1. Lebendfotos
1.1. Falter
2. Diagnose
2.1. Männchen
2.2. Weibchen
2.3. Geschlecht nicht bestimmt
2.4. Erstbeschreibung
3. Biologie
3.1. Habitat
3.2. Nahrung der Raupe
- [Poaceae:] Anthoxanthum odoratum (Gewöhnliches Ruchgras)
- [Poaceae:] Poa badensis [= Poa alpina var. badensis] (Badener Rispengras)
- [Caryophyllaceae:] Silene sp. ??? (Lichtnelke ???)
- [Caryophyllaceae:] Dianthus sp. ??? (Nelke ???)
- [Asteraceae:] Artemisia sp. ??? (Beifuß ???)
Bei Elsner et al. (1999: 49) heißt es zur Raupennahrung: "Dianthus, Silene (Caryophyllaceae), Artemisia (Asteraceae), Anthoxanthum odoratum, Poa alpina (Poaceae)". Diese doch sehr bunte Mischung verwundert.
Schütze (1931: 90) formulierte etwas differenzierter: "Raupe Mai [...] Nach Schmid auf Sandstellen mit magerer Vegetation in leichter Gespinströhre unter Wurzelblättern einer wilden Nelke; sicher noch an anderen Pflanzen (Sorhagen). Die lederfarbigen, flüchtigen Raupen in erdiger Gespinströhre unter den Wurzelblättern von Poa alpina, wo wenige höher gezogene Fäden ihr Vorhandensein anzudeuten pflegen (Schmid). Rössler fing die Falter auf Wiesen, wo Lychnis flos cuculi [Silene flos-cuculi] reichlich wuchs."
Noch komplizierter wird die Zusammenstellung von Gregersen & Karsholt (2022: 378): "Host-plant. Anthoxanthum odoratum (Benander op. cit.); Poa alpina (Schütze 1931: 90), Sorhagen (1886: 213) and Schütze (1991: 90) wrote that Schmid found the larva in spun webs under Dianthus. Elsner et al. (1999: 49) also list Silene and Artemisia as host-plants." Und jetzt folgen die Angaben zum Verhalten der Raupe: "The larva lives in vertical tubes of basal leaves consuming the sprouting shoots, eating them from the top. Larvae of Crambus Fabricius, 1798 (Crambidae) live in the same way, but consume the leaves from the base up (Benander op. cit.); [...] Larvae found 6.vi. gave adults 24-28.vi. The habitats are dry meadows, pastures and hillsides with low vegetation. [...] The larva is difficult to find and only a few cases od rearing have been reported."
Und was wissen wir jetzt ? Wenig ! Außer, dass wir noch der alten Meldung von Schmid nachgehen können. Rößler (1866: 249) hatte noch formuliert: "Die Raupe wird in Thymus oder Ampfer vermuthet". Konkret heißt es dann bei Schmid (1886: 143-144): "Die lederbraune, flüchtige Raupe in erdigen Gespinnströhren unter den Wurzelblättern von Poa alpina ab. badensis Haenke, wo wenige höher gezogene Fäden das Vorhandensein des Thieres anzudeuten pflegen - zur Zeit meines Aufenthaltes zu Frankfurt Ende Mai entdeckt - hier werden andere Gräser zur Nahrung dienen." Mit "hier" meinte er die drei Falterfundstellen in seiner Regensburger Region, mit "Frankfurt" war Frankfurt am Main gemeint. Ja, denn es geht erst einmal um die Grasart: Poa alpina ist in Bayern auf die Alpen beschränkt. "Poa alpina ab. badensis" ist schon sehr lange als eigenständige Art akzeptiert: Poa badensis. Angaben zu "Poa alpina" sind also einfach falsch! Poa badensis ist in Deutschland ein sehr seltenes Relikt der nacheiszeitlichen Wärmeperiode und in Deutschland weitgehend auf die kalkhaltigen Sande in Südhessen (südlich Frankfurt, hauptsächlich um Darmstadt) und das Trockengebiet im Grenzbereich Sachsen-Anhalt / Thüringen beschränkt. Zumindest an dieser Literaturstelle schrieb Schmid nichts von einer Dianthus (arenarius oder armeria ?) oder Silene (conica, otites oder armeria ?). Schmid hatte sich 1886 offensichtlich auf Süßgräser als Raupennahrung festgelegt, schrieb aber nicht, dass die Raupe auch tatsächlich am Gras fraß. Und er schrieb nicht einmal, dass er die Raupen erfolgreich durchgezüchtet hat - was aber doch sehr anzunehmen ist, denn wie sonst hätte er die Raupe sonst mit Sophronia semicostella in Verbindung bringen können ? Im späteren "Raupenkalender" von Schmid (1892: 120) findet sich für den Monat Mai ein Eintrag unter "Poa-Arten (Rispengräser)": [...] Soph. Parenthesella L. 2. Hälfte : in erdigen Gespinnströhren unter den Wurzelblättern." - und wieder gibt es keinerlei Hinweis auf Dianthus oder andere Nelken.
