Version 47 / 55 vom 16. September 2023 um 10:12:14 von Erwin Rennwald
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Falter
Männchen
Weibchen
Männchen
Männchen
Erstbeschreibung
Inhalt

1. Lebendfotos

1.1. Falter

2. Diagnose

2.1. Männchen

2.2. Weibchen

2.3. Ssp. laetulana Krulikowsky, 1909

2.3.1. Männchen

2.4. Genitalien

2.4.1. Männchen

2.5. Erstbeschreibung

3. Biologie

3.1. Falter

Dieser große Wickler ist in den noch spärlich bewachsenen Bergbaufolgelandschaften der Oberlausitz (Sachsen) mit Beständen von Huflattich (Tussilago farfara) regelmäßig zu finden. [Friedmar Graf]

3.2. Nahrung der Raupe

  • [Asteraceae:] Petasites paradoxus [= Petasites niveus] (Alpen-Pestwurz)
  • [Asteraceae:] Petasites albus (Weiße Pestwurz)
  • [Asteraceae:] Petasites hybridus (Gewöhnliche Pestwurz)
  • [Asteraceae:] Tussilago farfara ? (Huflattich ?)

Bereits Lienig & Zeller (1846: 238) vermuteten: "die Raupe lebt wahrscheinlich am Huflattig."

Mitterberger (1910: 294-296) beschäftigte sich am intensivsten mit der Art (bzw. dem Artkomplex) und beschwert sich dabei zurecht über unsorgfältige Angaben in der Literatur: "Wie unzuverlässig manche Angaben in Bezug auf die Lebensweise eines Tieres im Larvenzustande sind, möge an der Raupe von Epiblema grandaevana Z. gezeigt werden. Sorhagen führt in seinem vorzüglichen Werke „Die Kleinschmetterlinge der Mark Brandenburg," Berlin 1886, auf Seite 322 an, dass die Raupe von Grapholitha cana Sc. (grandaevana Z.) nach E. Hofmann Frühlingsanfang an den Wurzeln von Petasites niveus, nach Zeller an Petasites albus, nach Barrett an Tussilago farfara in senkrechten, festen Erdhöhlen vorkomme. Hartmann (Die Kleinschmetterlinge des europäischen Faunengebietes, Mitteilungen des Münchner Ent. Ver. 1879) bemerkt pag. 185, dass die Raupe im Februar, März und April an den Wurzeln der genannten Pflanzen in einem langen, grauen Gespinste sich vorfände, welche Angabe auch von Prof. v. Kennel in dem neuen Spuler'schen Werke „Die Schmetterlinge Europas", sowie auch von G. Höfner in dessen wertvoller Publikation „Die Schmetterlinge Kärntens" (Jahrbuch des nat.-hist. Museums XXVIII. p. 86) wiedergegeben wird. Höfner führt an bezeichneter Stelle des weiteren an, dass er beim Aufstiege vom Wildensteinergraben auf den Hochobir am 29. Juni in den Blattwickeln von Petasites niveus eine Menge Raupen, „welche wohl zu dieser Art gehört haben dürften", gefunden habe, leider aber davon keinen Falter erhalten konnte, zu welcher Vermutung wahrscheinlich der Verfasser durch Mann's Mitteilung, in dessen „Microlepidopteren-Fauna der Erzherzogtümer Oesterreich ob und unter der Enns und Salzburg" (Sep. pag. 22) veranlasst wurde, nach welchem die Raupe in zusammengerollten Blättern von Tussilago und Petasites zu finden sei.*)"

