1. Lebendfotos
1.1. Falter
2. Diagnose
2.1. Männchen
2.2. Geschlecht nicht bestimmt
2.3. Genitalien
2.3.1. Männchen
2.3.2. Weibchen
3. Biologie
3.1. Habitat
3.2. Nahrung der Raupe
- [Poaceae:] Festuca heterophylla (Verschiedenblättriger Schwingel)
- [Poaceae:] Festuca ovina agg. (Schaf-Schwingel)
- [Poaceae:] Festuca rubra agg. (Rot-Schwingel)
Tokár et al. (2015: 38) formulieren: "Raupe frisst in einer seidenen Röhre an Wurzeln von Festuca heterophylla, F. ovina agg., F. rubra agg. und anderen Poaceae-Arten." Als Lebensraum werden dabei "Waldsteppen, Trockenrasen" genannt. Der Rot-Schwingel dürfte dabei nur eine untergeordnete Bedeutung haben.
4. Weitere Informationen
4.1. Synonyme
- Holoscolia forficella Hübner, 1813, nec Thunberg, 1794
4.2. Faunistik
Die Art zeigt eine mediterrane Verbreitung. Die Meldungen aus Deutschland betreffen also die Areal-Nordgrenze. Im Katalog der Schmetterlinge Deutschlands von Gaedike & Heinicke (1999) wurde die Art mit älteren Angaben (vor 1980) aus Thüringen und Bayern angeführt. Nach Pröse, Segerer & Kolbeck (2003) handelt es sich um eine Art, die „in früheren Arbeiten (Pröse 1987, 1992, Segerer & Pröse 1999) noch angeführt“ wurde, die aber bis zum Beweis des Gegenteils aus der bayerischen Fauna zu streichen“ ist. Gaedike (2010) kann auf eine Arbeit von Mey (2008) zurückgreifen, in der über einen aktuellen Fund aus Sachsen-Anhalt berichtet wird: "Umgebung Rumpin: Es handelt sich um den ersten aktuellen Fund für Deutschland."
Die Uraltmeldung aus Bayern wird von Haslberger & Segerer (2016: 248) vollständig verworfen: "Nur von Egger (1863: 84, als H. forficella) für Passau. Unglaubhaft, aus der Fauna ausgeschlossen (Pröse et al. 2004: 235)." Gaedike et al. (2017) folgten dem und nahmen die Art für BY nicht mehr in die Tabelle auf. Details zur Altangabe aus Thüringen kenne ich noch nicht - das Vorkommen im Kyffhäuser bei Bad Frankenhausen wird aber im Zusammenhang mit Sachsen-Anhalt durch Überprüfung alter Belege durch Mey (2006) rückwirkend bestätigt (s.u.).
Die Neuangabe aus Sachsen-Anhalt lohnt eine nähere Betrachtung, denn erstens betrifft sie gleich zwei verschiedene Fundjahre an einer Fundstelle und außerdem wurde nebenbei gleich noch mehrere Nachweise in Sammlungen aus der weiteren Region von 4 bis 5 Jahrzehnten davor getätigt, so dass hier alles für Bodenständigkeit spricht. Mey (2008: 99-100) sei daher ausführlich zitiert: "Material: 3 ♀, Hohlweg nördlich Rumpin, Gemeinde Kloschwitz, Saalkreis, Sachsen-Anhalt, 31.5.2003, leg. W. MEY. 2 ♀, selber Ort, 29.5.2005, leg. W. MEY (aufbewahrt im Museum für Naturkunde Berlin). Weiteres Material: 1 ♀, Halle/S, Lieskau, 29.6.1974, Lichtfang, leg. O. MÜLLER. 1 ♀, Bad Frankenhausen, 5.8.1965, Lichtfang, leg. O. MÜLLER. 1 ♀, Bad Frankenhausen, 9.6.1966, Lichtfang, leg. O. MÜLLER (alle im Museum für Naturkunde Berlin)." Die neue Fundstelle im untersuchten Hohlweg bei Rumpin, wo die Art 2003 und wieder 2005 gefunden wurde, liegt nur geschätzt 15 km von der Fundstelle von 1974 bei Lieskau entfernt. Und die 1965 und 1966 registrierte Fundstelle bei Bad Frankenhausen liegt auch nur wenig mehr als 50 km westlich von beiden zuvor genannten Orten im Kyffhäuser in Thüringen.
