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Falter
Eiablage
Raupe
Puppe
Ei
Männchen
Weibchen
Ähnliche Arten
Inhalt

1. Lebendfotos

1.1. Falter

1.2. Eiablage

1.3. Raupe

1.4. Puppe

1.5. Ei

2. Diagnose

2.1. Männchen

2.2. Weibchen

2.3. Ähnliche Arten

Zu weiterführenden Hinweisen siehe Text von Martin Jagelka unten.

3. Biologie

"This species is very similar to Lemonia dumi. Unlike him, batavorum lives only in the Netherlands (from where it was described), or it is still possible to occur in Belgium or western Germany. This is a Western European species from the heaths, which was apparently isolated from the dumi for a long time. It is already different to the naked eye. Batavorum is much darker, has thin lines on the wings (dumi has them wide) and the dot on the front wings has a red tint (it is always yellow in dumi). The different characters are shown in the picture. There are also differences in the reproductive organs of both species and 1.92% in DNA. Batavorum also has a different bionomics, with the moths flying even at very low temperatures. Batavorum males are faster and more active than dumi. Their flight is violent and wild, and in breeding conditions they destroy their wings very quickly. In breeding, I hybridized dumi with batavorum. The hybrid offspring bore the characteristics of mainly dumi - they had wide bands on their wings. A few individuals had a reddish tinge and darker coloring. Subsequently, I attracted male dumi from nature to the females of these hybrid offspring, with whom they mated. However, only 8-10% of the eggs hatched from their eggs, while the others were sterile. The caterpillars had a high mortality and eventually they all died."

Text: Martin Jagelka (aus E-Mail an Jürgen Rodeland, 16. Februar 2023)

3.1. Nahrung der Raupe

  • [Asteraceae:] Hieracium pilosella (Mausohr-Habichtskraut)
  • [Asteraceae:] Hypochaeris radicata (Gewöhnliches Ferkelkraut)

Zunächst hatte ich hier formuliert: "Noch unbekannt! In der Zucht werden die auch für Lemonia dumi genutzten Futterpflanzen angenommen; Šumpich & Jagelka (2021: 490) schreiben dazu: "We used Taraxacum sp., Sonchus sp. and Lactuca virosa as foodplants in captivity"." Jeroen Voogd [widersprach in seinem Forumsbeitrag vom 22. Januar 2022]: "This is not true the caterpillars use Hieracium pilosella and Hypochaeris radicata as foodplant in The Netherlands." Es scheint also doch Freilandfunde von Raupen gegeben zu haben, von denen die Autoren der Erstbeschreibung aber nichts wissen konnten, da sie ja den Kontakt zu den in den Niederlande vor Ort tätigen Entomologen mieden.

4. Weitere Informationen

4.1. Etymologie (Namenserklärung)

Šumpich & Jagelka (2021: 490) erläutern ihre Namenswahl: "The species name batavorum is given after Batavi, an ancient Germanic tribe that once inhabited the Gelderland region in the Netherlands (formerly called Batavia), from where the new species is described; noun in apposition."

4.2. Taxonomie und Faunistik

Šumpich & Jagelka (2021: 484) stellen gleich im Titel ihrer Arbeit fest: "Lemonia batavorum sp. nov. from the Netherlands, an overlooked sibling of L. dumi". Ich erlaube mir, hier ein "?" zu ergänzen. Zugegeben, die Falter sehen schon ein bisschen anders aus als "normale" L. dumi, einfach düsterer, mit erheblicher Reduzierung der gelben Zeichnungselemente und Ausdehnung der dunklen Farbelemente. Aber was - bitteschön - würden wir bei isolierten Populationen im atlantischen Randbereich anderes erwarten als eine Verschiebung genau in diese Richtung?

Šumpich & Jagelka (2021: 484) erklären zu den Raupen von L. batavorum: "Caterpillars in final stage are coloured similarly to those of L. dumi (Figs 31–32) but have more brightly developed yellowish white stripes on body segments." Hier geht das Merkmal also in die andere Richtung: mehr helle Farbzeichnung. Offensichtlich haben die Autoren bisher nur wenige Raupen von L. dumi gesehen - denn zumindest die Raupen vom Oberrhein decken die gesamte Bandbreite der Erscheinung ihrer beiden "Arten" ab - die meisten sehen dort aus wie "typische" L. batavorum, also mit deutlicher Hellgelb-Zeichnung neben den schwarzen Flecken. Das ist also Variabilität und hat nichts mit Art-Unterschieden zu tun.

