1. Lebendfotos
1.1. Falter
1.2. Raupe
1.3. Fraß-Spuren und Befallsbild
2. Diagnose
2.1. Geschlecht nicht bestimmt
2.2. Genitalien
2.2.1. Männchen
2.2.2. Weibchen
2.3. Erstbeschreibung
3. Biologie
Tuta absoluta gilt als großer landwirtschaftlicher „Schädling“ in tropisch-warmen Anbaugebieten und mit ihrer Verschleppung auch in Gewächshäusern. Befressen werden Blätter, Blüten und junge Früchte von Tomaten und weiteren Nachtschattengewächsen.
Von amtlicher Seite wird zusammengefasst [Augustenberg landinfo 5/2010] : „Die wichtigste Wirtspflanze ist die Tomate (Lycopersicon esculentum). Die Motte befällt ebenfalls das Kraut der Kartoffel (Solanum tuberosum), die Aubergine (Solanum melongena), Pepino (Solanum muricatum) sowie verwandte Zierpflanzen wie die Petunie und Engelstrompeten (Brugmansia ssp. und Datura suaveolens). Auch einheimische Wildpflanzen wie der Schwarze Nachtschatten (Solanum nigrum), weitere Nachtschattengewächse wie Solanum muricatum und Solanum elaeagnifolium, der Gemeine Stechapfel (Datura stramonium) und andere können befallen werden. In Italien wurde T. absoluta auch auf Buschbohne (Phaseolus vulgaris) und Malve gefunden.“
Die genannte Quelle bietet u.a. auch Fotos von Raupen und Fraßbildern. Die Literatur und auch das Internet-Angebot zu dieser Art sind sehr groß, es gibt sogar ein eigenes Forum zur Art: [http://www.tutaabsoluta.com]
Dandria & Catenia (2009) gehen davon aus, dass die Art auf Malta 10-12 Generationen pro Jahr entwickeln kann. Sie weisen darauf hin, dass die Tiere bereits in Südamerika gegen die meisten Bekämpfungsmittel Resistenzen ausgebildet haben.
3.1. Habitat
Achtung: Tymo Muus machte mich auf den Artikel von Jan Scheffers (2015) aufmerksam, der 2014 in Naaldwijk in den Niederlanden erstmals erfolgreiche Reproduktion im Freiland feststellen konnte: Am 17. Juli 2014 fand dieser Minen an Tomatenpflanzen im Freiland in seinem Garten; am 8. August 2014 kam der Fund an Minen an Kartoffeln hinzu, am 8. September 2014 gelang dann auch noch der Minen-Fund am Schwarzen Nachtschatten (Solanum nigrum) hinzu.
3.2. Nahrung der Raupe
- [Solanaceae:] Solanum esculentum [= Lycopersicon esculentum] (Tomate)
- [Solanaceae:] Solanum hirsutum [= Lycopersicon hirsutum]
- [Solanaceae:] Solanum peruvianum [= Lycopersicon peruvianum]
- [Solanaceae:] Solanum lyratum [= Lycopersicon lyratum]
- [Solanaceae:] Solanum elaeagnifolium [= Lycopersicon elaeagnifolium]
- [Solanaceae:] Solanum chilense [= Solanum puberulum, Lycopersicon puberulum]
- [Solanaceae:] Solanum tuberosum (Kartoffel)
- [Solanaceae:] Solanum melongena (Aubergine, Eierfrucht)
- [Solanaceae:] Solanum muricatum (Pepino, Melonenbirne, Birnenmelone)
- [Solanaceae:] Solanum nigrum (Schwarzer Nachtschatten)
- [Solanaceae:] Petunia sp. (Petunie)
- [Solanaceae:] Datura stramonium (Gemeiner Stechapfel)
- [Solanaceae:] Datura ferox (Dorniger Stechapfel)
- [Solanaceae:] Datura sp. (Stechapfel)
- [Solanaceae:] Nicotiana glauca (Blaugrüner Tabak)
- [Fabaceae:] Phaseolus vulgaris ?? (Bohne ??)
