1. Lebendfotos
1.1. Falter
1.2. Raupe
1.3. Puppe
1.4. Ei
2. Diagnose
2.1. Erstbeschreibung
3. Biologie
3.1. Habitat
3.2. Nahrung der Raupe
- [Lamiaceae:] Stachys recta (Aufrechter Ziest) [zumindest in Mitteleuropa einzige Nahrungspflanze]
- [Lamiaceae:] Stachys germanica ?? (Deutscher Ziest ??)
- [Lamiaceae:] Stachys arvensis ?? (Acker-Ziest ??)
- [Lamiaceae:] Sideritis hyssopifolia [= Sideritis scordioides] (Ysopblättriges Gliedkraut)
- [Lamiaceae:] Sideritis hirsuta (Haar-Gliedkraut)
- [Lamiaceae:] Sideritis sp. (Gliedkraut)
Einzige bisher gut dokumentierte Eiablage- und Raupennahrungspflanze scheint der Aufrechte Ziest zu sein. Die Beobachtungen dazu stammen aus der Südschweiz, Norditalien und den Pyrenäen.
Tolman & Lewington (1998) führen neben S. recta auch Stachys germanica (Deutscher Ziest) und Stachys arvensis (Acker-Ziest) an. Konkrete Freiland-Funde an jenen Pflanzen werden aber nicht genannt.
Angaben zu Sideritis sind plausibel. Wie groß ihre Rlle ist, ist aber unklar. So heißt es bei Bink (1992: 185): "Labiatae: Stachys recta en in Zuid-Europa vooral Sideritis scordioides. Lafranchis (2000: 99) formulierte: "Oeufs pondus séparémant sur le calice de Lamiacées (Stachys recta, Sideritis hirsuta, S. scordioides)." Bei Lafranchis et al. (2015: 62) heißt es dann konkreter dazu: "La femelle fécondée disperse une centaine d'oeufs isolément à l'exterieur ou dans les calices de l'Épiaire droite. Elle choissi parfois la Crapaudine hérissée en Provence et la Crapaudine faux-scordium dans les Pyrénées." Insgesamt scheinen die Gliedkraut-Arten doch eher nur eine Nebenrolle zu spielen.
Tshikolovets (2011) führt neben Stachys-Arten auch noch Lavatera thuringiaca [jetzt: Malva thuringiaca] an, und zwar auch noch als erste Pflanze: "Main host-plants: Lavatera thuringiaca, Stachys recta, S. germanica." Dies ist grob falsch: Malva thuringiaca ist bestenfalls als Fehlbestimmung zu werten, möglicherweise aber auch nur als Phantasieprodukt. Es gibt nicht den geringsten Hinweis, dass die Art auch an Malvaceae leben könnte. Der Namensgeber, Esper, hat die Raupe wohl nie gesehen und auch nicht behauptet, dass sie an Lavatera lebt (siehe Etymologie).
(Autor: Erwin Rennwald)
4. Weitere Informationen
4.1. Etymologie (Namenserklärung)
„eine malvenartige Pflanze, irrtümlich für die Nahrung der Raupe gehalten.“
Bei der Beschreibung von Carcharodus alceae berichtet Esper ([1780-1786]) über zahlreiche eigene Raupen-, Ei- und Puppenfunde an Alcea rosea, weshalb er zur Benennung jener Art schreibt: "so nenne ich ihn von der gewöhnlichsten Futterpflanze, der alcea rosea unserer gemeinen Gartenmalve". Er unterschied jenen Falter von "P. malvae", stellte beim Vergleich aber fest, dass ihm selbst kein Raupenfund von Pyrgus malvae gelang, dass die damals existenten Raupenbeschreibungen von "P. malvae" aber exakt auf seine neue Art passten, es also keinen erkennbaren Unterschied gab [, was schlichtweg damit zusammenhing, dass die alten Raupenbeschreibungen in Wirklichkeit alle zu C. alceae gehörten]. Malva als Nahrung für die kleinste Art, Alcea als Nahrung für die größere - was lag da näher, bei der Beschreibung der dritten, noch größeren Art einfach ein noch größeres Malvengewächs als Namensgeber zu verwenden: "Ich habe für diese eigene Gattung einen Namen von den Malvengeschlechtern gewählt, wobei ich bereits drey ähnliche Species unterschieden. Die Lavathera, die Baummalve zeichnet sich durch den ahnsehnlichen Wuchs vor den übrigen aus; unser Falter ist eben auch der größte unter seinen verwandten Arten."
(Autor: Erwin Rennwald)
4.2. Andere Kombinationen
- Papilio lavatherae Esper, 1783 [Originalkombination]
- Carcharodus lavatherae (Esper, [1783]) [bis Zhang et al. (2020) übliche Kombination]
4.3. Synonyme
- Carcharodus tauricus Reverdin, 1915
4.4. Taxonomie
Zhang et al. (2020) studierten die Art genetisch (mitochondriale und Kern-DNA) und kamen dabei zum Schluss, dass die Untergattung Reverdinus mit all ihren Arten aus der Gattung Carcharodus herausgelöst und als Untergattung zu Muschampia gestellt werden muss.
