Weigt, H.-J. (2006): Blütenspanner erkennen und bestimmen (Lepidoptera, Geometridae: Eupitheciini). – Dortmunder Beiträge zur Landeskunde, naturwissenschaftliche Mitteilungen, Beiheft 3: 1-138.
Besprechung von Erwin Rennwald
Wer sich in Mitteleuropa mit Blütenspannern beschäftigt, der kennt „Die Blütenspanner Mitteleuropas (Eupitheciini)“ die ab 1987 erschienen und mit Teil 6 im Jahre 2003 endlich abgeschlossen waren – Autor: H.-J. Weigt. Meine Besprechung jener Reihe (Weigt 1-6) fiel eindeutig aus: „Das (!) Werk über die Blütenspanner Mitteleuropas schlechthin ... Die monographische Bearbeitung der Blütenspanner ist für die Eupithecien die beste Bestimmungshilfe – mit zahlreichen Detail-Zeichnungen von Flügeln und Genitalien beider Geschlechter, sehr guten Fotos gespannter Falter (diverse Bilder mit der ganzen Variationsbreite) und lebender Raupen (alle Arten!). Aber nicht nur das, hier findet sich eine derartige Fülle über die Biologie der Arten, dass hier nur sehr wenige Wünsche offen bleiben. Wer sich mit Eupithecien beschäftigt, muss dieses Werk haben.“ 2003 erschien dann auch von MIRONOV „The Geometrid Moths of Europe. Volume 4. Larentiinae II (Perizomini and Eupitheciini)“ (Besprechung siehe HAUSMANN 1-4). Wozu also jetzt noch einmal etwas über mitteleuropäische Blütenspanner?
Der Autor schreibt kein Vorwort. Sein Titel „Blütenspanner erkennen und bestimmen“ gibt die Richtung vor, aber bestimmen konnte man die Eupithecien auch mit Weigts ersten 6 Teilen. Das Problem: Eupithecien wurden am Leuchttuch meist einfach gesammelt und dann im Winter – oder auch erst Jahre später – mehr oder weniger sicher anhand getrockneter Sammlungstiere bestimmt. Oder man überließ die Bestimmung gleich ganz dem Spezialisten. Und jetzt? Die neue Arbeit enthält fast gar keine Genitalabbildungen. Und der Untertitel verrät auch warum. Es geht um „Hinweise und Tipps für die Feldarbeit“! Also, ein Buch das hinausgenommen sein will!
Frage: Kann das bei Blütenspannern überhaupt funktionieren? Antwort: Falls ja, dann mit diesem Band! Der Autor begründet im „1. Teil: Die Imagines“ selbst: „Gute Bestimmungsliteratur hat jeder ernsthafte Schmetterlingsbeobachter. Sie ist aber meist unhandlich und in den seltensten Fällen während der Geländearbeit zu verwenden. Es fehlt also eine Ergänzung, um diese Lücke zu schließen, ohne dass dabei wieder ein ausführliches, mehrbändiges Bestimmungsbuch herauskommt.“ Es geht also darum, einen Blütenspanner, der am Leuchttuch oder tagsüber an einem Baumstamm sitzt, möglichst gleich vor Ort richtig ansprechen zu können, was ja wichtig ist, wenn man z.B. eine ex-ovo-Zucht durchführen oder auch nur die für das eigene Fotoarchiv noch fehlenden Motive ansprechen will.
Wer schon versucht hat, Blütenspanner zu bestimmen, kennt auch die Tücken: Man findet im Buch eine Art, die recht gut passt, während sich die Arten auf der selben Seite recht deutlich unterscheiden. Und wenn man dann sein Bild siegessicher ins Lepiforum stellt, kommt ganz schnell ein nicht näher verwandter Falter 3 oder 5 Seiten weiter heraus. Weigt wagt es hier daher: Die Falter werden nach Ähnlichkeiten zusammengestellt, nicht nach der Verwandtschaft.
Das Kapitel „Blütenspanner bestimmen (S. 48 ff.), in dem der Autor zunächst einmal die Bestimmungsschritte erläutert, ist äußerst lesenswert: 1. Bestimmungsschritt: „Die Ausschlussmethode“. Tafel 12 enthält also zunächst 15 „Unverwechselbare Blütenspanner“ mit sehr markanter Zeichnung und/oder Färbung. Ist es keiner davon landen wir auf Tafel 13 bei 15 weiteren Arten, die so markant gezeichnet sind, dass auch sie sich problemlos bestimmen lassen. Haben wir „unsere“ Art immer noch nicht, versuchen wir uns mit dem „2.Bestimmungsschritt: Spezifische Daten festlegen.“ Also: Passt die Phänologie, geographische Region und Höhenlage? Kommen die benötigten Pflanzen vor? Was für Lebensräume gibt es um die Fundstelle.
