1. Lebendfotos
1.1. Falter
2. Biologie
2.1. Nahrung der Raupe
- [Fagaceae:] Quercus frainetto (Ungarische Eiche)
- [Fagaceae:] Quercus pedunculiflora [= Quercus robur ssp. pedunculiflora]
- [Fagaceae:] Quercus dalechampii (Balkanische Traubeneiche, Dalechamps-Eiche)
- [Fagaceae:] Quercus pubescens (Flaum-Eiche)
- [Fagaceae:] Quercus macrolepis (Wallonen-Eiche)
- [Fagaceae:] Quercus trojana ((Mazedonische Eiche)
- [Fagaceae:] Quercus suber (Kork-Eiche)
- [Fagaceae:] Quercus coccifera (Kermes-Eiche)
- [Fagaceae:] Quercus ilex (Stein-Eiche)
Eine detailliertere Studie darüber, welche Schmetterlingsraupen an welchen Eichen-Arten zu finden sind, wurde von Kalapanida & Petrakis (2012) am Mt Holomontas auf Chalkidiki in Griechenland durchgeführt. Von "Carcina quercana" wurden an allen untersuchten Eichen-Arten jeweils mehrere, aber insgesamt nur wenige Raupen gefunden (zwischen 13 und 2, Reihenfolge in abnehmender Raupenzahl): Quercus frainetto, Quercus pedunculiflora, Quercus dalechampii, Quercus pubescens, Quercus macrolepis, Quercus trojana, Q. coccifera und Q. ilex.
Man könnte die Raupennahrung von Carcina ingridmariae als noch unbekannt ansehen, aber da es von Chalkidiki im Südosten Griechenlands, jetzt einen Paratypus von C. ingridmariae gibt, und die nächsten bekannten Vorkommen der "echten" C. quercana nach derzeitiger Kenntnis erst im Norden Griechenlands zu finden sind, ist es doch mehr als wahrscheinlich, dass die Studie von Kalapanida & Petrakis (2012) zur neuen Art gehört. Huemer (2025) jedenfalls kam zum genau gleichen Schluss und schrieb daher: "The biology has not been described, but extensive data on larval phenology and food plant spectrum of alleged C. quercana from Greece (Mt. Cholomontas, Chalkidiki) refer with high probability to the new species, as part of the type material was collected on Chalkidiki. Accordingly, C. ingridmariae would live on all oak species examined in the area, with evidence on Quercus trojana, Q. pedunculiflora, Q. macrolepis, Q. coccifera, Q. ilex, Q. pubescens, Q. dalechampii and Q. frainetto (Kalapanida and Petrakis 2012). However, like C. quercana, the species probably feeds on a wider range of woody plants, which is also indicated by the findings of C. ingridmariae in north Cyprus, where Quercus species are absent. Although no information is known about the caterpillar’s habits, it can be assumed that, like C. quercana, they live in a flat, silvery white, protective silk web on the underside of the leaves of the host plant. In C. quercana, pupation takes place between two spun leaves (Sterling and Parsons 2012; Schmid 2019)."
(Autor: Erwin Rennwald)
3. Weitere Informationen
3.1. Etymologie (Namenserklärung)
Weibliche Vornamen als Artepitheton sind gar nicht so selten. Manchmal sind es die Töchter der Autoren, die so zu Ehren kommen, öfters aber auch die Ehefrauen, denen gegenüber man(n) ein bisschen ein schlechtes Gewissen hat, weil sie der Wissenschaft wegen etwas vernachlässigt wurden, oder einfach weil man(n) noch frisch verliebt ist. Doch aufgepasst: Letzteres kann gefährlich sein - es gibt gar nicht so wenige Beispiele, wo die Ehen schon wieder in Scheidung begriffen waren, kaum war das Manuskript zur Veröffentlichung eingereicht. Nicht so hier: Der Autor beschrieb ja schon viele neue Arten, aber bevor er jetzt (nach Phtheochroa ingridae Huemer, 1990) eine zweite Art nach seiner Ehefrau benannte, musste das schon etwas besonderes sein; auf keinen Fall eine von vielen Dutzend mehr oder weniger gleich aussehenden Gelechiiden ! Nach rund vier Jahrzehnten wurde der Autor jetzt fündig: Eine Art, die bisher gar niemand auf dem Schirm hatte und deren Familie - je nach taxonomischer Auffassung (z.B. Ponomarenko & Chernikova (2018)) - bisher in ganz Europa nur durch eine einzige, anscheinend völlig unverwechselbare Art bekannt war. Und schick aussehen sollte sie ja auch noch. Ganz knapp heißt das dann bei Huemer (2025: 61) für die Öffentlichkeit: "The new is dedicated to my wife Ingrid Maria, who for so many years accompanied and supported me during field work and long hours of analysis in the laboratory."