Er selbst schreibt dann zu den eigenen Beobachtungen: "Ich habe im Laufe der Jahre sicherlich Hunderte von Pestwurzpflanzen auf das sorgfältigste nach Raupen der Epiblema grandaevana Z. untersucht und fand dieselbe nicht ein einziges Mal an dem Wurzelstocke oder in den Blütenstengeln oder an den Blättern, sondern ausschliesslich nur in grossen röhrenförmigen Gängen innerhalb des Wurzelstockes. Bereits Dr. E. Hofmann gibt in seinem vorzüglichen Werke „Die Kleinschmetterlingsraupen" (Nürnberg 1875), sowie auch Kaltenbach („Die Pflanzenfeinde aus der Klasse der Insekten," pag. 324) an, dass die Raupe der genannten Art in den Wurzeln von Petasites lebe, welche Angaben durch meine Beobachtungen neuerdings ihre Bestätigung finden. Die günstigste Zeit, die Raupe zu suchen, fällt in den Spätherbst, vor Eintritt starker Fröste und Schneefall, sowie zeitlich im Frühjahre, unmittelbar nach der Schneeschmelze (je nach Witterung und Höhenlage im März und April). In ganz vereinzelten Fällen ist es möglich, hie und da bereits Ende April auch eine Raupe im Verpuppungsstadium zu entdecken, obwohl in der Regel die Verpuppung nicht vor Mitte Mai vor sich geht. Die erwachsene Raupe ist 3 cm lang und hat die Dicke eines schwachen Federkieles; sie ist vorne und hinten nur wenig verschmälert, gelblich- bis bräunlichweiss, vor der Verpuppung oft rötlich angehaucht und mit starken, braunen Wärzchen besetzt, von welchen jedes ein kurzes, aufrechtstehendes, dunkles Härchen trägt. Der Kopf ist rötlichbraun, das etwas lichtere Nackenschild mit dunkleren Flecken geziert, an den Seiten bräunlich und dieses sowie der Kopf von lebhaftem Fettglanze. Die Brustfüsse sind dunkelbraun, Bauchfüsse und Nachschieber von Körperfarbe; die Afterklappe ist nicht besonders ausgezeichnet. Aus dem Ei, welches in der Regel am Grunde der Herztriebe, seltener an dem unteren Stengelteile der Pflanze abgesetzt wird, entwickelt sich ein Räupchen, das sich nach abwärts einen seiner Körperdicke entsprechenden Gang in den Wurzelstock bohrt und sich daselbst mit einem verhältnismässig dicken, aussen schmutziggrauen, innen silberweiss ausgesponnenen, schlauchartigen, oben und unten etwas zugespitzten Gespinste umgibt, in dessen unterem Ende die Kotmassen abgelagert werden. Dem fortschreitenden Wachstume der Raupe entsprechend, werden während des Larvenstadiums sowohl Frassgang als auch Gespinst wesentlich vergrössert, sodass bei verpuppungsreifen Tieren letzteres fast 3 1/2 cm lang ist. Die von der Raupe besetzten Pflanzen weisen zumeist einen verdorrten oder wenigstens in den Blütenköpfchen verkümmerten, braunroten Blütentrieb und stets auch einzelne in Grösse bis auf die Hälfte reduzierte Blätter auf. Der Grund hierfür liegt zweifelsohne darin, dass erst infolge der ausgedehnteren Zerstörung des Wurzelstockes durch die fast oder vollständig erwachsene Raupe eine wesentliche Hemmung in der Funktion der Nahrungsaufnahme durch die Wurzel stattfindet und daher die in dieser Beziehung empfindlicheren Blütengebilde und die sich später entwickelnden Blätter in ihrem weiteren Wachstume gestört werden. In sehr vielen Fällen wird aber die Verkümmerung bezw. Degenerierung der Pflanze auch durch die oft in Mehrzahl (2 —4 Stück) in dem Wurzelstocke vorkommende, spindelförmige, schmutzig gelbweisse Larve einer Fliegenart, Cheilosia chloris Mg. hervorgerufen. In solchen von diesen Maden durchsetzten Wurzelstöcken ist dann nur in ganz vereinzelten Fällen eine Raupe von Epiblema grandaevana Z. zu finden. In hiesiger Gegend zieht die Raupe entschieden die Wurzelstöcke von Petasites niveus jenen von Petasites officinalis vor, denn in letzterer Pflanze konnte ich bis jetzt nur eine sehr geringe Anzahl von Raupen entdecken. In grösserer Höhenlage findet sich die Art auch in dem Rhizom von Petasites albus; so fand ich Ende Juli 1908 auf der oberen Rositten (1287 m) am Untersberge bei Salzburg eine bereits von der Raupe verlassene Frassstelle in dem Wurzelstocke der letztgenannten Pestwurzart."

Per Fußnote wird auf die Raupen in versponnenen Pestwurz-Blättern eingegangen: "*) Nach meinem Dafürhalten waren die von G. Höfner als grandaevana-Raupen vermuteten Tiere sicherlich die Raupe von Depressaria petasitis Stndf. sen. (petasitae Hein), welche Art ich in grosser Zahl durch mehrere Jahre durch die Zucht erhielt; denn nur diese lebt in einem nach unten umgeschlagenen Blattlappen (und im Stengel, sowie in den versponnenen Blütenköpfchen), der wie bei fast allen Depressarien mit dem feuchten Kote der Tiere teilweise erfüllt ist. Die Raupe der Epiblema grandaevana Z. konnte ich nie in dem eingeschlagenen Blatte einer Pestwurz finden."

