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2. Biologie

2.1. Nahrung der Raupe

  • [Arecaceae:] Howea belmoreana (Kentia-Palme)
  • [Arecaceae:] Areca sp.

Buchsbaum & Hausmann (2005) berichten über in die Zoologische Staatssammlung nach München gebrachte Raupen: "Die der Zoologischen Staatssammlung übergebenen Raupen der beiden Arten waren an einer "Kentia-Palme" (Howea belmoreana) gefunden worden, die in der Natur nur auf Lord Howe Island (Ost-Australien) vorkommt (Dr. Fred Stauffer, Zürich, pers. Mitt). Die "Kentia-Palme" wird jedoch vielfach als Zierpflanze genutzt und gezüchtet, z.B. in Süd-Florida (USA) oder Mexiko, von wo aus die Pflanzen dann an Gartencenter und Möbelmärkte verkauft werden, in unserem Falle vermutlich über Großmärkte in Holland. Nach der Übergabe der Raupen an die ZSM wurde die Weiterzucht mit verschiedensten Pflanzen versucht, da zunächst keine Informationen über natürliche Futterpflanzen vorlagen. A. apicalis konnte mit verschiedenen Zimmerpflanzen-Arten, wie z.B. Ficus spec., problemlos zur Verpuppung gebracht werden."

Ihre Literaturrecherche aus dem Bereich des natürlichen Vorkommens der Art in Süd- und Mittelamerika ergab: "Die Raupen leben dort sehr polyphag, Janzen & Hallwachs (2004) melden 33 Futter-Pflanzenarten aus 15 verschiedenen Familien (Dilleniaceae, Fabaceae, Flacourtiaceae, Hippocrateaceae, Lauraceae, Malvaceae, Moraceae, Musaceae, Nyctaginaceae, Piperaceae, Rosaceae, Rubiaceae, Sapotaceae, Simaroubaceae, Sterculiaceae)." Die Kentia-Palme (Endemit einer zu Australien gehörenden Insel) kommt im Herkunftsgebiet des Falters natürlicherweise nicht vor - als häufig genutzte Zimmerpflanze ist sie aber weltweit zu finden.

3. Weitere Informationen

3.1. Faunistik

A. apicalis ist im nördlichen Südamerika und Mittelamerika heimisch. Die Art wurde 2003 und 2004 aber in größerer Anzahl via Baumärkte nach Europa engeschleppt, was sich auch im Lepiforum zeigte:

Eine der ersten Anfragen [Forumsbeitrag Walter Schön vom 14. Oktober 2002] im damals noch nicht so genannten Lepiforum lautete: „Eine "exotisch" aussehende Raupe, an einer Palme (Areca chrysalidocarpus lutescens) fressend, welche 3 Wochen zuvor in einem Real-Kaufhaus in Hannover gekauft wurde. […] Wer kennt sich da aus ? Oder kennt jemanden, der sich da auskennt ?“ Acht Tage später dann die Ergänzung [Forumsbeitrag Walter Schön vom 22. Oktober 2002]: „Nils Bierkamp fand vermutlich eine Raupe der gleichen Art an einer Palme (Chrysalido lutescen) am 20.Oktober in Nürnberg - Bild unten. Die Palme wurde vor ca. 3 Wochen bei IKEA gekauft.“ Wie sich zeigen sollte, handelte es sich bei der Raupe um eine Euclea-Art, sehr wahrscheinlich Euclea vericrux.

Einige Monate später war dann zu lesen [Forumsbeitrag Walter Schön vom 24. März 2003]: „die folgende exotische Raupe wurde gerade in einer Wohnung in Wien an einer schmalblättrigen Palme gefunden - weitere Informationen sind nicht vorhanden.“ R. Röhrig antwortete umgehend [Forumsbeitrag vom 24. März 2003]: „es handelt sich um eine Asselspinner-Raupe (Limacodidae) aus Nordamerika, höchstwahrscheinlich um die Art Sibine stimulea (Saddleback Caterpillar)“.

