1. Lebendfotos
1.1. Falter
1.2. Raupe, Raupensack
2. Diagnose
2.1. Geschlecht nicht bestimmt
2.2. Genitalien
2.2.1. Männchen
2.2.2. Weibchen
Coleophora ciconiella, C. silenella, C. graminicolella und C. nutantella im Vergleich (Text und Skizzen nach Patzak 1976, zusammengestellt von Peter Buchner)
Coleophora ciconiella
Falter: Dem Grundtyp entsprechend, aber gelbliche Grundfarbe eher blass, weiße Adern daher weniger deutlich. Schwärzliche Schuppen spärlich.
Säcke: an Gräsern (ob nur??), grauer bis schwarzbrauner Röhrensack, Mundöffnung fast senkrecht zur Längsachse.
Männliche Genitalien: ventrocaudaler (unterer) Valvenfortsatz kurz, krallenförmig (bei den folgenden 3 Arten lang).
Weibliche Genitalien: Subgenitalplatte lang und schmal, ohne Zähnchen, Ostium mit 2 schwachen Ausbauchungen.
Coleophora silenella:
Falter: Grundfarbe kräftiger, weiße Adern daher deutlicher. Schwärzliche Schuppen zahlreicher als bei den anderen.
Säcke: an Silene (z.B. otites, nutans), Larve im Sommer und Herbst zuerst frei an Samenkapseln, dann in Röhrensack, dieser dunkel graubraun, mit vereinzelten Kot- und/oder Sandkörnern besetzt, Mundöffnung etwa 45 Grad zur Längsachse.
Männliche Genitalien: die beiden Spitzen des Aedeagus vor dem Anhängsel relativ kurz und breit, die Anhängsel ebenfalls kurz und breit, mehr oder weniger strukturiert (bei den folgenden beiden Arten jeweils schlank und lang).
Weibliche Genitalien: Subgenitalplatte nur wenig länger als breit, Ostium bis über die Hälfte gleichbreit und hier mit kleinen Zähnchen, dann mit starker Ausbauchung, im Übergang zum Ductus bursae mit faltenartigen Verdunkelungen. Ductus bursae zuerst ein Stück transparent, dann ein Stück sklerotisiert.
Coleophora graminicolella:
Falter: kaum von C. silenella verschieden, die dunklen Schuppen tendenziell spärlicher.
Säcke: angeblich ähnlich wie bei C. silenella, genauere Angaben fehlen.
Männliche Genitalien: die beiden Spitzen des Aedeagus vor dem Anhängsel schlank und lang, die Anhängsel ebenfalls schlank und lang. Nicht von C. nutantella zu unterscheiden.
Weibliche Genitalien: ähnlich C. silenella, aber die Ausbauchung des Ostiums beginnt schon vor der Hälfte, die faltenartigen Verdunkelungen fehlen.
Coleophora nutantella:
Falter: Grundfarbe heller gelb als bei C. silenella, dunkle Schuppen spärlich bis fehlend.
Säcke: grundsätzlich ähnlich wie bei C. silenella und C. graminicolella, aber im Vergleich dazu deutlich heller („hell ledergelb“).
Männliche Genitalien: Nicht von C. graminicolella zu unterscheiden.
Weibliche Genitalien: Subgenitalplatte ähnlich C. silenella und C. graminicolella, aber Ostium deutlich verschieden: schon im ersten Drittel allmählich verbreitert, Umriss insgesamt oval, Zähnchen spärlich bis fehlend. Sklerotisierter Teil des Ductus bursae kürzer als bei C. silenella und C. graminicolella.
2.3. Erstbeschreibung
Darin indizierte Abbildung
3. Biologie
3.1. Nahrung der Raupe
- [Caryophyllaceae:] Silene otites (Ohrlöffel-Leimkraut)
- [Caryophyllaceae:] Silene nutans (Nickendes Leimkraut)
- [Caryophyllaceae:] Silene tatarica (Tataren-Leimkraut) [Vähätalo et al. (2018)]
- [Caryophyllaceae:] Silene densiflora ?
