Schulte, T., Eller, O., Niehuis, M. & E. Rennwald (2007a): Die Tagfalter der Pfalz . Bd. 1. – Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz, Beiheft 36. 592 S.; Landau (GNOR-Eigenverlag).
Schulte, T., Eller, O., Niehuis, M. & E. Rennwald (2007b): Die Tagfalter der Pfalz . Bd. 2. – Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz, Beiheft 37. 340 S.; Landau (GNOR-Eigenverlag).
Besprechung von Jürgen Rodeland
Nach Ludwig van Beethoven taten sich nicht wenige Komponisten schwer, überhaupt noch Symphonien zu komponieren. Fast noch schwieriger erscheint mir dies mit überregionalen Rhopaloceren-Faunen: Seit 1987 die „Tagfalter und ihre Lebensräume“ vom Schweizerischen Bund für Naturschutz erschienen sind und vier Jahre später die Buchreihe „Die Schmetterlinge Baden-Württembergs“ mit den beiden Tagfalterbänden von EBERT & RENNWALD (1991) begonnen wurde, muss sich jedes neue Werk zumindest an diesen beiden opera maximi messen lassen.
Ein Autorenteam um den vor allem durch seine prächtigen Käfer-Bände bekannten Manfred NIEHUIS hat sich dieser Aufgabe nun gestellt und sie – das sei vorab verraten – mit Bravour gemeistert! Mit fast 1000 Seiten zu „nur“ 116 sicher in der Pfalz nachgewiesenen Tagfalterarten (die Fehlmeldungen sowie die Arten, für die zwar aus Rheinland-Pfalz, nicht aber aus der Pfalz historische oder aktuelle Nachweise vorliegen, wurden auch behandelt, so dass insgesamt 140 Arten beschrieben sind) gibt es reichlich Platz für umfassende Artkapitel, in denen im Vergleich zu den beiden oben genannten Publikationen langer Fließtext auffällt, der zum Schmökern einlädt. Jedes Artkapitel beginnt mit „Kennzeichen und Verwechslungsmöglichkeiten“, wobei sogar verschiedene Situationen berücksichtigt werden: Sitzende und fliegende Falter. Damit ist das Buch für die Transektzähler des „Tagfalter-Monitorings Deutschland“ eine ideale Ergänzung zu SETTELE et al. (2005), der als handliches Taschenbuch ins Monitoring-Gepäck gehört. Die neue Tagfalterfauna der Pfalz ist nicht nur nach Transektrundgängen eine Fundgrube, um sich tiefere Kenntnis über die Biologie der Arten zu verschaffen. Jedes Artkapitel enthält hierzu die Abschnitte „Habitatansprüche, Lebensweise und Verhalten“, „Verbreitung, Flugzeit, Bestandsentwicklung und Erfassungsgrad“ sowie „Gefährdung und Schutz“. Den schwierigen Artengruppen (zum Beispiel Leptidea sinapis/reali und Colias hyale/alfacariensis) sind Beschreibungen der jeweiligen Problematik vorangestellt.
Bei den Verbreitungskarten haben die Autoren einen Weg gefunden, alte Verbreitungsangaben nicht durch neuere zu überdecken, so dass unter anderem Arealerweiterungen anschaulich werden. Die Idee zu dieser neuen, graphischen Darstellung beruht vielleicht auf dem alten Spiel „Die Türme von Hanoi“.
Einige einführende Kapitel und der wissenschaftliche Apparat nehmen zusammen rund 125 Seiten ein. Besondere Erwähnung verdienen hier „Die Geschichte der Tagfalterforschung in der Pfalz“ von Manfred Niehuis und das sehr umfangreiche, von demselben und Erwin Rennwald zusammengestellte Literaturverzeichnis, darüber hinaus selbstverständlich auch eine neue „Rote Liste der bestandsgefährdeten Tagfalter der Pfalz“, die aus der Auswertung von 52.777 Datensätzen hervorgegangen ist, und das Kapitel „Die Tagfalter der Pfalz und ihre Raupennahrung“ von Erwin Rennwald, in dem durch farbige Punkte kenntlich gemacht wird, bei welchen Arten noch Forschungsbedarf besteht.
Bei der durchweg qualitätsvollen Bebilderung fällt ein hoher Anteil von Habitat-Aufnahmen ins Auge, die fast immer über die volle Seitenbreite (14 cm) gesetzt sind, während die Fotos von Schmetterlingen und ihren Präimaginalstadien mehrheitlich nur in Spaltenbreite (6,8 cm) gedruckt sind – das reicht für eine Darstellung mindestens in Lebensgröße und ist genug, um die jeweiligen Merkmale gut zu erkennen. Das Bildmaterial konnte nur zum Teil aus der Pfalz zusammengetragen werden. Manche Bildlücken wurden aus überraschend großer Entfernung geschlossen, so zum Beispiel mit einem Schwalbenschwanz-Foto aus Südspanien. Die Ursache hierfür und auch für den Kritikpunkt, dass manches pfälzische Sammlungsmaterial nicht ausgewertet wurde (zum Beispiel die Sammlung Jöst im Naturhistorischen Museum Mainz), liegt sicher im selbst auferlegten Zeitdruck, unter dem das Werk entstand. Zur Publikation einer großen Fauna gehört Mut zur Lücke, wenn man nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag warten möchte. Positiv fällt in diesem Zusammenhang das ausgezeichnete Lektorat auf: Druckfehler, stilistische Macken und sachliche Ungenauigkeiten sucht man vergeblich.
Nicht nur den Transektzählern sei das Buch eindringlich empfohlen, sondern auch allen, die fundierte Informationen zur Biologie von Tagfaltern des außeralpinen Mitteleuropa suchen. Es bleibt zu hoffen, dass andere Bundesländer bald mit weiteren Tagfalterfaunen nachziehen.