Weiter: "Nach Hannemann (1997) lebt die Raupe in Gespinsten unter Steinen und frisst Triebe und Blätter von Festuca ovina L. Die Falter leben gesellig (RAPP 1936). Nach meinen Beobachtungen sind die Tiere dämmerungsaktiv. Sie fliegen bei warmem Wetter nur kurze Strecken in und über der Vegetation. Da die Tiere relativ helle Flügel haben, können sie noch bis tief in der Dämmerung gut verfolgt werden. Am Leuchtturm wurde die Art nie angetroffen." Das ist ein wichtiger Hinweis, denn das heißt, dass Lichtfang keine Methode zum Artnachweis sein kann! Dies wurde auch von anderen Autoren so beschrieben - die Falter sind tag- bis dämmerungsaktiv!
Weiter: "Die Art ist nach ihrer Gesamtverbreitung zu urteilen ein mediterranes Faunenelement. Sie scheint jedoch auf der Iberischen Halbinsel zu fehlen. Im Osten reicht das Areal bis nach Syrien, Transkaukasien und Südrussland (HANNEMANN 1997, LVOVSKYI 1981). An der mittleren Wolga kommt die Art nördlich bis Uljanowsk vor (V. ZOLOTUHIN, pers. Mitteilung). Das untere Saaletal markiert die nördliche Verbreitungsgrenze. Die wenigen historischen Nachweise deuten darauf hin, dass die Art auch in der Vergangenheit kein geschlossenes Verbreitungsgebiet in Mitteleuropa hatte, sondern eher insulär verbreitet war und auf Standorte beschränkt blieb, die dieser südlichen Art ein Fortkommen ermöglichten. Das untere Saaletal bietet offensichtlich diese Bedingungen. Die Gegend ist seit langem dafür bekannt, dass sie viele südliche Pflanzenarten aufweist (ALTEHAGE 1937). [...] Zu dieser Riege südlicher Arten kann mit H. huebneri nun auch ein Kleinschmetterling gezählt werden. Im ersten Nachtrag zur Lepidoptera-Fauna Deutschlands (GAEDIKE 2008) wird die Art mangels neuer Daten weiterhin als verschollen geführt. Das kann hiermit ad acta gelegt werden. Wie ist nun der Wiederfund im unteren Saaletal zu bewerten? War die Art schon immer dort vorhanden, oder ist sie in Ausbreitung nach Norden begriffen? Die Antwort ist relativ banal: H. huebneri war im unteren Saaletal wohl schon immer vorhanden und ist es bis heute geblieben. Als Beweis kann ein von Otto MÜLLER am 29.6.1974 bei Lieskau gesammeltes Weibchen dienen, dass sich heute zusammen mit der Sammlung Müller im Museum für Naturkunde Berlin befindet. Lieskau liegt nordwestlich von Halle, jedoch nicht direkt im Saaletal. Wo genau der damalige Vorsitzende („Häuptling“) der Hallischen Entomologen das Tier gesammelt hatte, geht aus dem Etikett nicht hervor. Es ist zu vermuten, dass es die Halbtrockenrasen westlich von Lieskau waren. Die Gegend leitet über das Salzatal zur Südseite des Saaletals hin. Man kann davon ausgehen, dass zur Zeit des Lieskauer Fundes die Art auch an geeigneten Stellen im unteren Saaletal nördlich von Halle präsent war. Der aktuelle Nachweis bei Rumpin zeigt, dass H. huebneri im Gebiet bodenständig ist. Eine gezielte Nachsuche bei Lieskau könnte die Permanenz des dortigen Vorkommens bestätigen. Wahrscheinlich ist die Art in allen Schutzgebieten des unteren Saaletals anzutreffen (z. B. Porphyrlandschaft bei Gimritz, Saalehänge bei Dobis, Lunzberge). Wenn es die Art geschafft hat, sich in den Hohlwegen und Streuobsthängen bei Rumpin dauerhaft zu halten, sollte sie erst recht in den genannten Gebieten mit größeren Populationen vorkommen."
