Version 19 / 21 vom 9. Juni 2021 um 11:00:24 von Jürgen Rodeland
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Inhalt

Vorbemerkung der Redaktion: Diese Seite ist als allgemeinverständliche Einführung in die zum Teil recht komplizierte Materie gedacht und keinesfalls als Ersatz für die offiziellen Definitionen im International Code of Zoological Nomenclature. In englischer Sprache sind diese auf der [Website des ICZN] nachlesbar. Eine offizielle deutsche Übersetzung gibt es als Buch: Kraus, O. (2000): Internationale Regeln für die Zoologische Nomenklatur, vierte Auflage. – Keltern-Weiler (Goecke & Evers).

1. Namenstragende (= primäre) Typen

Holotypus ist das Einzelexemplar, das vom Autor in der Urbeschreibung als namenstragendes Einzelstück festgelegt wurde; diese originale Festlegung ist heute zwingend vorgeschrieben. Bei älteren Arbeiten, in denen eine Festlegung zeitbedingt noch nicht vorgenommen wurde, gelten folgende „Ersatzmaßnahmen“: Dasjenige Einzelexemplar, das vom ursprünglichen Autor in der Originalbeschreibung als „der Typus“ bestimmt oder durch anderweitig eindeutige Formulierung in der Originalbeschreibung (einschließlich Abbildungstexte) markiert worden ist (auch das gilt noch als „originale Festlegung“); außerdem liegt ein Holotypus automatisch auch immer dann vor, wenn dem ursprünglichen Autor ausdrücklich nur ein einzelnes Exemplar der neuen Art vorlag (Holotypus durch Monotypie). All das muss aber stets zweifelsfrei direkt aus der Originalbeschreibung hervorgehen, nicht aus sekundären Quellen!

Syntypen: Wenn der Autor in der Originalbeschreibung die Anzahl der ihm vorliegenden Exemplare, die er zur neuen Art oder Unterart gerechnet hat, nicht angegeben und kein Einzelexemplar als Holotypus (oder früher „Typus“) im Text (nicht auf Etiketten!) ausdrücklich ausgezeichnet hat, dann ist die gesamte Serie (also zwischen mindestens einem und ungezählt vielen Exemplaren!) eine Syntypenserie. Alle Tiere gemeinsam sind namenstragend.

Lectotypus ist dasjenige Einzelstück aus einer Syntypenserie, das von einem späteren Bearbeiter als das namenstragende ausgewählt wurde, wobei die Zugehörigkeit zur Syntypenserie gründlich nachgeprüft und diese Nachprüfung im Detail angegeben werden sollte. Diese Festlegung gilt auch dann, wenn man nur einen einzigen Syntypus finden kann, aber der urbeschreibende Autor keine Anzahl angegeben hat. Die übrigen Syntypen werden durch diese Festlegung automatisch zu Paralectotypen.

Neotypus: Wenn nachweislich (und der Code legt hierbei und an die anderen Bedingungen sehr scharfe Maßstäbe an, die unbedingt einzuhalten sind, wenn ein Neotypus valide sein soll) die namenstragenden Typen (= Holotypus, Syntypen, Lectotypus) verschwunden sind und es im Sinne der Stabilität der Nomenklatur notwendig ist, dies zu tun (und einige weitere Bedingungen erfüllt sind), dann kann man — nur im Rahmen einer (Teil-)Revision! — einen namenstragenden Neotypus festlegen.

2. Nicht namenstragende, aber im Code definierte (= sekundäre) Typen

Paratypus: Paratypen sind all die Stücke aus der dem urbeschreibenden Autor vorliegenden originalen Serie, die von ihm als solche festgelegt und nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurden (heute ist die Festlegung durch den urbeschreibenden Autor ausdrücklich vorgeschrieben!). „Ersatzweise“ gelten bei älteren Arbeiten alle diejenigen Stücke, die in der Urbeschreibung erwähnt, aber nicht ausdrücklich als „Typus“ oder ähnlich hervorgehoben wurden, als Paratypen.

Paralectotypus: Paralectotypen sind all die Syntypen, die nach der Festlegung eines Lectotypus übriggeblieben sind; diese werden automatisch durch die Lectotypenfestlegung zu Paralectotypen (also auch Exemplare, die bei der Lectotypenfestlegung dem festlegenden Autor nicht vorlagen).

3. „Typen“ ohne ausdrücklichen Status nach den Nomenklaturregeln

Diese „Typen“ sind taxonomisch-nomenklatorisch unverbindlich.

„Allotypus“: Dies ist ein in der Originalbeschreibung ausgezeichneter, einzelner Paratypus vom anderen Geschlecht als der Holotypus, der von manchen Autoren quasi als „der Holotypus des anderen Geschlechts“ verstanden wurde. Dieser Begriff ist nicht im Code definiert und damit wertlos!

