Version 12 / 13 vom 18. Februar 2023 um 19:55:41 von Tina Schulz
Inhalt
Bestimmungshilfe / Lepidopteren-Lyrik
2. Dicycla oo
- Du trachtest nach Dicycla oo, der schöngelben Eichenblatteule?
- Feinziseliert sind die Flügel, mit Borten und Bändern geschmückt,
- Drei große Makeln erstehn wie in Kupfer gestochen der Fläche,
- Die sich bald jungfräulich weiß, bald gelb, bald rötlich uns zeigt.
- Nirgends im dichteren Walde, nirgends im feuchteren Forst
- Wirst du Dicycla begegnen, gäb es auch Eichen genug.
- Waldmäntel mußt du besuchen, Waldränder sonnig und warm,
- Wo unter knorrigen Ästen, tief schon zu Boden geneigt,
- Niedriger Buschwald heranwächst auf kargem und steinigem Grund.
- Blütengesprenkelt die Rasen, die talwärts den Hang hinabziehn,
- Wo einst der geduldige Hirte die Herde zur Weide geführt.
Axel Steiner
3. Macrothylacia rubi
Gedicht "Herzerweichendes Sterbelied einer männlichen Macrothylacia-rubi-Raupe nach ihrer Überwinterung" von Hermann Moritz Pabst (1885): zitiert in einem [Beitrag von Axel Steiner]
4. Papilio machaon
- Der Ruhm, wie alle Schwindelware,
- Hält selten über tausend Jahre.
- Zumeist vergeht schon etwas eh'r
- Die Haltbarkeit und die Kulör.
- Ein Schmetterling voll Eleganz,
- Genannt der Ritter Schwalbenschwanz,
- Ein Exemplar von erster Güte,
- Begrüßte jede Doldenblüte
- Und holte hier und holte da
- Sich Nektar und Ambrosia.
- Mitunter macht er sich auch breit
- In seiner ganzen Herrlichkeit
- Und zeigt den Leuten seine Orden
- Und ist mit Recht berühmt geworden.
- Die jungen Mädchen fanden dies
- Entzückend, goldig, reizend, süß.
- Vergeblich schwenkten ihre Mützen
- Die Knaben, um ihn zu besitzen.
- Sogar der Spatz hat zugeschnappt
- Und hätt' ihn um ein Haar gehabt.
- Jetzt aber naht sich ein Student,
- Der seine Winkelzüge kennt.
- In einem Netz mit engen Maschen
- Tät er den Flüchtigen erhaschen,
- Und da derselbe ohne Tadel,
- Spießt er ihn auf die heiße Nadel.
- So kam er unter Glas und Rahmen
- Mit Datum, Jahreszahl und Namen
- Und bleibt berühmt und unvergessen
- Bis ihn zuletzt die Motten fressen.
- Man möchte weinen, wenn man sieht,
- Daß dies das Ende von dem Lied.
Wilhelm Busch, 1874 (aus: Kritik des Herzens)
5. Utetheisa pulchella
- ACROSS THE STUBBLE
- Mark over ! cry the beaters —
- I can hear the cock's tchak, tchak ;
- Mark over ! There's a hare as well —
- Yes—no, he's breaking back.
- But what is that that flutters by
- Across the yellow stubble ?
- Down goes my gun and, hat in hand,
- I chase it at the double.
- " Look out, you silly ass !" I hear,
- " Look out ! the drive's not done !"
- " Good god, he's suddlenly gone mad—
- Don't shoot there, everyone !"
- I care not though they call me every
- Kind of crazy fella—
- For what are hares and partridges
- Compared with D. pulchella ?
- No longer now pulchella flits
- Across her native heath :
- Above, a canopy of glass,
- A label underneath,
- Admiring friends upon her gaze
- While I recital make
- And tell them how I courted death
- For D. pulchella's sake.
Allan, P. B. M. (1943): Talking of Moths. – Newtown (The Montgomery Press). XII + 340 S. zitiert in einem [Forumsbeitrag von Axel Steiner]
6. Polyommatus coridon
- Lysandra coridon oder:
- Vom Glück, einen seltenen Falter zu sehen — und ihn fliegen zu lassen
- Auf meinem Weg im Sonnenschein
- bemerk ich einen Schimmer.
- Ein kleiner Bläuling wird es sein,
- wohl argus, so wie immer.
- Mein Blick folgt ihm, der silbrigblau
- gen gelbe Blüten segelt,
- solange, bis er — zielgenau —
- vom Nektardunst umnebelt.
- Des Göttertrankes süßer Duft,
- der aus den Kelchen schwand,
- verströmte in der lauen Luft,
- wo ihn die Fühler fand‘n,
- die diesem kleinen Falter dann
- den Weg zur Quelle wiesen,
- wo er ins Blütenfiligran
- hinabsank zum Genießen.
- Die Neugier treibt mich, hin zu geh‘n,
- um mich zu überzeugen,
- daß das, was eben ich gesehn,
- auch lohnt zum Niederbeugen.
- Da sitzt ein coridon vor mir,
- das hebt die gute Laune.
