Stapfia 16: 1-12. [PDF auf zobodat.at]
- Arenberger, E. (2005): Microlepidoptera Palaearctica. Zwölfter Band. Pterophoridae. 3. Teilband. Platyptiliinae: Platyptiliini: Stenoptilia. — 191 S.; Keltern (Goecke & Evers).
- Gaedike, R. & W. Heinicke (1999): Verzeichnis der Schmetterlinge Deutschlands (Entomofauna Germanica 3). — Entomologische Nachrichten und Berichte, Beiheft 5: 1-216.
- Beschreibung als Stenoptilia succisae: Gibeaux, C. A. & J. Nel (1991): Révision des espèces françaises du complexe bipunctidactyla (Scopoli, 1763) dans le genre Stenoptilia Hübner, 1825 (Lepidoptera Pterophoridae). — Alexanor 17 (2): 103-119.
- Gielis, C. (1996): Microlepidoptera of Europe. Volume 1. Pterophoridae. — 222 S.; Stenstrup/DK (Apollo Books).
- Gielis, C. (2003): Pterophoroidea & Alucitoidea (Lepidoptera). World Catalogue of Insects, volume 4. — 198 S.; Stenstrup/DK (Apollo Books).
- Huemer, P. (2010): Die Schmetterlingssammlung Jacques Nel (Lepidoptera) – eine bedeutende Erweiterung der Bestände des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum. — Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 3: 152-167. [PDF auf zobodat.at]
- Huemer, P. (2013): Die Schmetterlinge Österreichs (Lepidoptera). Systematische und faunistische Checkliste. – 304 S. (Studiohefte 12); Innsbruck (Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft m.b.H.).
- Huemer, P. & P.D.N. Hebert (2015): DNA-Barcoding der Schmetterlinge (Lepidoptera) Vorarlbergs (Österreich) - Erkenntnisse und Rückschlüsse. — inatura – Forschung online, Nr. 15: 36 S. [PDF auf inatura.at/forschung-online]
- Huemer, P., Hiermann, U., Mayr, T. & J.G. Friebe (2021): Ergänzungen und Korrekturen zur Schmetterlingsfauna (Lepidoptera) Vorarlbergs. — inatura – Forschung online, 83: 1-11. [PDF auf inatura.at]
- Pröse, H., Segerer, S. & H. Kolbeck (2003)[2004]: Rote Liste gefährdeter Kleinschmetterlinge (Lepidoptera: Microlepidoptera) Bayerns. — S. 234-268. In: Bayerisches Landesamt für Umweltschutz (2003)[2004]: Rote Liste gefährdeter Tiere Bayerns. — Schriftenreihe Bayerisches Landesamt für Umweltschutz, Heft 166. 384 S., Augsburg. [Im Heft steht als Erscheinungsjahr "2003" - tatsächlich wurde es aber erst am 2. April 2004 der Öffentlichkeit vorgestellt] [PDF auf lfu.bayern.de]
- [SCHÜTZE (1931): 177]
- Erstbeschreibung: Scopoli, J. A. (1763): Entomologia Carniolica exhibens insecta Carnioliae indigena et distributa in ordines, genera, species, varietates. Methodo Linnaeana. 1-421. Vindobonae (Trattner).
- Zeller, P. C. (1841): Vorläufer einer vollständiger Naturgeschichte der Pterophoriden, einer Nachtfalterfamilie. — Isis von Oken, 1841 (10): 755-794, (11-12) 827-893, Taf. IV.