Version 44 (neueste) vom 3. November 2024 um 12:36:22 von Peter Buchner
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Geschlecht nicht bestimmt
Erstbeschreibung
Inhalt

2. Diagnose

2.1. Geschlecht nicht bestimmt

2.2. Erstbeschreibung

3. Biologie

3.1. Nahrung der Raupe

  • [Asteraceae:] Pentanema salicinum [= Inula salicina] (Weidenblättriger Alant)
  • [Asteraceae:] Pentanema hirtum [= Inula hirta] (Rauhaariger Alant, Rauer Alant, Rauher Alant)
  • [Asteraceae:] Pentanema conyzae [= Inula conyzae, Inula conyza] (Dürrwurz, Dürrwurz-Alant)
  • [Asteraceae:] Pulicaria dysenterica (Ruhr-Flohkraut, Großes Flohkraut)
  • [Asteraceae:] Tripolium pannonicum ? [= Aster tripolium ?] (Strand-Aster ?)

Zunächst schien die Art nur ein eng begrenztes Vorkommen zu haben und streng an den Rauhaarigen Alant gebunden zu sein, in dessen Blütenköpfen die Raupe lebt. Doch mit den Nachweisen der Art in den nordisch-baltischen Staaten war klar, dass es diese Beschränkung nicht geben kann, denn jene Pflanze fehlt dort ganz. Und da Pentanema hirtum auch im Wertinger Ried in Bayern (siehe Faunistik) fehlen dürfte, scheint die Raupe auch dort an einer anderen Pflanze leben zu müssen. Gregersen & Karsholt (2022: 278-281) stellten fest, dass alle genetisch überprüften Belege aus Nordwest-Europa zu A. martinii gehören, A. bifractella dort also komplett fehlt. Insofern sind auch Angaben zu Raupenfunden von dort alle eindeutig A. martinii zuzuordnen. Gregersen & Karsholt (2022: 279-280) stellen dazu fest: "Host-plant. Inula salicina which seems to be the only host-plant in Fennoscandia. In England the species has been recorded from Pulicaria dysenterica, Inula conyzae and Tripolium pannonicum (as Aster tripolium) (Emmet op. cit.) and in Germany from Inula hirta (Petry 1911: 100), see also Remarks. The larva lives in the seed-head spinning together seeds on which it feeds. Pupation takes place among seeds in a web (Stainton et al. 1867: 238). The habitats are dry meadows and "alvar" localities; in Britain also in more damp places like meadows and salt-marshes". Da die Raupe im Samenkopf überwintert, empfehlen die Autoren: "Collecting method. The species can be bred from seed-heads of the host-plant collected in autumn or winter."

(Autor: Erwin Rennwald)

4. Weitere Informationen

4.1. Taxonomie

Die Abtrennung von A. martinii von Apodia bifractella war lange umstritten. Die Fauna Europaea (Fauna Europaea Web Service. Last update 22 December 2009. Version 2.1. Available online at [http://fauna.naturkundemuseum-berlin.de]) akzeptierte beide Taxa durchgehend als getrennte Arten, während im Nachtrag zum Deutschland-Katalog von Gaedike & Heinicke (1999) kurz und knapp zu lesen war: "3293 Apodia martinii Petry, 1911. Ist zu streichen, da die Art ein jüngeres Synonym zu 3292 A. bifractella (Duponchel, 1843) ist [Stübner]." Elsner, Huemer & Tokár (1999) führen martinii ohne Kommentar als Synonym von A. bifractella. Im Lepiforum wurde das Taxon bis zur endgültigen Klärung als Art mit umstrittenem Artstatus geführt.

Petry (1911) hatte seine Artbeschreibung bei nur geringfügigen morphologischen Unterschieden damit begründet, dass A. martinii im gleichen Gebiet an einer anderen Pflanze lebe (Inula hirta gegenüber Inula conyzae) und 4 Wochen früher fliege. Das wäre damit ein ähnlicher Fall wie bei Phengaris alcon / Ph. rebeli. Da A. bifractella aber auch von Inula helvetica und - zahlreich - von Pulicaria dysenterica bekannt ist, war klar, dass hier nur eine genetische Studie mit Tieren aus verschiedenen Herkunftspflanzen zu einer endgültigen Klärung des taxonomischen Status führen würde.

Diese genetische Klärung gibt es mittlerweile, und sie fiel überraschend eindeutig und zu Gunsten der Artverschiedenheit aus. Huemer & Karsholt (2020: 128-129) können schreiben: "Apodia martinii. DNA barcodes of this species and A. bifractella with separate BINs (6.58% min. distance) fully support the species status for this long-disputed taxon. We therefore reinstate A. martinii sp. rev. as a valid species. Differences from A. bifractella in morphology, biology and distribution still need to be studied in detail."