In der "Express – PRA zu Tuta absoluta" des Julius Kühn-Institut, Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit wurde in der Fassung vom 26. März 2010 gemeldet: "Hauptwirtspflanze ist Tomate (Lycopersicon esculentum), aber der Erreger wurde ebenfalls an Kartoffelkraut (Solanum tuberosum, befällt nicht die Knollen!), Aubergine (S. melongena), Pepino (S. muricatum), Zierpflanzen-Solanaceen (z.B. Petunien, Datura) und verschiedenen Wildpflanzen aus der Familie der Solanaceen wie S. nigrum (schwarzer Nachtschatten), Datura stramonium (Gemeiner Stechapfel), Lycopersicon hirsutum, L. peruvianum, S. lyratum, S. elaeagnifolium, S.puberulum, Datura ferox und Nicotiana glauca nachgewiesen. Darüber hinaus wurde von Sizilien erstmalig ein Befall einer Wirtspflanze, die nicht zur Familie der Solanaceen gehört (Phaseolus vulgaris (Bohne)), gemeldet. Nähere Informationen liegen hierzu noch nicht vor." In der Fassung vom 29. August 2013 hieß es dazu nur knapp: "Es wird weiterhin nur dieser eine Befall von P. vulgaris zitiert." [PDF auf pflanzengesundheit.jki.bund.de]- Eine Fehlbestimmung ist damit wohl nicht auszuschließen.
4. Weitere Informationen
4.1. Andere Kombinationen
- Phthorimaea absoluta Meyrick, 1917 [Originalkombination]
- Gnorimoschema absoluta (Meyrick, 1917)
- Scrobipalpula absoluta (Meyrick, 1917)
- Scrobipalpuloides absoluta (Meyrick, 1917)
4.2. Taxonomie
Tuta absoluta wurde als Phthorimaea absoluta beschrieben und dann rasch wechselnd mit Gnorimoschema, Scrobipalpula, Scrobipalpuloides und eben Tuta kombiniert. Die derzeitige Kombination Tuta absoluta ist die in der weltweiten Schädlingsliteratur klar dominierende.
Huemer & Karsholt (2010: 205) erläutern: "The only European species, the recently introduced Tuta absoluta, was originally described in Phthorimaea by Meyrick, 1917 and later placed in different genera such as Gnorimoschema by Clarke (1965), in Scrobipalpula by Povolný (1967b) and in Scrobipalpuloides by Povolný (1987c). However, it is rather atypical in genitalia compared with the type species of these genera. Based on the synonymization of Tuta with Phthorimaea by Lee et al. (2009), absoluta would now again be combined with the latter genus which seems conflicting from genitalia morphology. Thus, its generic assignment remains questionable. Since Tuta absoluta is already a well known combination of an economically serious pest species, we hesitate to change the generic assignment and keep it in Tuta until further evidence reveals the correct genus."
Corro Chang & Metz (2021) untersuchten die männlichen Genitalien der jeweiligen Typusarten von 4 der 5 genannten Gattungen (außer Scrobipalpula) und 4 weiterer Arten der Gattungen - darunter T. absoluta und unterzogen ihre Messwerte einer kladistischen Analyse. Dabei stellten sie fest, dass dabei T. absoluta besser zu Phthorimaea operculella und Phthorimaea robusta passte als zu Tuta atriplicella, der Typus-Art der Gattung. Daraus zogen sie den Schluss, dass die Art vorerst wieder Phthorimaea absoluta heißen sollte.
Gut möglich, dass sie Recht haben. Doch um hier Ordnung in das System zu bringen, dürfen nicht nur 8 der mehrere hundert Arten umfassenden 5 Gattungen untersucht werden, sondern weit mehr. Außerdem darf sich die Entscheidung nicht auf ein einziges Organ (hier die männlichen Genitalien) gründen, auch nicht allein auf die Morphologie insgesamt, sondern sie muss auch die Genetik und Biologie dieser Arten umfassend berücksichtigen. Tatsächlich leben T. absoluta und P. operculella beide an Solanaceae, während viele andere Arten der Gattungen - sofern man überhaupt etwas darüber weiß, Asteraceae nutzen - doch Solanaceae als Raupennahrung werden in ganz unterschiedlichen Gattungen der Gnorimoschemini genannt, so dass dies also kein Beweis für oder gegen eine Gattungszugehörigkeit sein kann. T. absoluta und P. operculella scheinen sich schon nahe zu stehen, aber ob sie wirklich in die gleiche Gattung gehören, ist damit noch nicht gesagt. Die Rückkombination zu Phthorimaea absoluta wäre vermutlich wieder nur eine temporäre Zwischenlösung. Bis zu einer klareren Absicherung, bleiben wir im Lepiforum bei der "gewohnten" Kombination Tuta absoluta.
