Lafranchis, T. (2000): Les Papillons de jour de France, Belgique et Luxembourg et leurs chenilles. – 448 S.; Mèze (Collection Parthénope).

Besprechung von Erwin Rennwald

Frankreich hat nach dem jüngsten Verzeichnis von Leraut (1997) mindestens 5.120 Schmetterlings-Arten – doch nicht einmal von den Tagfaltern gab es einen modernen Naturführer für dieses Land. Diese Lücke ist jetzt gründlich geschlossen! Wenn Sie als Mitteleuropäer Urlaub in Südfrankreich machen, sollten Sie dieses Buch im Handgepäck haben.

Ohne Französisch-Kenntnisse sehen Sie 1-2 schöne Falter-Fotos pro Art, wahrscheinlich durchgehend Freilandfotos lebender Falter auf Blüten, am Schlafplatz oder im Revieransitz. Raupenfotos gibt es nur sehr wenige, dafür gibt es zu jeder Art aber schöne, farbige Raupen-Zeichnungen (von J. Lafranchis), mit denen man durchaus etwas anfangen kann. Auf einer kleinen Karte zur Art kann man sehen, in welchem Département die Art aktuell vorkommt, früher vorkam oder noch nie nachgewiesen wurde. Man merkt also meist schnell, wenn man ganz daneben liegt.

Wer Französisch versteht, bekommt textliche Angaben zur Verbreitung in Frankreich, Belgien und Luxemburg, zur Flugzeit und Generationenzahl, zu den Eiablagepflanzen, zur Phänologie der Präimaginalstadien, zum Habitat und oft noch weitere Anmerkungen zur Art.

Ungewöhnlich für Tagfalter-Bücher ist ein textlicher Bestimmungsschlüssel. Die erste Frage ist die nach der Farbe des Objekts: blau oder violett, rot oder rotorange, gelb oder gelborange, fahl, braun oder schwarz, weiß. Dann geht es im Schlüssel weiter, wobei meist 3-6 Möglichkeiten zum Weitermachen angeboten werden. Der Schlüssel endet bei den Gattungen (manchmal auch direkt bei Arten). Bei den Gattungen mit mehreren Arten folgen wieder ähnliche Schlüssel, mit denen die Arten bestimmt werden können. Im Großen und Ganzen dürfte das auch funktionieren, jedenfalls besser, als wenn man nur per Foto bestimmt, aber innerhalb einiger Gattungen ist der Verzicht auf eine Genitalüberprüfung doch gewagt. Und ob der Anfänger Hipparchia alcyone, H. geneva und H. fagi anhand des Julienschen Organs am lebenden Falter anzusprechen vermag, soll hier doch erheblich bezweifelt werden. Aber immerhin, man bekommt einen Blick für die wesentlichen Merkmale, und das ist auch etwas wert. Der Schlüssel wird übrigens im Anhang des Bandes auch auf englisch wiederholt.

Lafranchis ist kein Profi, sondern Amateur – und zwar ganz im Sinne des Worts. Er studierte die Schmetterlinge von Kindesbeinen an, und er liebt sie – und das tut dem Buch gut. Und fachlich braucht er sich vor keinem Profi zu verstecken – auch das gefällt.

Natürlich hätte ich mir noch manches gewünscht: eine bessere Dokumentation der Primärangaben zur Ökologie der Präimaginalstadien, generell sauberes Zitieren, Habitatfotos, mehr Fotos der Präimaginalstadien – aber schön, dass es dieses handliche Buch überhaupt gibt!