Verbleiben also die Genitalien beider Geschlechter. Šumpich & Jagelka (2021: 484) glauben, deutliche Unterschiede in den Genitalien beider Geschlechter gefunden zu haben. Die mag es geben, aber Variabilität gibt es hier offensichtlich auch. Wer schaut sich schon Genitalien von Lemonia dumi an? Bei so wenigen Exemplaren würde ich mich hier nicht getrauen - Unterschiede als Artunterschiede zu interpretieren.

Was war passiert: der Zweitautor hatte 2016 auf der Insektenbörse in Prag ein paar Eier von L. dumi mit Herkunftsdaten aus Holland gekauft - der Sammler der Eier (bzw. des Weibchens) blieb unbekannt - schließlich war L. dumi in den Niederlanden zwar als Art nicht besonders geschützt, da sie dort aber nur aus einem einzigen Nationalpark (Nationaal Park De Hoge Veluwe) bekannt ist, war leicht auszurechnen, dass die Entnahme und der Verkauf der Tiere der Naturschutzbehörde nicht gefallen hätte. Schon die Raupen wirkten anders als solche aus Tschechien, und die Falter waren dann eben dunkler. Also wurde ein Exemplar dem Barcoding zugeführt, mit dem überraschenden Ergebnis einer Abweichnung von 1,92 % gegenüber "normalen" L. dumi. Also wurden noch einmal 2 Tiere gebarcodet - mit dem wenig überraschenden Ergebnis, dass die Barcodes der 3 Tiere identich waren. Deshalb suchte und fand man Genitalunterschiede und beschrieb eine neue Art: "BIN BOLD: AEA3525 (n = 3). The average intraspecific divergence of the barcode region is 0.0 %. Distance to the nearest neighbour is 1.92 %. (L. dumi [BIN BOLD: AAD9009; n = 13 (7 public); records from Finland, Sweden, Czechia, Slovakia, Ukraine, Russia; the average intraspecific divergence of the barcode region is 0.37 %, maximum 0.64 %]). For other details see Fig. 26 and Conclusions."

In den "Conclusions" (S. 494) ist dann zu lesen: "During the preparation of this paper, we dealt with a problem, whether the new taxon should be assigned to the species or subspecies level. Beside the fact that L. batavorum is easily distinguishable based on its external appearance we also considered its genetic relationship with other taxa. [...] Thus, it is clear that distances of barcode regions cannot be the only criterion for determining the taxonomic position of a new taxon in this genus, but all features must be considered in context. We conclude that the distinct diff erences in habitus, genitalia of both sexes as well as a relatively big distance from the nearest neighbour (L. dumi) support our decision to describe L. batavorum as a species level taxon."

Was leider gar nicht diskutiert wird, ist, wie es denn zur Entstehung dieser "Art" gekommen sein soll. Holland bietet da weit weniger Möglichkeiten als z.B. Korsika - weshalb es eine lange Reihe von Endemiten für Korsika gibt, aber eben nicht für Holland. Und warum wurde nur mit Tieren aus Tschechien, Schweden und Finnland verglichen? Warum wurden keine Tiere aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg, dem Saarland, Belgien oder Frankreich einbezogen? Für eine umfassende Bearbeitung erscheint mir das alles zu dürftig.

Zur Verbreitung der neuen "Art" ist zu erfahren: "The Netherlands (Schaffers 1995, Vos et al. 2008, this paper). It looks that the current distribution area is located only in the small north-western part of the country delimited by large rivers – the Waal in the south and the Ijssel in the east. In the past, L. dumi was reported also from Noord-Brabant in the south of the Netherlands but it has not been confi rmed there since 1895 (Vos et al. 2008). According to Schaffers (1995) the last occurrence of L. dumi in the Netherlands before discovery in Hoge Veluwe originated from Swalmen in the Limburg region from 1956. However, most probably all these records belong to L. dumi, not to L. batavorum, similarly to the records from Belgium and northern France (cf. Lebrun 2007, Joseph & Jugan 2012). We also did not find any voucher specimens of L. batavorum from northwest Germany. The moths from Denmark definitely belong to L. dumi."