Eine der Antworten vom Folgetag [Forumsbeitrag Cordula Mahnke vom 25. März 2003] berichtet über weitere Raupenfunde vom 24. März 2003 in Wien: „diese exotische Raupe wurde in grösserer Menge (8 Stück)auch von meiner Bekannten gestern (24.0.03)an ihrer schmalblättrigen Palme gefunden. Sie hat diese Palme am 6. Februar 2003 beim Grosshandel "Metro" gekauft. Dort hat man ihr gesagt die Planze kommt aus Holland. Meine Bekannte wurde von einer Raupe gestochen und hat eine leichte Schwellung und Juckreiz bekommen, beides ist aber nach 24 Stunden wieder weg. Kann jemand sagen was aus dieser Raupe mal werden Kann (Schmetterling).“

Vermutlich aus den Niederlanden stammte die Antwort im [Forumsbeitrag René van Weert vom 11. Mai 2003]: „Auch auf meine bei der Metro gekaufte Palme habe ich heute eine "Saddle Back" gefunden. Nachdem ich erst nicht wusste welche Art es ist, bin ich auf der Suche im Internet bei diesem Forum gelandet. Aus weiteren recherchen habe ich festgestellt, dass die Raupe erst vor kurzem nach Europa gekommen sein muss. Die erste Meldung die ich finden konnte war eine Meldung aus England ([http://news.bbc.co.uk/1/hi/england/2794333.stm]).“

Im Folgejahr ergänzt [Volker Heinrichs, Forumsbeitrag 15. März 2004]: „habe gestern auch so eine raupe in meiner palme gefunden. nach recherchen habe ich herausgefunden das es die art: "Acharia stimulea" ist.

Thomas Müller [Forumsbeitrag 21. November 2008] zeigte die nächste Limacodiden-Raupe aus einem Baumarkt: „Folgende Raupe habe ich heute von einer Bekannten erhalten. Das Tierchen ist etwa 1-2cm lang und hat an einer Büropflanze (Fischschwanz Pflanze, Herkunft unklar) gefressen. […] Ach ja, aber ich denke das tut hier nichts zur Sache :-) Deutschland, Baden Württemberg, Ulm-Jungingen, Bürogebäude, ca 600m, 21.11.2008“. Wie sich zeigen sollte, handelte es sich diesmal um die erst 2004 beschriebene Talima beckeri Epstein, 2004, eine ebenfalls aus Amerika (hier: Costa Rica) stammende Art.

Anders als beim Buchsbaum-Zünsler (Cydalima perspectalis) hat es hier keine dieser Arten geschafft, in Europa Freiland-Populationen aufzubauen – das entsprechende Risiko mit dem internationalen Pflanzenhandel über Baumärkte ist aber weiterhin unüberschaubar groß.

Die Spuren der Einschleppung von Acharia apicalis in den Jahren 2003 und 2004 machten sich auch in der Literatur bemerkbar:

Trebilcock (2003: 177) teilte unter der Überschrift "Saddleback Moth Sibine ?stimulea (Clemens) (Lep.: Limacodidae): - a possible new record for the UK discovered in Somerset" mit: "On 29th January 2003, Bristol Museum & Art Gallery received an enquiry from someone working in a garden centre in Somerset (Vice-County 6, OS grid reference ST 35) requesting help in identifying a caterpillar which has "bitten" her. A digital image of larva in question was then recieved [...] the image was sent on to Warren Spencer, Head of Invertebrates, Bristol Zoological Gardens. He identified it as a Saddleback Moth Caterpillar - Sibine ?stimulea." Und man fuhr kritisch fort: "If the identification is direct ...". Die insgesamt 9 Raupen hatten an einer Areca-Palme gefressen. Zucht von 8 dieser Raupen führte im Folgejahr zum Ergebnis, dass es sich nicht um die nordamerikanische Acharia stimulea, sondern um die nahe verwandte mittelamerikanische Acharia apicalis gehandelt hatte - aber der Name "Sibine stimulea" war jetzt längst im Umlauf.

Buchsbaum (2003) lieferte einen Beitrag mit Titel: „Acharia stimulea (Clemens, 1860) – eine amerikanische Limacodidae in Thüringen (Lepidoptera).“

Und auch aus Schweden wurde die Art - erwartungsgemäß - gemeldet. Franzén (2004: 40) schreibt: "Införda arter. [Sibene (Acharia) stimulea] (Fig. 5). Vg, Kållered, IKEA 1 ex 31.10 (Naturhistoriska museet i Göteborg genom Charlotte Jonsson). En larv hittades på Arekapalm (Areca sp.) på IKEA:s krukväxtavdelning".