4.3. Faunistik
(Stand 14. Dezember 2021)
Von der (spätestens) 2006 aus Amerika eingeschleppten Tomaten-Palpenmotte gab es in Europa bis Ende 2008 Vorkommen in Italien (dort mittlerweile weit verbreitet), Sizilien, Korsika, Spanien (dort mittlerweile weit verbreitet), Frankreich und den Niederlanden, 2009 wurde die Art dann auch auf Malta, in Griechenland (Kreta), Litauen, Großbritannien, der Schweiz, Portugal, Russland (Kaliningrad), Bulgarien, Rumänien, Slovenien, Zypern und in Deutschland gesucht und gefunden. In Nordafrika in Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien. Die Ausbreitung im Mittelmeerraum verlief extrem rasant, wozu sicher auch die Tatsache beitrug, dass die Art hier bis zu einem Dutzend Generationen pro Jahr ausbilden kann.
Der folgende Text entstammt der Werbe-Seite der Firma AMW-Nützlinge GmbH vom 23. Dezember 2009: [Werbung Firma AMW-Nützlinge GmbH] : "Tuta absoluta – Die Tomatenminiermotte und ihre biologischen Bekämpfungsmöglichkeiten Die Tomatenminiermotte Tuta absoluta (Gelechiidae, Palpenmotten) wurde Ende 2006 zum ersten Mal in Europa beobachtet und ist in Spanien bereits der wichtigste Schädling an Gewächshaustomaten. T. absoluta wurde wahrscheinlich mit befallenen Früchten aus Südamerika eingeschleppt und breitet sich seitdem über ganz Europa aus. Sie stellt nach Einschätzung von Experten eine erhebliche Gefährdung von Gewächshaustomaten in ganz Europa und Nordafrika dar. Wirtschaftliche Schäden in Millionenhöhe sind zu erwarten, da mit einem zusätzlichen Insektizideinsatz entsprechende Kosten anfallen. In den Niederlanden rechnet man bei weiterer Ausbreitung des neuen Schädlings mit Mehrkosten von bis zu 4 Mio. Euro / Jahr.“
Ein Festsetzen der Art war im Freiland in Europa allenfalls ganz im Süden zu erwarten, in Mitteleuropa ausschließlich in dauerbeheizten Gewächshäusern.
Der EPPO-Bericht vom April 2011 nennt zahlreiche neue europäische Fundregionen.
Zu Griechenland heißt es: "The situation of Tuta absoluta in Greece can be described as follows: Present, first found in 2009 in Crete, Peloponnese and Western Greece." Es wird betont, dass das Verbreitungsbild nur mit mehrfacher, aber simultaner Infektion zu erklären ist, nicht durch natürliche Ausbreitung nach einer einzelnen Einschleppung. Die Funde erfolgten sowohl in Gewächshäusern als auch an Tomaten im Freiland.
Zu Litauen ist zu lesen: "The situation of Tuta absoluta in Lithuania can be described as follows: Present, detected for the first time in 2009 in 3 sites, on glasshouse tomatoes only."
Im südlichen Italien wurde die Art schon 2008 registriert, 2009 dann erstmals auch in den Regionen Trient und Bozen: "The situation of Tuta absoluta in Italy can be described as follows: First found in spring 2008 in Southern Italy, now reported from Abruzzo, Basilicata, Calabria, Campania, Lazio, Liguria, Lombardia, Molise, Puglia, Sardegna, Sicilia, Trentino-Alto Adidge Umbria and Veneto; under official control."
Nel (2009) meldet die Art für Frankreich mit Erstnachweisen 2008 auf Korsika und in den südfranzösischen Départements Bouches-du-Rhône und Drôme.