Ob seither nochmals in Sachsen-Anhalt oder Thüringen gezielt nach der Art gesucht wurde, ist mir nicht bekannt. Aber wenn es die Art nachweislich hier gibt, dann ist ein Fundort Passau im Donautal im Osten Bayerns nicht mhr so ganz unmöglich. Ohne Beleg ist die alte Angabe wenig wert - aber vielleicht gelingt ja bei abendlicher Suche hier ein aktueller Fund. Einen Versuch wäre es wert.
(Autor: Erwin Rennwald)
4.3. Literatur
- Arbeitsgemeinschaft Microlepidoptera in Bayern (2024): Neue Ergebnisse in der bayerischen Kleinschmetterlingsfaunistik – 12. Beitrag. — Beiträge zur bayerischen Entomofaunistik 24: 51-66.
- Gaedike, R. (2010): Nachtrag 2009 zum Verzeichnis der Schmetterlinge Deutschlands (Microlepidoptera. — Entomologische Nachrichten und Berichte 54 (2): 109-112.
- Gaedike, R. & W. Heinicke (1999): Verzeichnis der Schmetterlinge Deutschlands (Entomofauna Germanica 3). — Entomologische Nachrichten und Berichte, Beiheft 5: 1-216.
- Hannemann, H.-J. (1997): Kleinschmetterlinge oder Microlepidoptera V. Oecophoridae, Chimabachidae, Carcinidae, Ethmiidae, Stathmopodidae. — Die Tierwelt Deutschlands. Begründet 1925 von Friedrich Dahl. — 70. Teil. — 163 S.; Jena (Gustaav Fischer Verlag).
- Nomen novum: Koçak, A. Ö. (1980): Some Notes on the Nomenclature of Lepidoptera. — Communications de la Faculté des Sciences de l'Université d'Ankara. Série C3 : Zoologie 24: 5-25 [PDF auf dergiler.ankara.edu.tr].
- Mey, W. (2008): Hohlwege und Streuobsthänge als Überlebensräume für Kleinschmetterlinge (Lepidoptera) im Naturpark „Unteres Saaletal“, Sachsen Anhalt. — Insecta - Zeitschrift für Entomologie und Naturschutz des Bundesfachausschusses Entomologie (NABU), 11: 95-102.
- Pröse, H., Segerer, S. & H. Kolbeck (2003)[2004]: Rote Liste gefährdeter Kleinschmetterlinge (Lepidoptera: Microlepidoptera) Bayerns. — S. 234-268. In: Bayerisches Landesamt für Umweltschutz (2003)[2004]: Rote Liste gefährdeter Tiere Bayerns. — Schriftenreihe Bayerisches Landesamt für Umweltschutz, Heft 166. 384 S., Augsburg. [Hinweis: Im Heft steht als Erscheinungsjahr "2003" - tatsächlich wurde es aber erst am 2. April 2004 der Öffentlichkeit vorgestellt] [PDF auf lfu.bayern.de].
- Rapp, O. (1936): Beiträge zur Fauna Thüringens, Bd. 2., Microlepidoptera, Kleinschmetterlinge. – 240 S.; Erfurt (im Selbstverlag) [Sekundärzitat]
- [SCHÜTZE (1931): 23]
- Tokàr, Z., Lvovsky, A. & P. Huemer (2005): Die Oecophoridae s. l. (Lepidoptera) Mitteleuropas. Bestimmung - Verbreitung - Habitat - Bionomie. - 120 S., Bratislava.