Skala (1912: 309) formulierte: "Raupe unbekannt, nach Mitterberger in Gespinsten an den Wurzelblättern von Nelken." Aha, und was meint Mitterberger dazu? Mitterberger (1909: 227) hatte - scheinbar über jeden Zweifel erhaben - geschrieben: "Die Raupe lebt in Gespinsten an den Wurzelblättern von Nelken." Er selbst kannte die Art aber nur von 3 Faltern, die er gekäschert hatte, und auch die gelisteten Fremdangaben schließen keinen Raupenfund ein. Also wieder nur nicht als Zitat gekennzeichnetes ungenaues Abschreiben.
Jetzt zu Benander (1931: 49-50), der von Öland berichtete: "Nachdem ich den Schmetterling im Jahre 1929 auf einem ziemlich begrenzten Gebiet ungewöhnlich zahlreich fliegend angetroffen hatte, beschloß ich im folgenden Frühjahr dort nach seinen Raupen zu suchen. Ich untersuchte daher auf einer ziemlich großen Fläche jede einzelne Pflanze. Es gelang mir indessen nicht, mehr als eine einzige Art von Raupen zu finden, die mir bis dahin unbekannt war, und diese hatte gar keine Ähnlichkeit mit den gut bekannten Raupen unserer beiden anderen Sophronia-Arten. Ich wagte daher nicht anzunehmen, daß die aufgefundenen Raupen der gesuchten Art angehörten, obgleich die Plazierung von Borsten und Warzen zeigte, daß die Raupen zur Familie Gelechiidae gehörten. Als die Schmetterlinge schlüpften, stellte sich indessen heraus, daß es sich dennoch um Sophronia semicostella handelte." Und der Autor erklärt weiter: "Die Raupe lebt an Gras, die von mir gefundenen an Anthoxanthum odoratum. Sie spinnt die Wurzelblätter zu einer vertikalen Röhre zusammen, in der sie mit dem Kopf nach oben ruht, und frißt den hervorsprießenden Sproß. Zum Unterschied von den in gleicher Weise lebenden Crambus-Raupen verzehrt sie die Blätter von der Spitze an. [...]" Und auch die Beschreibung der Raupe deutet an, dass Schmid doch dier richtige Raupe vor sich hatte: "Die Raupe ist braunrot, die Borsten schwarz, die warzen schwarzbraun, umgeben von Blauweiß, das zu Längslinien zusammenfließt, also eine Linie zu jeder Seite der Rückenmitte, eine oberhalb des Atemloches, eine unterhalb des Atemloches und eine schwächere längere unten auf der Seite. Kopf, Halsschild und Analplatte gelb, braun marmoriert; die Brustfüße braun."
So wie es aussieht, sind nur die beiden Gräser richtig - beide mit kräftigen Grundblättern. Alles andere war wohl Phantasie.
(Autor: Erwin Rennwald)
4. Weitere Informationen
4.1. Andere Kombinationen
- Tinea semicostella Hübner, [1813] [Originalkombination]
4.2. Synonyme
- Sophronia parenthesella Haworth, 1828
4.3. Literatur
- Benander, P. (1931): Zur Biologie einiger Kleinschmetterlinge. IV. — Zeitschrift für wissenschaftliche Insektenbiologie, 26: 48-54.
- Elsner, G., Huemer, P. & Z. Tokár (1999): Die Palpenmotten (Lepidoptera, Gelechiidae) Mitteleuropas. Bestimmung – Verbreitung – Flugstandort – Lebensweise der Raupen: 1-208. Bratislava (František Slamka).
- Gregersen, K. & O. Karsholt (2022): The Gelechiidae of North-West Europe. — 939 pp., Oslo, Norway (Norwegian Entomological Society).
- Erstbeschreibung: Hübner, J. [1796-1834]: Sammlung europäischer Schmetterlinge 8: pl. 1-71.
- Mitterberger, K. (1909): Verzeichnis der im Kronlande Salzburg bisher beobachteten Mikrolepidopteren (Kleinschmetterlinge). — 358 S.; Monografien Entomologie Lepidoptera, 11. Salzburg (Ringlschwendtner & Rathmayr). [PDF auf zobodat.at]
- Schmid, A. (1886-1887): Die Lepidopteren-Fauna der Regensburger Umgegend mit Kelheim und Wörth. (Fortsetzung.). — Correspondenz-Blatt des naturwissenschaftlichen Vereins in Regensburg 40: (1-4) 19-58, (5-6) 83-98, (7-9) 101-164, (10-12) 165-224.
- Schmid, A. (1892): Der Regensburger Raupen-Kalender (März-November) mit einigen neuen Zugängen zur Lepidopteren-Fauna im Correspondenzblatt des naturwissenschaftlichen Vereines (Jahrg. 1885 und 1886). — Berichte des Naturwissenschaftlichen Vereins Regensburg 3: 37-311. [PDF auf zobodat.at]
- [SCHÜTZE (1931): 90]
- Skala, H (1912): Die Lepidopterenfauna Mährens. II. Teil. — Verhandlungen des naturforschenden Vereines in Brünn, 51: 115-377. [PDF auf zobodat.at]