Wir kommen zum „3. Bestimmungsschritt: Lebensräume ermitteln“. Weigt hat hier auf 3 Seiten 18 aussagekräftige Farbfotos ganz typischer Lebensräume zusammengestellt, denen man die eigene Fundstelle zuordnen kann. Und unter jedem Bild stehen dann die Namen der Arten, die hier zu erwarten sind. Eine sehr gute Hilfe.
„4. Bestimmungsschritt: Die Ruhehaltung“ – das betrifft die Bestimmung von Faltern auf Fotos ganz besonders: „In vielen Fällen können Blütenspanner schon allein durch die Art der Ruhehaltung (die sie am Leuchttuch auch einnehmen), die im Zusammenspiel mit einigen wenigen Zeichnungselementen eine ganz wichtige Rolle spielt, bestimmt werden. Das funktioniert auch dann noch, wenn die Tiere schon etwas abgeflogen sind. Im Bestimmungsteil werden deshalb skizzenhaft dargestellte Blütenspanner in Ruheposition gezeigt, bei denen die Zeichnung auf, auch bei abgeflogenen Tieren noch erkennbare, aber wichtige Merkmale beschränkt ist“. Wir kennen das von den Flechtenbären (Stichwort: „Rollflügeltyp“), wie hilfreich die Beachtung der Flügelhaltung bei der Bestimmung sein kann. Wenn das auch bei den Eupithecien funktioniert, umso besser!
„5. Bestimmungsschritt: Form, Farbe und Zeichnung vergleichen“ – jetzt geht es in den Bestimmungsschlüssel …
An Eupithecien kommt man oft am besten über die Raupen. Und die meisten Raupen sind hier auch durchaus bestimmbar. Auch hier hilft Weigt in idealer Form: unter dem Raupenfoto stehen ein Stichwort zum Habitat, ein Symbol für die Familie der Futterpflanze (im Sinne von Freiland-Raupennahrungspflanze), die Monate der Erscheinungszeit und eine Zahl, die den prozentualen Anteil der abgebildeten Raupenform an der Gesamtvariationsbreite zeigt. Auch hier arbeiten wir wieder mit Bestimmungsschritten …
Wer eine Besprechung macht, muss auch nach Schwachstellen und Fehlern suchen. Mein Eindruck: Wahrscheinlich wird die Suche nach Schwachstellen hier erst nach Jahren nennenswerten Erfolg haben. Mal sehen, wie viele Geländetage die Bindung überlebt – ganz schlecht scheint sie nicht zu sein. Über den Preis von 15 € + Versandpauschale kann man sich sicher nicht beschweren; ich überlege mir schon, ob ich ein Exemplar für zuhause und ein zweites für den Geländeeinsatz benutze. Und Fehler? Einen Tippfehler habe ich gefunden, aber ein Buch ohne Tippfehler gibt es wohl nicht. Doch, hurra, ich habe noch etwas gefunden! Auf der vorletzten Seite wird „Empfehlenswerte Pflanzenliteratur“ zusammengestellt, und da wird Dietmar Aichele als Erstautor von „Die Blütenpflanzen Mitteleuropas“ mit falschem ersten Buchstaben („Eichele“) geschrieben. Aber wenn das alles ist … Schade, dass mir dieses Beiheft nicht schon vor 40 Jahren zur Verfügung stand. Ich möchte es nicht nur den Fortgeschrittenen sondern noch mehr den Einsteigern in diese Gruppe wärmstens empfehlen. Ich denke, wer so vorbereitet auf Raupensuche geht, wird Erfolg haben. Und wer mit diesem Band seine Falter vorbestimmt, der wird nur selten ganz daneben liegen, wenn er (oder sie!) die eigene Bestimmung im Lepiforum absichert. Herr Weigt wird uns hier sicher gerne weiter unterstützen. Hans-Joachim Weigt traut es uns zu, mit Hilfe seines Beiheftes die Blütenspanner schon im Gelände weitgehend bis zur Art zu bestimmen – testen wir, ob er Recht damit behält!