(Autor: Erwin Rennwald)
4.5. Faunistik
Die Art kam (kommt?) in Deutschland nur am Mittelrhein entlang in Hessen und Rheinland-Pfalz vor. Das von Albrecht (2014: Folie 26) kartographisch skizzierte Areal reichte vom Mainzer Sand bis Braubach. Im einzelnen nennt er in dieser Karte folgende Fundorte mit dem Jahr des jeweils letzten bekannten Nachweises, hier in flussabwärts führender Reihenfolge zitiert: Rechtsrheinisch „Mombacher Heide/Mainzer Sand: ca. 1900“, „Assmanshausen: 1932“, „Lorch: 1964“, „Dörscheider Heide: ca. 1985“, „Bornich: 1888“, „Loreley: 1968 (2004)?“, „St. Goarshausen: 1936“, „Kestert: 1985“, „Kamp-Bornhofen: 1941“ und „Braubach: 1963“. — Die Daten eines späteren Beleges aus Lorch bringt Baumann (2000): „20.6.1978 von Lorch, leg. G. Müller“.
Zur letzten Fundmeldung aus Deutschland 2004 äußert sich Albrecht (2014: Folie 32) kritisch: Die Einzelbeobachtung stamme nicht von einem Hesperiiden-Spezialisten, und es sei kein Beleg oder Foto vorhanden. Es sei die mit weitem Abstand letzte Meldung vom Mittelrhein. „Aber: Flugzeit und Beschreibung passen, Art ist kaum zu verwechseln. Trotzdem: Große Skeptis ist angebracht!“. Er zieht das Fazit: „Die Bestandssituation von C. lavatherae am Mittelrhein ist sehr kritisch (gemäß Literatur und Befragung diverser Kollegen). Vermutlich ist die Art bereits ausgestorben. Aber: Fehlende gezielte Suche ist auch eine (letzte) Chance!“
Armin Dahl präzisiert die Fundstelle von 2004 in einem [Forumsbeitrag]: „Der letzte Nachweis stammt vom Tunnelportal der Bahn direkt unter der Loreley, von 2004 (Günter Hahn).“ Es kann sich nur um das südliche Portal handeln, denn das nördliche ist von dichtem Wald umgeben.
(Autor: Jürgen Rodeland)
4.6. Publikationsjahr der Erstbeschreibung
Wir übernehmen hier die detailliert von Heppner (1981) recherchierten Publikationsjahre.
4.7. Literatur
- Albrecht, M. (2014): Ist der Dickkopffalter Carcharodus lavatherae in Deutschland ausgestorben? [Vortrag auf dem 16. UFZ-Workshop zur Populationsbiologie von Tagfaltern & Widderchen, Leipzig, 6. März 2014]. Folien 1-34 [PowerPoint-Präsentation als PDF auf ufz.de].
- Baumann, H. (2000): Einige bemerkenswerte Hesperiden aus meiner Sammlung (Lep., Hesperiidae). — Melanargia 12 (3/4): 67. Leverkusen. [PDF auf ag-rh-w-lepidopterologen.de, ganzes Doppelheft]
- Bink, F.A. (1992): Ecologische Atlas van de Dagvlinders van Noordwest-Europa. – 512 S.; Haarlem, NL (Schuyt & Co.).
- Erstbeschreibung: Esper, E. J. C. ([1780-1786]): Der europäischen Schmetterlinge Ersten Theils zweyter Band welcher die Fortsetzungen der Tagschmetterlinge von Tab. LI. Contin. I – Tab. XCIII. Contin. XLIII. und die Bögen [A] – [Bb] enthält: 1-190, pl. LI-XCIII. Erlangen (Wolfgang Walther).
- Heppner, J. B. (1981): The dates of E. J. C. Esper's Die Schmetterlinge in Abbildungen ... 1776–[1830]. — Archives of Natural History 10 (2): 251–254.
- Lafranchis, T. (2000): Les Papillons de jour de France, Belgique et Luxembourg et leurs chenilles. – 448 S.; Mèze (Collection Parthénope).
- Lafranchis, T., Jutzeler, D. Guillosson, J.-Y., Kan, P. & B. Kan (2015): La Vie des Papillons. Écologie, Biologie et Comportement des Rhopalocères de France. - 751 S.; (Diatheo).
- Schmidt, A. (2010): Die Großschmetterlinge (Macrolepidoptera s. l.) des Landes Rheinland-Pfalz. Standard-Faunenliste mit integriertem Rote-Liste-Vorschlag. — Melanargia 22 (4): 121-277. Düsseldorf. [PDF auf ag-rh-w-lepidopterologen.de]
- Sonderegger, P. (1997): Carcharodus lavatherae. — In: Pro Natura – Schweizerischer Bund für Naturschutz (Hrsg.) (1997): Schmetterlinge und ihre Lebensräume. Arten, Gefährdung, Schutz. Schweiz und angrenzende Gebiete. Band 2: 108-110. Egg (Fotorotar AG).
- Tolman, T. & R. Lewington (1998): Die Tagfalter Europas und Nordwestafrikas, 1-319. - Kosmos, Stuttgart.
- Tshikolovets, V. V. (2011): Butterflies of Europe & the Mediterranean area. - 544 S.: Pardubice, Czech Republik (Tshikolovets Puplications).
- Zhang, J., Brockmann, E., Cong, Q., Shen, J. & N.V. Grishin (2020): A genomic perspective on the taxonomy of the subtribe Carcharodina (Lepidoptera: Hesperiidae: Carcharodini). — Zootaxa, 4748 (1): 182–194. [zur Arbeit und PDF download auf biotaxa.org]