Für mich spricht hier alles für eine extreme Inzucht-Linie am Rande des Verbreitungsareals. Die Isolation dürfte dabei nicht mehr als 200 Jahre betragen haben, vermutlich noch deutlich weniger. Das nächste aktuelle Vorkommen von L. dumi in ca. 120 km Entfernung in Nordrhein-Westfalen wurden nach schmetterlinge-d.de 2009 von H.-J. Weigt bei Ottmarsbocholt festgestellt, wenig weiter gibt es das auch 2020 noch besetzte Vorkommen in der "Senne" bei Bielefeld. Warum hat man da auf Kreuzungsversuche mit Tieren von dort verzichtet?

Und der Naturschutz? Die Autoren argumentieren: "Lemonia dumi has not been protected in the Netherlands so far (Vos et al. 2008) although the species was very rare and potentially endangered there. Currently it occurs only in De Hoge Veluwe National Park [...]. Considering that the current Dutch populations are here placed to a separate species, its strict protection and especially active support of its habitats (or sites of its potential occurrence) is absolutely necessary to save its gene pool." Ja, der besondere Gen-Pool bedarf hier tatsächlich eines besonderen Schutzes. Der Dank der Autoren hätte dann aber etwas selbstkritischer ausfallen können: "We express our thanks to an unknown collector who provided us with the eggs". Ist den Autoren denn wirklich nicht klar, dass das Geschäftsmodell dieses "unknown collectors" jetzt erst richtig Fahrt aufnehmen wird?

Alles in allem mein Fazit: Die Artbeschreibung ist wahrscheinlich überflüssig, in jedem Fall viel zu früh. Der Hinweis auf die innerartliche Vielfalt unserer Arten ist aber interessant.

Nach diesen Zeilen vom 31. Dezember 2021 ging ich davon aus, dass Lemonia batavorum alsbald mit Lemonia dumi synonymisiert würde - doch bis heute (12. August 2025) hat sich hier nichts getan. Nach den Autoren der Erstbeschreibung gab es ja in den Niederlanden bis zuletzt 1956 eine ganze Reihe von Nachweisen von Lemonia dumi, auch in ca. 20 km Entfernung von der 1993 entdeckten neuen Population. Die alten Funde sollen (alle?) zu Lemonia dumi gehört haben, nur die neue Population zur jetzt neuen Art. Da Lemonia dumi-Männchen ihre Weibchen über mindestens 10 km Entfernung finden, müsste es in den Niederlanden einen regen Austausch zwischen den Populationen gegeben habe, so dass eine Artentstehung dort so gut wie ausgeschlossen ist. Oder stammte diese neue Population von ganz woanders her ? Wurde sie erst angesiedelt, nachdem die "echte" Lemonia dumi in den Niederlanden ausgerottet war ? Auch dafür haben wir keinerlei Anhaltspunkt - im Gegenteil: Die Tiere am nordwestlichen Arealrand - jedenfalls die seit 1994 - sehen ja so aus, wie man es dort erwarten könnte. Die Erstbeschreibung der "neuen" Art klingt fast so, als wäre Lemonia dumi 1956 in den Niederlanden abgetaucht und 1993 dann wieder mit neuem Aussehen und neuer Genetik als neue Art auferweckt worden. Wie viele alte Belege aus den Niederlanden Šumpich & Jagelka (2021) tatsächlich angeschaut haben, bleibt ihr Geheimnis. Auffällig ist aber, dass keine einzige ältere Literaturquelle aus den Niederlanden zitiert wird, nicht einmal Lempke (1960: 178), der die letzten Funde der Art zusammengestellt hatte: "Vindplaatsen. N.B.: Oosterhout, rups op 26 juni 1955 (Slob); Haaren, ♂, 2.XI.1950 (Knippenberg). Lbg.: Horn, drie rupsen in 1919 gevonden door Franssen, die niet verpopten (Lücker, De Levende Natuur, vol. 28, p. 154, 1923); Grubbenvorst, 22.X.1953, ♂ op licht (van de Pol); Swalmen, 25. X. 1953, ♀ overdag zittend gevonden, ♂ op 21.X. 1956 (Pijpers)." Die Art wird dort leider nicht abgebildet.