Und was ist mit dem Huflattich (Tussilago farfara) ? Mitterberger (1910: 296) geht auch darauf ein: "Was nun Tussilago farfara als Futterpflanze der Raupe anbelangt, so möchte ich der Vermutung Raum geben, dass hier — eine sichere Beobachtung vorausgesetzt — vielleicht auch eine Verwechslung im botanischen Sinne vorliegen könne, indem der alte Linne'sche Name Tussilago Petasites (bereits von Defontaines in Petasites vulgaris, bzw. von Moench in Petasites officinalis umgeändert) einfach als Tussilago farfara angenommen wurde. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass Huflattich einzig nur aus dem Grunde als Futterpflanze der Raupe angegeben wurde, weil sich die Falter auch vielfach an den Blättern dieser Pflanze, die sich ja an zahlreichen Orten mit Petasites gemeinschaftlich vorfindet, zeigen bezw. gezeigt haben. Ich kann mit voller Sicherheit anführen, dass in hiesiger Gegend die Raupe der genannten Art weder in noch an einem Teile von Tussilago bestimmt nicht vorkommt, denn ich fand bis jetzt an Tussilago farfara nur die prächtig scharlachrote Raupe von Epiblema brunnichiana Froel. in einem schlauchförmigen, grauen Gespinste an der Wurzel, Platyptilia gonodactyla Schiff. in den Blütenköpfchen und Blütenstengeln und vereinzelt auch Cnephasia wahlbomiana L. in den zum Teil umgeschlagenen und versponnenen Blättern und im Fruchtboden".

Das entscheidende Wort dabei dürfte "in hiesiger Gegend" sein. Dass es regionale Unterschiede in der Wirtspflanzennutzung geben kann, wusste auch Mitterberger. Die Möglichkeit, dass hier auch ein Komplex aus zwei oder mehr Arten dahinter stecken könnte, hatte er nicht in Betracht gezogen. Ob es für den mutmaßlichen Artenkomplex (s.u.) wirklich gesicherte Funde von Raupen in Huflattich gibt, ist mir nicht klar. Sehr für den Huflattich spricht, dass es Vorkommen des Falters mit diesem, aber ohne Petasites gibt.

(Autor: Erwin Rennwald)

4. Weitere Informationen

4.1. Andere Kombinationen

4.2. Synonyme

4.3. Taxonomie und Faunistik

Gaedike & Heinicke (1999) akzeptieren Epiblema petasitis Toll, 1958, als eigenständige Art, die sie aus Bayern anführen. Dort wurde jenes Taxon von Pröse et al. (2003)[2004] mit "D - Daten defizitär" für die Region "Alpenvorland und Alpen" in die Rote Liste aufgenommen. Razowski (2001) stellt das Taxon als Synonym zu E. grandaevana. In der Fauna Europaea (Fauna Europaea Web Service. Last update 22 December 2009. Version 2.1. Available online at [http://fauna.naturkundemuseum-berlin.de]) wird das Taxon gar nicht erwähnt. Huemer (2013) deutet hingegen an: "Die Artzugehörigkeit europäischer Populationen ist zweifelhaft, mutmaßlich existieren zwei vikariierende Taxa (Segerer, Huemer & Mutanen, in Vorb.)." Und bei Huemer et al. (2014: 17) ist dann zu lesen: "Specimens of Epiblema grandaevana (Lienig & Zeller, 1846) from Finland and Austria had a maximum distance of 4.94% versus just 0.61% for Finnish samples. Because the two barcode lineages possess clearly different genitalia, they have been recognized as different species (Segerer et al. in prep.)."

Haslberger & Segerer (2016) melden eine baldige "offizielle" Trennung zweier Taxa an: "Epiblema tussilaginana: Syn. E. baligrodana Toll, 1958 = E. petasitis Toll, 1958; ein morphologisch, genetisch und biogeografisch klar von der Schwesterart E. grandaevana abgrenzbares Taxon, für das der prioritäre Name Euchromia tussilaginana H.-S. einzusetzen ist (Segerer, Huemer & Mutanen, Manuskript zur Begutachtung eingereicht)." Haslberger & Segerer (2016) trennen die beiden Taxa bereits auf Artebene auf und benutzen für die "neue" Art den Namen "Epiblema tussilaginana Herrich-Schaeffer, 1854". Demnach gibt es E. grandaevana in Bayern nur im Schichtstufenland, E. tussilaginana vor allem im Alpenraum. Im "Verzeichnis der Schmetterlinge Deutschlands" von Gaedike et al. (2017) wird die "neue" Art hingegen als Epiblema petasitis Toll, 1958 geführt.