- [Caryophyllaceae:] Silene vulgaris ?? [= Silene inflata, Silene cucubalus ??] (Aufgeblasenes Leimkraut ??)
- [Caryophyllaceae:] Silene italica ?? [= Cucubalus italicus ??] (Italienisches Leimkraut ??)
- [Caryophyllaceae:] Silene viscaria ?? [= Lychnis viscaria, Viscaria vulgaris, Viscaria viscosa ??] (Gewöhnliche Pechnelke ??)
- [Caryophyllaceae:] Silene flos-cuculi ?? [= Lychnis flos-cuculi ??] (Kuckucks-Lichtnelke ??)
- [Caryophyllaceae:] Dianthus superbus ?? (Prachtnelke ??)
Herrich-Schäffer („1853-1855“) [1847-1855] führte in seiner Erstbeschreibung - Unter Berufung auf Mühlig - Silene otites als Raupennahrung an.
Mühlig & Frey (1857: 13) berichten: "Die Raupe findet sich in sonderbarer Lebensweise in der Nähe Frankfurts auf einer sandigen lichten Waldstelle an der daselbst gerade nicht häufig wachsenden Silene otites. In etwas größerer Menge trafen wir sie auf der Mombacher Haide in der Nähe von Mainz. Sie verzehrt die Samen der Pflanze und lebt in früher Jugend, ohne einen Sack zu bilden, im Innern der Samenkapseln verborgen. Später bemerkt man sie von einem Sacke umhüllt frei auf der Samenkapsel. Sie ist dann zwar ganz leicht zu bemerken ; aber auch sehr den Angriffen der Schlupfwespen unterworfen. Man findet sie während des Spätsommers, von Ende Juli bis in den Herbst hinein. Sie überwintert unverpuppt und kriecht beim Eintritt der Frühlingswärme wieder eine Zeit lang, ohne jedoch Nahrung aufzunehmen, umher".
Ob es für die sehr häufig genannte Silene nutans eine verlässliche Primärquelle gibt, ist mir noch immer nicht restlos klar. Ich betrachte aber Patzak (1976) als eine solche, denn dieser meldet, dass sich die Raupensäcke von C. silenella und von C. nutantella bei gemeinsamem Auftreten an Silene nutans unterscheiden lassen. In den meisten anderen Arbeiten dürfte aber tatsächlich C. nutantella gemeint gewesen sein. So etwa schreiben Emmet et al. (1996: 287): Ovum. Laid on a flower-head of bladder campion (Silene vulgaris or Nottingham catchfly ((S. nutans)." - bei ihnen ist C. nutantella aber weiterhin Synonym von C. silenella.
Baldizzone (2019: 555) listet: "Piante alimentari: Silene spp. (densiflora, italica, nutans, otites, vulgaris), Lychnis spp. (flos-cuculi, viscaria), Dianthus superbus (Caryophyllaceae)." Die Liste ist wenig hilfreich, fasst sie doch alles zusammen, was jemals C. silenella zugeordnet wurde.
Vähätalo et al. (2018) melden die Art aus dem nordöstlichen Finnland von Silene tatarica: "The larval cases of C. silenella are whitish or greyish in colour and are easily seen on the seed pods of S. tatarica in August-September. Furthermore, cases of dead larvae are easily found on plants later until the next June, and based on empty cases occupied cases can be found under the food plants, usually burrowed in sand, in spring time. As far as known, the species is distributed along the Oulanka River in Kuusamo, where it occurs characteristically on sandy riverside beaches. Another large population is known in downtown Kemijärvi, where it occurs on sandy railway and road banks. The species is often abundant on its localities."
4. Weitere Informationen
4.1. Andere Kombinationen
- Casignetella silenella (Herrich-Schäffer, 1855) [so bei Anikin et al. (2017) und Sinev (2019)]
4.2. Synonyme
- Coleophora inflatae Stainton, 1857
- Coleophora tritici Lindeman, 1881
- Patzakia dragusanii Nemeş, 2004 [synonymisiert durch Baldizzone (2005)]
4.3. Taxonomie
Patzak (1976) hob die von Tll (1952) vorgenommene Synonymisierung von Coleophora nutantella Mühlig & Frey, 1857 mit C. silenella wieder auf. Trotzdem wurde auch danach C. nutantella in vielen Arbeiten C. nutantella weiterhin als Synonym von C. silenella geführt - mit der Folge, dass es hinsichtlich der Verbreitung und Biologie der Arten viel Chaos gibt.