Überschaubar ist die Situation in Großbritannien: "The situation of Tuta absoluta in the United Kingdom can be described as follows: Small numbers of outbreaks were reported in 2009 and 2010, under eradication."
Dandria & Catenia (2009) berichten über "Tuta absoluta (Povolny, 1994), an important agricultural pest in Malta". Demnach wurde die Art dort erstmals im April 2009 festgestellt, eine Überprüfung im Mai 2009 zeigte aber, dass die Art bereits in allen Tomaten-Anbaugebieten von Malta und Gozo vorhanden war und beträchtliche wirtschaftliche Schäden anrichtete. (Zur Zugänglichkeit der Arbeit im Internet siehe [hier])
Fazekas & Kálmán (2011) berichten über die aktuellen Nachweise in Ungarn (seit Februar 2010).
Toševski et al. (2011) melden die ersten 4 Nachweisorte in Serbien (Tomaten im Gewächshaus und im Freiland).
Březíková (2019) berichten über das Vorkommen in Süd- und Mittelmähren (Tschechien). Hier erfolgten 2013 die ersten Nachweise. 2018 kam es zu stärkeren Schäden an Tomaten und Kartoffeln. Es wird vermutet, dass die Art mit Tomatensetzlingen aus den Niederlanden eingeschleppt worden ist. (Ergänzung: Thomas Guggemoos)
Deutschland
Wie immer, wenn es um landwirtschaftliche „Schädlinge“ geht, wird von amtlicher Seite gewarnt, aber nichts Konkretes mitgeteilt. Im Merkblatt von Augustenberg zur Art ist zwar zu erfahren, dass die Art 2009 auch in 3 der 4 Regierungsbezirke Baden-Württembergs (Freiburg, Karlsruhe, Stuttgart) mittels Pheromonfallen in Gewächshäusern und Großmärkten in kleiner Anzahl (zusammen 25 Exemplare) nachgewiesen werden konnte, Konkretes über die Fundorte und Fundumstände ist aber nicht zu erfahren [Augustenberg landinfo 5/2010]. Im „Informationsblatt für den Gärtner“ wurde gleich gar nichts über das Vorkommen im Lande mitgeteilt [Augustenberg - Informationsblatt für den Gärtner Anfang 2010].
In der "Express – PRA zu Tuta absoluta" des Julius Kühn-Institut, Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit wurde in der Fassung vom 29. August 2013 unter "Phytosanitäres Risiko" das am 26. März 2010 gemeldete "hoch" abgeändert in: "Einstufung nicht mehr anwendbar, da T. absoluta aufgrund der schnellen Ausbreitung in der EU die Anforderungen eines Quarantäneschadorganismus nicht mehr erfüllt. T. absoluta hat aber bis auf weiteres ein erhebliches Schadpotential für die Tomatenproduktion und ist noch nicht überall verbreitet." Unter "Sicherheit der Einschätzung. Fazit" hieß es am 26. März 2010 noch: "Das Risiko einer Einschleppung von T. absoluta in den deutschen Tomatenanbau ist als hoch einzuschätzen, da einerseits Tomaten aus den Befallsländern Spanien und den Niederlanden in großen Mengen importiert werden. Außerdem wurden in der niederländischen Tomatenproduktion unter Glas in unmittelbarer Nähe zur Tomatenproduktion am Niederrhein in Deutschland bereits zahlreiche Miniermotten gefunden. In Deutschland sind hohe Schäden durch Ertragsverluste oder zusätzliche Pflanzenschutzkosten für den Tomatenanbau aber auch für die Beet- und Balkonpflanzenproduktion von Petunien zu erwarten. Eine Ausbreitung im Freiland während der Sommermonate ist durch die weite Verbreitung von Wirtspflanzen möglich, während eine Überwinterung aufgrund klimatischer Bedingungen auf das Gewächshaus beschränkt ist. T. absoluta erfüllt die grundsätzlichen Anforderungen eines QSO." Am 29. August 2013 wurde der Text dann abgeändert zu: "Tuta absoluta ist in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten bereits festgestellt worden und ist teilweise schon weitverbreitet (Italien, Spanien, Zypern). Außerdem gibt es effektive, vom Menschen nur bedingt beeinflussbare Übertragungswege. Klärung auf EU Ebene ist erfolgt, dass keine phytosanitären Regelungen mehr sinnvoll sind. Daher ist § 4a der Pflanzenbeschauverordnung (PBVO) nicht mehr anwendbar, d.h. es besteht keine Melde-, Bekämpfungs- oder Genehmigungspflicht mehr." Zu Deutschland ist konkret zu lesen: "Deutschland: Sept.