Auf der Seite [barcoding-zsm.de (abgefragt 16. September 2023)] wird zwischen "Epiblema grandaevana (Lienig & Zeller, 1846)" und "Epiblema tussilaginana (Herrich-Schäffer, 1854)" unterschieden.

Schick (2019: 61) meldet von der Adelegg (bei Isny im Allgäu, Baden-Württemberg): "Epiblema tussilaginana (Herrich-Schäffer, 1854) (Abb. 14) (= Epiblema petasitis Toll, 1958) 1 Exemplar 10.6.2017 am Licht; vermutlich Erstnachweis für Baden-Württemberg (BC ZSM 96 335). Von C. Reutti wird für Waldshut zwar Epiblema grandaevana (Lienig & Zeller, 1846) angegeben; falls das Belegtier noch existiert, müsste untersucht werden, ob es zu E. grandaevana oder E. tussilaginana gehört (Artaufteilung und Nomenklatur nach Segerer, Huemer & Mutanen in Vorber., siehe Lepiforum, Artseite E. grandaevana). Die drei Autoren melden, E. grandaevana komme in Bayern nur im Schichtstufenland vor, E. tussilaginis vorwiegend im Alpenraum. Dies spräche dafür, dass das von C. Reutti erwähnte Tier E. grandaevana war."

Bis zum Erscheinen der Arbeit von Segerer et al. warten wir im Lepiforum noch mit der Auftrennung der Arten.

(Autor: Erwin Rennwald)

4.4. Publikationsjahr der Erstbeschreibung

Begründung für die Datierung auf 1846

4.5. Literatur

  • Gaedike, R. & W. Heinicke (1999): Verzeichnis der Schmetterlinge Deutschlands (Entomofauna Germanica 3). — Entomologische Nachrichten und Berichte, Beiheft 5: 1-216.
  • Haslberger, A. & A.H. Segerer (2016): Systematische, revidierte und kommentierte Checkliste der Schmetterlinge Bayerns (Insecta: Lepidoptera). — Mitteilungen der Münchner Entomologischen Gesellschaft, 106 Supplement: 1-336.
  • Huemer, P. (2013): Die Schmetterlinge Österreichs (Lepidoptera). Systematische und faunistische Checkliste. – 304 S. (Studiohefte 12); Innsbruck (Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft m.b.H.).
  • Huemer, P., Mutanen, M., Sefc, K.M. & P.D.N. Hebert (2014): Testing DNA Barcode Performance in 1000 Species of European Lepidoptera: Large Geographic Distances Have Small Genetic Impacts. — . PLoS ONE, 9 (12): 1-21. e115774. doi:10.1371/.journal.pone.0115774. [zum open-access-Artikel mit PDF-Download auf journals.plos.org]
  • Erstbeschreibung: Lienig, F. & P. C. Zeller (1846): Lepidopterologische Fauna von Lievland und Curland. — Isis von Oken 1846 (3-4): 175-200, [Spaltennummer 201 nicht vergeben], 202-302. Leipzig (Brockhaus).
  • Pröse, H., Segerer, S. & H. Kolbeck (2003)[2004]: Rote Liste gefährdeter Kleinschmetterlinge (Lepidoptera: Microlepidoptera) Bayerns. — S. 234-268. In: Bayerisches Landesamt für Umweltschutz (2003)[2004]: Rote Liste gefährdeter Tiere Bayerns. — Schriftenreihe Bayerisches Landesamt für Umweltschutz, Heft 166. 384 S., Augsburg. [Hinweis: Im Heft steht als Erscheinungsjahr "2003" - tatsächlich wurde es aber erst am 2. April 2004 der Öffentlichkeit vorgestellt] [PDF auf lfu.bayern.de].
  • Schick, R. (2019): Zur Landesfauna Lepidoptera – Neu- und Wiederfunde einiger Arten in Baden-Württemberg. — Carolinea, 77: 53-65. [PDF auf web.archive.org]
  • [SCHÜTZE (1931): 195]
  • Toll, S. (1958): Trzy dalsze nowe gatunki z rodziny Tortricidae z Polski (Lepidoptera) (Drei weitere neue Arten der Familie Tortricidae aus Polen.) — Annales Zoologici, 17 (6): 65-88. [Sekundärzitat]