Und es wurde heftig: A. martinii erwies sich beim Barcoding nicht als die auf Wärmegebiete Deutschlands beschränkte Art, sondern als diejenige aus Nord- und Westeuropa, die dort A. bifractella ablöst. Die bisher A. bifractella zugeordneten Pflanzen aus Nordeuropa und England gehören allesamt zu A. martinii - was dann noch als Raupennahrung von A. bifractella übrig bleibt, muss sich erst noch zeigen. Und - noch schlimmer - auch die von Petry (1911) herausgearbeiteten Größen- und Färbungs-Unterschieden bei den Faltern zwischen den beiden genannten Falter-Arten hält einer näheren Prüfung nicht stand. Selbst die Genitalien scheinen recht variabel zu sein. Die einzige zuverlässige Unterscheidungsmethode der beiden Arten ist demnach derzeit das Barcoding. Nicht sonderlich befriedigend für den Gelände-Entomologen.

4.2. Faunistik

Zunächst nur aus Deutschland bekannt - aber bisher überwiegend als Synonym zu A. bifractella gestellt, so auch jüngst von Gaedike et al. (2017). Angebliche Nachweise aus anderen Ländern (Österreich) bedürfen nach der Fauna Europaea (Fauna Europaea Web Service. Last update 22 December 2009. Version 2.1. Available online at [http://fauna.naturkundemuseum-berlin.de]) der Bestätigung. Doch mittlerweile gibt es hier Angaben aus fast allen nordisch-baltischen Ländern - wo A. bifractella fehlt - und aus Slowenien, so dass von einer weiteren Verbreitung auszugehen ist.

Nach Gaedike & Heinicke (1999) war die Art in Deutschland nur aus Thüringen bekannt (aktuell, d.h. nach 1980).

Huemer (2013: 214) kommentierte: „Da einerseits der Artstatus von A. martinii umstritten ist und weiterer Klärung bedarf (Karsholt, 1995), andererseits aber auch die einzige Meldung aus Österreich nicht belegt ist (Huemer & Tarmann, 1993), findet das Taxon in der Checkliste keine Berücksichtigung.“

Nach der Klärung der genetischen Verschiedenheit der beiden Arten bestand hier erneut Klärungsbedarf bezüglich der Verbreitung von A. martinii. Wenn die Art streng an Pentanema hirtum gebunden wäre, wäre sie in Deutschland vor allem an warmen Standorten in den Muschelkalkgebieten von Thüringen, über Hessen und Nordbayern bis ins nördliche Baden-Württemberg zu erwarten. Mit dieser Pflanze könnte sie aber auch im bayerischen Donautal mit Nebentälern zu finden sein oder in Teilen von Rheinland-Pfalz. Doch leider stimmt diese Pflanzenbindung nicht.

Tatsächlich können Haslberger et al. (2020: 83-84) über 2 aktuelle, weit auseinander liegende, durch Barcoding abgesicherte Angaben aus dem mittleren und nördlichen Bayern berichten: "TS: Wertingen, NSG Wertinger Ried, 4 Ex. 5.7.2011, BC ZSM Lep 70869 (HEINDEL). Neu für Schwaben (Donauried) (●). SL: Eußenheim, Aschfeld, 2.7.2014, BC ZSM Lep 87191 (leg. DOCZKAL, det. HAUSMANN, coll. ZSM). Neu für Unterfranken und das Schichtstufenland (●)." Jene Autoren erklären: "Da früher üblicherweise unter der Schwesterart A. bifractella (DUPONCHEL, 1843) subsummiert, sind bisherige Angaben zu Apodia aus Bayern grundsätzlich kritisch zu hinterfragen bzw. überprüfen. A. martinii ist aufgrund der bisherigen Datenlage bei uns offenbar sehr viel lokaler und seltener als die ohnehin nicht häufige A. bifractella, und derzeit in nur zwei Einzelexemplaren bekannt; wir vermuten noch weitere Verbreitung in Unterfranken, was aber erst noch zu zeigen wäre. [...] Zusatzanmerkung: Die in der Checkliste dargestellten Verbreitungsangaben zu A. bifractella (HASLBERGER & SEGERER 2016: 72, BY-Nr. 1037) werden durch diese neuen Erkenntnisse nicht berührt und sind nach wie vor stimmig. A. bifractella ist demnach weiter verbreitet als A. martinii und bisher aus folgenden bayerischen Naturräumen sicher belegt (rezente, durch DNA Barcoding abgesicherte Funde) (●): AVA: Berchtesgadener Alpen; TS: Schotterebene und Unteres Isartal; SL: Mittlere Frankenalb und Ries."

Und jetzt bleiben erst einmal Dutzende Fragen offen. Einige davon lauten: Sind die Arten anhand ihrer Nahrungspflanzen zu trennen? Gibt es auch Regionen mit A. bifractella, denen A. martinii fehlt ? Gibt es Regionen, in denen die beiden Arten nebeneinander vorkommen (etwa das Untersuchungsgebiet von Petry (1911))? Falls ja, sind die Taxa dort phänologisch getrennt? Gibt es eventuell Mischpopulationen? Sind die beiden Taxa auch in der Kern-DNA klar voneinander getrennt - oder gehören sie vielleicht doch zu einer einzigen Art mit klar getrennten BINs in der mitochondrialen DNA?

(Autor: Erwin Rennwald)

4.3. Literatur