- Okt. 2009 - Funde in Baden-Württemberg auf einem Großmarkt, in einer Verpackungshalle und in vier Produktionsbetrieben." und "tritt mittlerweile in 14 EU-MS auf. Siehe EPPO PQR (2013). In Deutschland ist die Tomatenminiermotte nicht dauerhaft etabliert, bei Befall werden lokal Bekämpfungsmaßnahmen ergriffen." [PDF auf pflanzengesundheit.jki.bund.de]
Auf der Seite der [Landwirtschaftskammer NRW Pflanzenschutzdienst: Info Ökologischer Gartenbau KW 12 Nr. 6 vom 20. März 2014] ist zu erfahren: "Der gefürchtete Kleinschmetterling Tuta absoluta (Tomaten-Miniermotte) ist inzwischen zum Hauptschädling des Mittelmeerraums an Tomaten aufgestiegen. Im letzten Sommer hat die Miniermotte verstärkt Einzug auch in Nordrhein-Westfalen gehalten." Und jetzt? Keine Katastrophe: "Am zuverlässigsten lässt sich Tuta absoluta mit Pheromonfallen (Typ: Deltafalle) diagnostizieren. Dispenser, die das Sexualhormon der Falter kontinuierlich verströmen, locken die Tiere an." Ergebnis aus 2013: "Das letzte Jahr hat gezeigt, dass selbst der aufgetretene Maximalbefall von 200 Faltern pro Woche und Pheromonfalle keinerlei wirtschaftliche Schäden verursacht hat. Es traten lediglich Miniergänge an den unteren Blättern auf. Wichtig ist jedoch, den Befall frühzeitig festzustellen, um rechtzeitig und richtig handeln zu können." Und zur Bekämpfung: "Am effektivsten lässt sich Tuta mit der Raubwanze Macrolophus pygmaeus (früher: caliginosus) kontrollieren, nach Erfahrungen ähnlicher Klima-Gebiete mit mehrjährigem Tuta-Vorkommen (Süd-Deutschland, Nord- und Süd-Schweiz)."
Schweiz
Die Tomaten-Palpenmotte wurde erstmals 2009 in der Schweiz festgestellt, dann aber gleich in mehreren hundert Exemplaren und vom Tessin (Schwerpunkt) über das Wallis bis ins Mittelland: [Agroscope 2010]. Gesucht wurde ab Juni (und bei Genf auch sofort erfolgreich) mittels Pheromon-Fallen in Tomaten-Zuchtanlagen sowohl inner- als auch direkt außerhalb der Gewächshäuser / Folientunnel. Und es wurde auch eine Prognose abgegeben: „Im Tessin und eingeschränkt im Wallis muss 2010 mit einem frühzeitigen Erscheinen des Schädlings gerechnet werden. Das Erscheinen der Tomatenminiermotte hängt jedoch davon ab, ob der Schädling in den im letzten Jahr befallenen Gewächshäusern und Tunnels überwintern konnte. Es scheint, dass der Schädling in keinem Stadium länger als einige Tage bei einer Temperatur von weniger als 0°C überleben kann. Zudem führt eine längere Zeitspanne mit Temperaturen unterhalb der Entwicklungsschwelle des Insektes (6-8°C) ebenfalls zu einer hohen Sterblichkeit. In den meisten Gewächshäusern und Tunnels unseres Landes herrschen allerdings während mehreren Wochen viel härtere Bedingungen. Falls sich herausstellen sollte, dass Tuta absoluta dem durchschnittlichen Schweizer Winter nicht gewachsen ist, müsste also die Kolonisation unseres Landes jedes Jahr von den chronisch befallenen Regionen im Ausland ausgehen. Der Schädling dürfte demnach erst spät in unseren Kulturen erscheinen, so dass keine grossen wirtschaftlichen Schäden entstehen sollten.“