Wie sich durch den Beitrag von Buchsbaum & Hausmann (2005) unter Einschaltung des Limacodiden-Spezialisten Mark Epstein zeigen sollte, handelte es sich bei wahrscheinlich allen Acharia-Raupen von 2003 und 2004 in europäischen Baumärkten nicht um die nordamerikanischen Acharia stimulea, sondern um die nahe mit ihr verwandte, aber in Süd- und Mittelamerika heimische Acharia apicalis. Dies wurde durch Stüning et al. (2006) ausdrücklich bestätigt.

Stüning et al. (2006) lieferten dann auch eine Zusammenstellung aller bekannten Nachweise in Deutschland und darüber hinaus, wobei der nachträglich publizierte Erstfund aus dem Jahr 1997 besonders interessant ist: "Bei Recherchen in der Insektensammlung des Kölner Zoos (die sich inzwischen als Dauerleihgabe im ZFMK befindet) stellte sich heraus, dass bereits im Dezember 1997 Raupen von A. apicalis in einem Pflanzenmarkt in Leverkusen gefunden wurden, ebenfalls an Kentia-Palmen. Diese wurden von Matthias Forst, dem damaligen Leiter des Insektariums, erfolgreich weitergezüchtet und schlüpften in der zweiten Januarhälfte 1998. Sie wurden auch fotografisch dokumentiert (s. Abb. 8), aber der Fund wurde nicht publiziert."

Stüning et al. (2006) begannen ihre Auflistung mit: "Der erste Fund im Mai 2003 wurde aus Thüringen bekannt (Thüringer Allgemeine, 22. Mai 2003, Buchsbaum 2003). Dieser Fund wurde als Acharia stimulea (Clemens, 1860) publiziert, aber mit großer Wahrscheinlichkeit handelte es sich ebenfalls um A. apicalis. Im Juli 2003 wurden erneut Raupen gefunden und der Zoologischen Staatssammlung in München (ZSM) übergeben (Buchsbaum & Hausmann 2005). Fast gleichzeitig wurden dann auch erste Funde aus dem Kölner Raum bekannt [...]" Konkret benannt werden u.a. Kamp-Lintfort und Kevelaer, von wo dann auch Raupen erfolreich durchgezogen wurden, so dass eine sichere Bestimmung als A. apicalis erfolgen konnte. Bemerkenswert: "Alle drei Pflanzenmärkte hatten die Palmen aus Holland bezogen." Dabei gibt es aber keinen einzigen publizierten Nachweis des Falters aus Holland selbst!

Stüning et al. (2006) berichteten weiter: "Außer in Deutchland wurden Raupen dieser Art auch in Österreich (Wien) und England (Bristol) gefunden (Thüringer Allgemeine, 22. Mai 2003, Buchsbaum 2003). Später wurden weitere Nachweise aus Schweden (Kållered: Franzén 2004) und Dänemark (O. Karsholt, Kopenhagen, pers. Mitt.) bekannt. Der schwedische Fund wurde irrtümlich auch als A. stimulea veröffentlicht."

Nach 2004 wurde es wieder sehr still um die Art(en) in Europa. Es gab erwartungsgemäß keine Ansiedlung und offensichtlich auch kaum noch neue Einschleppungen.

Nur aus Ungarn wird für 2007 noch einmal über zwei Raupen von "Acharia stimulea" berichtet. Nach dem Bericht von Gyulainé & Gyulai (2008) wurden am 8. November 2007 von einem Einwohner von Miskolc (im Nordosten von Ungarn) 2 an Zierpflanzen gefundene Raupen in das dortige das Institut für Ökologie gebracht und dort als Acharia stimulea bestimmt. Dies ist nicht völlig auszuschließen, dürfte aber höchstwahrscheinlich falsch sein. Der Artikel wurde schon vor einem möglichen Zuchtergebnis publiziert und Acharia apicalis als (sehr viel wahrscheinlichere) Alternativmöglichkeit wurde nicht einmal diskutiert! Im Fließtext wird allerdings erwähnt, dass A. stimulea (also wohl ebenfalls A. apicalis) auch in Polen gefunden worden sei. Beide Meldungen werden im Lepiforum mit Fragezeichen als A. apicalis erfasst.

(Autor: Erwin Rennwald)

3.2. Literatur