- ‘Ein wirklich wunderschönes Tier’,
- denk’ ich — und schau‘ — und staune.
- ‘Da wär‘ ein Platz im Kasten frei,
- du könntest ihn besetzen.
- Doch langsam, ich hab keine Eil’,
- ich will dich nicht verletzen.’
- Von oben schaue ich hinab
- und kann’s kaum wirklich fassen,
- welch selt’nes Glück ich heute hab.
- Doch — sollt‘ ich’s lieber lassen? —
- Von innen raunt es leis mir zu
- ‘Du mußt dich nun entscheiden.
- Schlag fest mit deinem Kescher zu,
- nur laß das Tier nicht leiden.’
- Ich schau hinab und frag mich bloß:
- ’Soll ich es wirklich lassen,
- und ihn, der da so ahnungslos,
- nur mit dem Aug’ erfassen?’
- Auf leuchtend Gelb grünschillernd Blau
- Umrahmt von zarten Zweigen.
- Was ich mit meinen Augen schau,
- ist nur Natur zu eigen.
- ‘Wer hat ihn nur so schön gemacht?’
- frag ich mich still im Innern.
- ‘Wer gab ihm diesen Glanz, die Pracht,
- den lieblich sanften Schimmer?’
- Die Fragen geh‘n mir durch den Sinn,
- beglückt bin ich und heiter
- und sehe wie gebannt dorthin,
- ganz stumm — und staune weiter.
- Er stellt die Flügel steil empor.
- ‘Ach, bitte, öffne wieder.’
- Er tut’s, und ich so voller Glück
- schau weiter staunend nieder.
- Das Netz in meiner rechten Hand,
- ich hab es längst vergessen.
- (Auf ihn, der hier am Wegesrand,
- war einstens ich versessen!)
- Vergessen ist der freie Platz
- in meinem Sammelkasten.
- Ich sehe vor mir nur den Schatz
- mit seinem Rüssel tasten.
- Mir ist, als spüre er in sich,
- daß er nicht fürchten müsse
- den Menschen, der so fürchterlich
- und groß (allein die Füße!).
- Doch da, fast ahnte ich es schon:
- Es flieht der sanfte Schimmer.
- Er steigt empor. Er fliegt davon.
- Und ich? —
- Ich staun’ noch immer.
Eckard O. Krüger
7. ...am Bach bei der Laterne
- Man sah sie schon aus weiter Ferne:
- Schmetterlinge gross und klein.
- Am Wildbach nachts bei der Laterne,
- hatten sie ihr Stell-dich-ein.
- Falter von den schönsten Arten
- hab‘ ich an der Wand entdeckt.
- Konnt‘ die Morgen kaum erwarten.
- Mein Interesse war geweckt.
- Staunend stand ich nur und schaute,
- was sich stets am Licht befand.
- Meinen Augen kaum mehr traute
- ob der Vielfalt an der Wand.
- Doch morgens früh am zwölften Tage,
- traf ich dort ein Schlachtfeld an.
- Tief in mir die stumme Frage:
- „Wer hat sowas nur getan?“
- Was meine Seele hat beglückt
- am morgen früh bei der Laterne,
- lag am Boden nun zerstückt.
- Ich hätt‘ sie lebend doch so gerne!
- Und was mein Interesse hat geweckt,
- von Arten die ich niemals sah,
- haben andere auch entdeckt.
- Die Vögel - waren schneller da!
- .....
- Nun ist die Mauer wieder leer,
- die Laterne ausgebrannt.
- Falter und Vögel hat‘s nicht mehr.
- Friedvolle Leere an der Wand.
8. Der Eulkönig
- Wer schreitet so spät durch Wald und Au?
- Ein Nachtfalterjäger, man sieht es genau.
- Den Ködereimer im Arm er hält,
- seine Lampe die fahle Dämm'rung erhellt.
- Er pinselt den Köder an Baum und Strauch
- und an so manchen Zaunpfosten auch.
- Der Rotwein duftet nach Zucker und Zimt,
- der Falterjäger ist heiter gestimmt.
- Schon bald ist der Köder aufgebraucht
- und der Falterkenner sein Pfeifchen schmaucht,
- erwartet die Nacht beim murmelnden Quell,
- in der Ferne blitzt ein Gewitter grell.
- Der Köderduft verteilt sich im Wald
- und weckt die durstigen Falter bald.
- Vor dem westlichen Himmel sieht man sie schwärmen
- und dem Entomologen das Herz erwärmen.
- Dann wird es Zeit für den ersten Gang,
- es ist grad erst dunkel, die Nacht noch lang.
- Die Lampe auf niedrigste Stärke gestellt,
- damit auf die Falter kein Blendlicht fällt,
- So naht er sich achtsam dem ersten Baum
- ganz außen am vorderen Waldessaum.
- Kein Blättchen darf rascheln, kein Ästchen zerbrechen:
- mit schleunigster Flucht sonst die Falter es rächen.
- Und richtig: Sie kommen; sie sind schon da.
- Es sind heute mehr als er letztes Mal sah.