Nach 37 Jahren ohne Fund wurde die Art - ich gehe davon aus, dass es immer dieselbe war, nämlich Lemonia dumi - mehr zufällig in den Niederlanden wiederentdeckt. Schaffers (1995) berichtet darüber, dass er von Ehepaar Honig den Hinweis bekam, dass ein Pilzsammler ein verkrüppeltes Weibchen gefunden habe und auch ein Exemplar (vermutlich ein Männchen) aus einem Spinnennetz befreit hatte. Eine Diaaufnahme des Weibchens bestätigte die Vermutung, dass es sich tatsächlich um den "Herfstspinner" (Lemonia dumi) handelte. Job Schaffers studierte die Art im Herbst 1994 dann intensiv an dieser Stelle. Nach acht vergeblichen Besuchen seit der zweiten Septemberhälfte sah er am 13. Oktober um 13:50 Uhr (sonniges Wetter, 13 °C) den ersten Falter, ein wild herumjagendes Männchen. Drei Tage später konnte er gegen Mittag zwei Weibchen und ein Männchen fotografieren. Der Autor kann dann berichten: "In de ruim twee weken die hierop volgden heb ik nog 81 exemplaren aargenomen, verdeeld over 27 mannetjes en 54 vrouwtjes. Alleen die vlinders heb ik geteld die zeker tot verschillende Individuen behoorden. De waargenomen vliegtijd was betrekkelijk kort: van 13 oktober tot en met 1 november. De piek lag op 29 oktober." [In den mehr als zwei Wochen, die darauf folgten, habe ich noch 81 Exemplare gefangen, davon 27 Männchen und 54 Weibchen. Ich habe nur die Schmetterlinge gezählt, die eindeutig zu verschiedenen Individuen gehörten. Die beobachtete Flugzeit war relativ kurz: vom 13. Oktober bis zum 1. November. Der Höhepunkt war am 29. Oktober.] Die allermeisten dieser Falter blieben vor Ort. Job Schaffers war es wichtiger, Details zur Eiablage im Freiland zu beobachten und zu dokumentieren, als mit diesen Tieren einen (illegalen) Handel anzufangen. Das Freiland-Foto der Kopula zeigt tatsächlich zwei sehr dunkle Falter mit auffällig schmalen hellen Binden - wie sie für die "neue Art" ja typisch sein sollen.

Für die Niederlande war das das Jahr mit den meisten Faltern dieser Art. De Vos et al. (2006: 8) konnten zu Lemonia dumi nur knapp notieren: "Omdat deze soort na 1956 niet meer uit Nederland gemeld was (Lempke 1960) werd gevreesd dat hij uit Nederland was verdwenen. In 1993 is hij echter in het Nationaal Park de Hoge Veluwe herontdekt (Schaffers 1995). Ook uit 2000 zijn waarnemingen van deze locatie bekend. Tussen 14 en 28 oktober werden tenminste acht exemplaren waargenomen (CdH)." Die Zahlen für 2001 waren deutlich besser und so konnten De Vos et al. (2007: 28) schreiben: "Ten opzichte van 2000 zijn er geen wijzigingen bekend geworden ten aanzien van de verspreiding van deze soort. De waarnemingen van 2001 stammen opnieuw allemaal uit Nationaal Park de Hoge Veluwe (Ge). Hier is op 9 juni een rups waargenomen (JV) en tussen 21 oktober en 2 november in totaal 51 vlinders (NH). Dit aantal is hoger dan in 2000 (acht exemplaren) en omdat een vergelijkbare methode is gebruikt om de soort te tellen kan geconcludeerd worden dat 2001 een beter jaar voor L. dumi is geweest dan het jaar 2000." Nach Job Schaffers (tel. Mitt. 11. August 2025) ist die Art an diesem letzten niederländischen Standort in den letzten Jahren stark rückläufig.

Nochmals zur Taxonomie: Ich hatte - und sicher zurecht - bemängelt, dass es bei der Neubeschreibung der "Lemonia batavorum" keinerlei Barcode-Vergleich mit Tieren aus Nordfrankreich, Dänemark, Belgien, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg und dem Saarland gab - wieso wurde das bis heute nicht nachgeholt ? Oder wurde es nachgeholt, aber das Ergebnis passte nicht ? Kreuzungen haben im Labor ja geklappt, allerdings nur bis zur ersten Tochtergeneration - aber den Autoren war es ja auch nicht gelungen, ihre neue "Art" über mehr als eine Tochtergeneration in der Zucht am Leben zu halten. Ich bleibe dabei: Für mich spricht nichts, aber auch gar nichts, dafür, dass es sich hier um ein Taxon mit eigener Artberechtigung handeln könnte ! Ich rechne am ehesten damit, dass die "Art" als infrasubspezifisches Taxon zu behandeln sein wird - vielleicht auch bald als ausgerottetes infrasubspezifisches Taxon.

(Autor: Erwin Rennwald, 31. Dezember 2021; ergänzt 12. August 2025)

4.3. Literatur