3.2. Taxonomie
Wenn genau 250 Jahre nach der Beschreibung der Carcina quercana eine zweite Art der Gattung aus Europa beschrieben wird, dann ist das schon etwas Besonderes. Ähnlich wie bei Leptidea sinapis galt die Art als völlig unverwechselbar, weshalb man sie nicht serienweise und über ein großes Areal hinweg genitalisieren und näher betrachten musste. Erst beim Erstellen einer Barcode Library für Griechenland und dann für Kreta durch Huemer et al. (2024) und Huemer et al. (2025) war aufgefallen, dass die Tiere vom südlichen Griechenland und von Kreta beim Barcoding doch ziemlich heftig - mehr als 6 % (!) - von den Tieren aus Mittel- und Westeuropa abwichen. Während es äußerlich keine zuverlässigen Merkmale gibt - die Tiere der neuen Art sind etwas blasser, die gelben Flecke etwas kleiner - sind die Genitalunterschiede in beiden Geschlechtern doch relativ deutlich, so dass man die neue Art auch mit klassischen Methoden hätte erkennen müssen. Doch wer kommt schon auf die Idee, so eine unverwechselbare Art im großen Stil über ein riesiges Verbreitungsgebiet hinweg vergleichend zu genitalisieren ?
3.3. Faunistik
Die Art wurde von Kreta beschrieben, mit Paratypen von Kroatien, dem südlichen Griechenland, dem Westen des asiatischen Teils der Türkei und vom Norden Zyperns. Huemer (2025: 60-61) fasst zusammen: "Distribution. Examined material: Greece (Chalkidiki, Peloponnese, Crete, Kos), Croatia, Cyprus, Türkiye. Following data in BOLD the species also occurs in Lebanon, indicating a wider distribution in the eastern Mediterranean." Weiter ist zu erfahren: "Reports of C. quercana from Israel likely also belong to the new species (Lvovsky et al. 2016). The collecting locality of a barcoded specimen from Finland is uncertain (Mutanen in litt.) and from a biogeographical point of view an occurrence in Fennoscandia also seems highly unlikely." Und weiter: "Findings from Türkiye probably all refer to C. ingridmariae (iNaturalist 2025). Similarly, records from Georgia and Azerbaijan may refer to the new species (Lvovsky 2003)." In Kroatien wurden beide Arten festgestellt, in Griechenland wurde Carcina quercana im Norden (Epirus) nachgewiesen, C. ingridmariae scheint hingegen in der Südhälfte Griechenlands weit verbreitet zu sein. Details zu den Vorkommen der beiden Arten auf dem Balkan sind aber noch zu klären.
3.4. Typenmaterial
Huemer (2025: 54) informiert zum Holotypus: "Holotype. Greece • ♂; Crete, Lakki, 4.2 km SSW; 650 m; 35°22'00"N, 23°54'52"E; 21 September 2022; leg. Huemer; DNA Barcode TLMF_Lep_35319; TLMF." Dazu kommen insgesamt 33 Paratypen von Kreta, dem Peloponnes, Chalkidiki, Kos in Griechenland, von Kroatien, Zypern und von Gönen in der Provinz Baliksehir im Westen des asiatischen Teils der Türkei.
(Autor: Erwin Rennwald)
3.5. Literatur
- Erstbeschreibung: Huemer, P. (2025): The supposedly unmistakable mistaken: Carcina ingridmariae sp. nov., a surprising example of overlooked diversity from Europe and the Near East (Lepidoptera, Peleopodidae). — Alpine Entomology, 9: 51- 63. [zum open-access-Artikel auf alpineentomology.pensoft.net]
- Huemer, P., Berggren, K., Aarvik, L., Rennwald, E., Hausmann, A., Segerer, A., Staffoni, G., Aspaas, A.M., Trichas, A., Hebert, P.D.N. (2025): Extensive DNA barcoding of Lepidoptera of Crete (Greece) reveals significant taxonomic and faunistic gaps and supports the first comprehensive checklist of the Island’s fauna. — Insects, 16 (5): 438. https://doi.org/10.3390/insects16050438.
- Huemer, P. & Ö. Özden (2024): First attempts at DNA barcoding Lepidoptera in North Cyprus reveal unexpected complexities in taxonomic and faunistic issues. — Diversity, 16 (11): 671. https://doi.org/10.3390/d16110671.
- Ponomarenko, M.G. & P.N. Chernikova (2018): To the taxonomic position of Lecithocera luridella Christoph and Carcina Hübner in the system of Oecophoroid moths (Lepidoptera: Oecophoridae sensu lato). — Far Eastern Entomologist, 366: 1–18. https://doi.org/10.25221/fee.366.1 [PDF auf biosoil.ru]