- Die ersten c-nigrum sitzen zu viert
- und batis hat auch schon vom Köder probiert.
- Am nächsten Baum finden sich pallens und psi,
- und eine detersa, ein ganz graues Vieh.
- Es geht weiter mit morpheus, pulchrina und or,
- eine gamma umschwirrt ihn als wollt‘ sie ins Ohr.
- Auch Laufkäfer klettern die Stämme herauf
- und Ameisen wuseln mitunter zuhauf.
- Hier legt Meconema in die Rinde ein Ei,
- dort schaut mal ein Tigerschnegel vorbei.
- So sieht das Ergebnis ganz ansehnlich aus
- doch die ganz große Seltenheit bleibt bisher aus.
- Es ist zwar ein nettes Gedränge heute,
- doch der Falterjäger pirscht auf andere Beute.
- Auf fraxini hat er es abgesehen;
- er sucht am Wegrand, wo Schwarzpappeln stehen,
- er sucht am Mühlteich, wo Espen nicken,
- doch kein Blaues Ordensband läßt sich blicken.
- Dafür ist C. nupta in frischen Stücken
- entlang des Baches und an den Brücken
- an fast jedem Köderfleck angeflogen,
- und sponsa, zu Dutzenden (ungelogen),
- Sitzt neben promissa an alten Eichen –
- wie sehr sich die beiden doch manches Mal gleichen.
- So vergeht die Zeit, er merkt es kaum,
- im regen Wechsel von Baum zu Baum.
- Und Köderjäger, ja siehst du denn nicht
- den Eulkönig dort im flackernden Licht?
- Den Eulenkönig in Samt und Brokat?
- Verzückt und verzaubert der Jäger sich naht:
- Er sitzt fest am Stamme und fliegt nicht von dannen,
- seine Schwingen klaftern fast zwei volle Spannen.
- Auf nachtdunklem Braun glitzern hellere Schuppen
- zwischen Querlinien in mehreren Gruppen.
- Zwei Augenflecke von seltsamer Form
- auf den Vorderflügeln imponieren enorm;
- auch die hinteren tragen violettblaue Flecken,
- schwarz und goldbraun gesäumt mit drei hängenden Ecken.
- Mit kräftigem Rüssel schlürft er gierig den Köder,
- dabei wippt der Körper ganz leicht auf und nieder.
- Jeder Falter, der sich in die Nähe nur wagt
- wird mit herrischem Flügelschlag gründlich verjagt.
- Der Falterjäger mit glänzenden Augen
- scheint den Anblick geradezu aufzusaugen,
- bis er endlich aus seinem Staunen erwacht
- und Gedanken über das Tier sich macht.
- So fremd und exotisch wirkt dessen Gestalt, er
- sah niemals zuvor einen ähnlichen Falter.
- Der muß von weither wohl gekommen sein,
- spontan fällt ihm da gleich Amerika ein.
- Er weiß, diesen Fund muß er dokumentieren,
- es wär zwecklos, im Web drüber nur zu parlieren.
- Ein Foto nützt wenig, da könnte man „Fake“ schreien,
- Nur ein Falterbeleg kann solider Beweis sein.
- Sehr vorsichtig zieht er das Netz nun heraus
- entfaltet es sorgsam und holt weit aus.
- Ein Schlag – nach vorn, dann kreuz, dann quer –
- dann der Blick ins Netz – aber das ist leer!
- Am Baum prangt nur noch der Köderfleck,
- doch der Falter, der riesige, der ist weg.
- Der Schreck fährt ihm in alle Glieder:
- Diesen Falter siehst du niemals wieder!
- Er wartet zwei Stunden und zieht noch mehr Runden
- doch der Eulkönig ist und bleibt verschwunden.
- Das Tier könnte schon kilometerweit weg sein,
- allein der Gedanke bereitet ihm Pein.
- Die Selbstvorwürfe, die plagen ihn nun:
- Nächstes Mal doch mehr Rum in den Köder tun?
- Den Netzfang mehr üben? Die Rückhand trainieren?
- Das gezielte Zuschlagen perfektionieren?
- Und als ihm nichts andres mehr übrig bleibt
- ihn die Müdigkeit endlich nach Hause treibt.
- Er klettert ins Bett und ihm ist schier zum Heulen,
- denn ihm entging heut ein König: der König der Eulen.
- Doch nicht weit entfernt hat ein Langohr viel Glück:
- Auf dem Flug in sein Tagesquartier zurück
- schnappt es ungewohnt große und dicke Beute,
- eine richtige Ausnahmemahlzeit heute.
- Es zerbeißt den Chitinkörper mit leisem Knack
- und genießt einen feinen Rotweingeschmack.
- Vier prächtige Flügel segeln langsam herab
- und finden im Staub unterm Dachstuhl ihr Grab.
Axel Steiner [Forum]
9. Cecil was a Caterpillar
Kinderreim, googeln! Zum Beispiel: [http://www.scoutscan.com/songs/c/csongs031.html]
Bestimmungshilfe / Lepidopteren-Lyrik