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Steiner, Axel, Ratzel, Ulrich, Top-Jensen, Morten & Michael Fibiger (2014): Die Nachtfalter Deutschlands. Ein Feldführer. – 878 S., 76 Farbtafeln, über 1750 Lebendfotos. Format 13 x 21,5 cm, broschiert mit Fadenheftung, durchsichtiger Schutzumschlag. BugBook Publishing (Oestermarie, Dänemark). ISBN 978-3-00-043862-2. Preis: 99 €.

Besprechung von Erwin Rennwald

Ein Buch - oder besser das Buch, das man beim Leuchten in Deutschland dabei haben muss!

Zwei Vorgeschichten:

„Großschmetterlinge in Deutschland bestimmt man mit dem Koch-Buch“ – dieser Spruch galt einst für die DDR wie auch die BRD außerhalb der Alpen. Gemeint war das von Manfred Koch zunächst in 4 knappen Einzelbänden herausgegebene Werk „Wir bestimmen Schmetterlinge“, das dann 1984 in einen Sammelband zusammengefasst und 1991 noch einmal fast unverändert herausgegeben wurde. Das Konzept: Ganz knappe, aber für die Schnellorientierung sehr gut strukturierte Texte – dann am Ende des Textteils Darstellung aller Arten in kompakten Farbtafeln (Fotos gespannter Falter in natürlicher Größe, um Platz zu sparen sind vielfach nur der Körper und die linken Flügel dargestellt). Einfach das ideale Buch, das man mit zum Leuchtabend nehmen musste – und irgendwann kannte man die Koch-Nummern auswendig und wusste genau, wo man aufschlagen musste, wenn es galt, sich zwischen 2 ähnlichen Arten zu unterscheiden. Die Letzte Ausgabe des Koch wurde zunächst verramscht (ich kaufte mir 8 Exemplare für zusammen 80 DM), später stiegen die Preise im Antiquariat ins Astronomische (> 200 € pro Band). Das Buch wurde nicht mehr nachgedruckt, der Versuch einer Überarbeitung blieb im Anfangsstadium stecken. Aber man brauchte so ein Buch für draußen, egal was es kostet.

Top-Jensen & Fibiger (2009) griffen dieses Prinzip auf und schufen einen Feldführer für Dänemark (Danmarks Sommerfugle. En felthåndbog over samtlige dag- og natsommerfugle) im geländetauglichen durchsichtigen Plastikeinband: Im hinteren Teil wurden – wie beim Koch – alle 1018 Schmetterlingsarten des Landes als Sammlungsexemplare in Tafeln zusammengestellt. Der Teil davor, also die knappen Arttexte, wurde jetzt aber bunt, d.h., für jede Art wurden ein bis zwei qualitativ hochwertige Falter-Lebendfotos gezeigt. Das Buch richtete sich eben nicht mehr primär an reine Schmetterlingssammler, sondern an Naturbeobachter, auch solche mit der Kamera. Der Bedarf nach solchen Feldführern war offensichtlich groß, denn schon kurz danach erschien eine schwedische Ausgabe des Buches und 2012 dann auch eine englische (Top-Jensen & Fibiger (2012): Moths of Great Britain and Ireland. A field guide to all the macromoths). Um Platz zu sparen blieben die Tagfalter jetzt außen vor, so gab es im englischen Band insgesamt 874 Arten abzuhandeln.

So etwas müsste man für Deutschland unbedingt auch haben, war man sich einig. Axel Steiner & Ulrich Ratzel packten es an. Wenn es bei einem Band bleiben sollte, war klar, dass man nicht alle Arten zeigen konnte, die klassisch als Großschmetterlinge bezeichnet wurden. Die Tagfalter blieben natürlich draußen, aber auch die tagaktiven Familien Widderchen (Zygaenidae) und Glasflügler (Sesiidae), ebenso die Sackträger (Psychidae). Dafür konnte in allen anderen Familien das Konzept der Vollständigkeit der Arten des Gebiets eingehalten werden. Abzuhandeln waren jetzt immer noch 1160 Arten – es mussten also viele neue Fotos gesucht und viele neue Texte geschrieben werden. Wo schon dänische oder englische Texte vorhanden waren, mussten sie nicht nur übersetzt, sondern an die Verhältnisse in Deutschland angepasst werden. Dass dies durch zwei hervorragende Artenkenner und sehr gute Faunisten erfolgte, merkt man auf Schritt und Tritt.

Schon in meiner ersten Kurzbesprechung der Arbeit im [Forumsbeitrag 9. April 2014] war ich des Lobes voll, vermerkte aber: „Was fehlt sind in schwierigen Artengruppen umfangreiche Differenzialmerkmals-Zusammenstellungen, wie wir sie von Axel Steiner in unserer BH ja gewöhnt sind – dafür gibt es in so einem Feldführer einfach keinen Platz.“ Aber in den ersten Zeilen zur jeweiligen Art wird gerade der Einsteiger auf die wesentlichen Feld-Merkmale, auf Häufigkeiten, Flugzeiten und Verwechslungsmöglichkeiten hingewiesen – oder eben auch darauf, dass eine Art (fast) nur durch Genitaluntersuchung sicher bestimmt werden kann. In Verbindung mit den genannten Lebensräumen und ggf. mit Angaben zu den Bundesländern sollten bei sorgfältigem Arbeiten Fehlbestimmungen weitgehend ausgeschlossen sein.

Das Buch ist mit 878 Seiten und 1,4 kg grenzwertig dick für die Mitnahme ins Gelände. Aber es funktioniert! Mein Band hat jedenfalls schon etliche Geländenächte im Freien verbracht und hält noch immer gut zusammen! Buchbinderisch eine hervorragende Leistung! Ich möchte den Band beim Leuchten in Deutschland nicht mehr missen. Und: 99 € sind bestimmt nicht zu viel für diesen Band! Die Qualität der Tafeln ist doch um Vieles besser als beim Koch und die sitzenden Lebendfalter entsprechen viel stärker dem, was man in der Natur sieht.

Zu weiteren Informationen über das Buch und zur Bestellmöglichkeit sei auf die Seite von Axel Steiner verwiesen: [http://www.nachtfalterdeutschlands.de/]