(Autor: Erwin Rennwald)
4.4. Publikationsjahr der Erstbeschreibung
Wir folgen den detaillierten Datierungs-Angaben von Heppner (1982). Obwohl die Tafel 113 bereits 1854 erschienen ist, darf sie nach den Bestimmungen des ICZN nicht als Erstbeschreibung gelten, denn die Nomenklatur auf dieser Tafel ist nicht binominal.
4.5. Literatur
- Anikin, V.V., Sachkov, S.A. & V.V. Zolotuhin (2017): "Fauna lepidopterologica Volgo-Uralensis": from P. Pallas to present days. — Proceedings of the Museum Witt Munich, Volume 7: 1-696; Munich and Vilnius.
- Baldizzone, G. (2005): Contribuzioni alla conoscenza dei Coleophoridae. CX. Alcune note sui Coleophoridae descritti da Ioan Nemeş negli anni 2003 e 2004 (Lepidoptera: Coleophoridae). — SHILAP Revista de Lepidopterología, 33 (130): 123-130. [PDF auf redalyc.org]
- Baldizzone, G. (2019): Fauna d’Italia. Vol. LIII. Lepidoptera Coleophoridae. - XVII + 907 S.; Milano (Calderini).
- Emmet, A.M., Langmaid, J.R., Bland, K.P., Corley, M.F.V. & J. Razowski (1996): Coleophoridae. - S. 126-338. In: Emmet, A.M. [Hrsg.](1996): The moths and butterflies of Great Britain and Ireland. Volume 3. Yponomeutidae - Elachistidae. - 452 S.; Colchester, Essex.
- Heppner, J. B. (1982): Dates of selected Lepidoptera literature for the western hemisphere fauna. — Journal of the Lepidopterologists' Society 36 (2): 87-111.
- Erstbeschreibung: Herrich-Schäffer, G. A. W. („1853-1855“) [1847-1855]: Systematische Bearbeitung der Schmetterlinge von Europa, zugleich als Text, Revision und Supplement zu Jakob Hübner's Sammlung europäischer Schmetterlinge. Fünfter Band. Die Schaben und Federmotten: 1-394, Tineides pl. 1-124, Pterophides pl. 1-7, Micropteryges pl. 1. Regensburg.
- Mühlig, G. G. & H. Frey (1857): Beiträge zur Naturgeschichte der Coleophoren. — Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 2: 10-28. [PDF auf ngzh.ch]
- Park, K. T. & G. Baldizzone (1992): Systematics of Coleophoridae (Lepidoptera) in Korea. — Korean Journal of Applied Entomology 31 (4): 516-535. [Zum PDF auf entomology2.or.kr]
- Patzak, H. (1976): Zur Identität der Arten um Coleophora silenella Herrich-Schäffer, 1855. — Deutsche Entomologische Zeitschrift 23 (1-3): 157-164 [Digitalisat und PDF-Download auf onlinelibrary.wiley.com].
- [SCHÜTZE (1931): 89]
- Синёв, С. Ю. [ed.] (2019): Катапог чешуекрылых (Lepidoptera) России. Издание второе [Sinev, S. Yu. (ed.) (2019): Catalogue of the Lepidoptera of Russia. Second edition]: 1-448.
- Vähätalo, A. V., Vähätalo, L., Tabell, J., Jäkäläniemi, A., Nupponen, K., Kaitila, J.-P. & M. Mutanen (2018): Tataarikohokkipussikoin (Coleophora silenella Herrich-Schäffer, 1855) löytöhistoria, tunnistaminen, elintavat ja havainnot Suomessa [Coleophora silenella Herrich-Schäffer, 1855 observations, identification, and life history in Finland]. — Baptria 2018 (4): 102-109.