„Neallotypus“: Ein „Neallotypus“ ist ein in einer späteren Publikation beschriebener Falter des anderen Geschlechts (sofern in der Urbeschreibung nur Vertreter eines Geschlechts vorlagen). Dieser Begriff wird im Code an keiner Stelle erwähnt und ist damit nicht nur ungültig, sondern praktisch nichtexistent. Er sollte keinesfalls benutzt werden!

„Topotypus“: Ein „Topotypus“ ist ein Exemplar vom Typenfundort, das nicht in der Typenserie in der Urbeschreibung aufgelistet wurde. Dieser Begriff hat keinen nomenklatorischen Status!

„Cotypus“: Ein „Cotypus“ ist ein Begriff aus alter Literatur: er wurde von vielen Autoren quasi wie ein Vorläufer des Begriffs Paratypus benutzt, aber weniger streng definiert; manche Autoren haben auch später, nach der Publikation der Urbeschreibung, nachgefangene Falter als „Cotypen“ verkauft. Man findet diesen Begriff noch auf Etiketten an vielen alten Faltern. Dieser Begriff ist heute nicht mehr gültig und sollte keinesfalls benutzt werden!

4. Einige weitere Begriffserklärungen

Typenfundort: Der Typenfundort oder Locus typicus ist per definitionem der Fundort des primären Typus (= Holotypus, Lectotypus, Neotypus; bei Syntypen = die Summe aller einzelnen Syntypenfundplätze) der Art oder Unterart, also nicht irgendwelche in Sekundärquellen vermutete Orte, sondern der tatsächliche Fundort eines Einzelstücks, soweit rekonstruierbar.

Typusart: Die Typusart einer Gattung, die heutzutage zwingend in der Urbeschreibung der Gattung festzulegen ist, ist diejenige Art (zitiert in der Originalkombination, also mit der Gattung, in der sie ursprünglich beschrieben wurde), die als Typusart vom Originalautor festgelegt wurde (= originale Festlegung). Ersatzweise bei älteren Arbeiten gelten auch Typusartfestlegungen, die durch spätere Publikationen im Einklang mit den Nomenklaturregeln (siehe ICZN, Artikel 61 ff.) festgelegt wurden (= spätere Festlegung). Prinzipiell und sinngemäß dasselbe gilt für die Typusgattung einer Familie etc.

Synonym: Ein Synonym ist ein zweiter (oder allgemein ein zusätzlicher von mehreren) Namen, der derselben Art oder Unterart gegeben wurde wie ein anderer; im Prinzip gültig ist jeweils der älteste, sofern dieser nicht ein Nomen oblitum ist. (Synonyme = mehrere Namen für dieselbe Art/Unterart.)

Nomen oblitum/protectum: (Plural Nomina oblita/protecta) Zusammengehöriges Begriffspaar, siehe Code, Artikel 23: Ein Nomen protectum ist ein Name, der zwar formal eigentlich ungültig wäre (als jüngeres Synonym oder Homonym), aber wegen jahrzehntelangen Nichtbenutzens des eigentlich gültigen Namens (= Nomen oblitum: „vergessener Name“) dennoch Vorrang genießt und als einzig gültiger Name für die Art/Unterart zu benutzen ist.

Nomen nudum: (Plural Nomina nuda) Ein Nomen nudum ist ein Name, der in der Originalbeschreibung nicht den Regeln des Codes entsprechend eingeführt wurde oder aus anderen Gründen ungültig ist; er ist praktisch nicht existent.

Nomen novum: (Plural Nomina nova) siehe unter Homonymie.

Homonymie: Eine Homonymie liegt dann vor, wenn innerhalb einer Gattung zwei verschiedene Arten den gleichen Namen haben, oder innerhalb des Reichs der Tiere (Regnum: Animalia) zwei Gattungen. (Hier können nicht alle Aspekte dieses relativ komplizierten Sachverhalts erklärt werden. Bitte im Zweifelsfall im Code nachlesen!) Bei Homonymen wird im Regelfall (Vorsicht, viele Sonderbedingungen!) für das jüngere Homonym, sofern es dafür nicht ein jüngeres Synonym gibt, das Verwendung finden kann, ein Ersatzname oder Nomen novum geschaffen.

Homonyme: Mehrere gleichlautende Namen für verschiedene Tierarten innerhalb derselben Gattung, beziehungsweise auch auf höheren Levels, siehe Code, Art. 52 ff.

(Autor: [Wolfgang A. Nässig])

Bestimmungshilfe / Glossar

Begriffsdefinitionen der verschiedenen Typenarten