Und jetzt? Um die Tomatenminiermotte in der Schweiz ist es ruhig geworden. Tierwelt.ch [Tierwelt.ch, 29. Juli 2013] greift das Thema noch einmal auf und schreibt unter der Überschrift "Tomatenkatastrophe trat nicht ein": "Als die Tomatenminiermotte 2009 erstmals in der Schweiz beobachtet worden ist, waren sich die Experten einig: Unheil droht. Nun, nach vier Jahren der Beobachtung, hat sich das ganze als Fehlalarm herausgestellt". Erläutert wird: Die Tomatenminiermotte (Tuta absoluta) ist ein solcher Schädling. 2009 wurde sie, die ursprünglich aus Südamerika stammt, erstmals in der Schweiz gefunden und liess die Alarmglocken der Experten läuten. In Frankreich, Spanien und Italien mussten nämlich viele Tomaten-Produktionsgebiete grosse Verluste hinnehmen, weil die Blätter und Früchte von den Larven dieser Schmetterlingsart zerfressen wurden. Auch in der Schweiz wurde Befall gemeldet, in Gewächshäusern in den Kantonen Genf, Tessin und Wallis. Einer dieser Fälle sorgte sogar für das Komplette Blattsterben dieser Kultur. Für das Folgejahr wurde also das Schlimmste befürchtet...". Pause. Dann die Zwischenüberschrift: "Die biologische Uhr tickt nicht nach Schweizer Zeit". Und weiter: "...Doch es traf nicht ein. Weil die Tomaten in der Schweiz eher spät gepflanzt werden und die Motte ausschlüpft, sobald die Temperatur regelmässig über 15 Grad steigt, schrammen Schädling und Opfer meist zeitlich aneinander vorbei. Die Tomatenminiermotte findet ihre Wirtspflanze nicht, die zu ihrer Fortpflanzung notwendig ist, wodurch ihr Bestand einbricht. Und selbst in den Gewächshäusern im Kanon Genf, wo bereits im Januar-Februar gepflanzt wird, wurde man dem Problem Herr: Die Schmetterlinge können mithilfe von Raubwanzen bekämpft werden. Diese werden schon lange zur Bekämpfung von Milben und weissen Fliegen eingesetzt und wirkt nun auch gegen die Eier der Tomatenminiermotte. [...] Die Gefahr der Tomatenminiermotte wurde bei ihrem Auftauchen überbewertet. Dennoch ist sie in der Schweiz weiterhin präsent und birgt ein Schadpotenzial in sich, das ausbrechen kann, sobald auch nur kleine Veränderungen in der Pflanzenschutzpraxis im Tomatenbau vorgenommen werden."
Und so geht es dann, wenn man nicht schaut [PDF von Gmuesblatt_07-14]: "Der Beratungsring Gemüse hat zwischen 2010 und 2012 auf einem Gewächshausbetrieb Fallen aufgestellt, die Überwachung wegen fehlendem Auftreten der Motte aber wieder eingestellt. Im Juli 2014 wünschten unabhängig voneinander drei Betriebe die Überwachung ihrer Kulturen, weil die Tomatenminiermotte beobachtet wurde und teilweise bereits grössere Schäden verursacht hatte." Man hat gelernt: "Die Tomatenminiermotte ist wärmeliebend und übersteht in unseren Breitengraden im Freiland den Winter nicht. Es ist aber möglich, dass adulte Tiere in geheizten Gewächshäusern in der Konstruktion überdauern, oder dass Puppen im Gewächshausboden überwintern. Es ist davon auszugehen, dass die Tomatenminiermotte auch im nächsten Jahr auftreten und sich weiter ausdehnen wird. Die Überwachung mit Pheromonfallen ist kurz vor oder spätestens bei der Pflanzung der Tomatenkulturen dringend zu empfehlen. Agroscope ACW empfiehlt für die Überwachung vier Fallen pro ha Kulturfläche. Die Fallen werden wöchentlich ausgewertet. Der Beratungsring Gemüse bietet Gewächshausproduzenten die Überwachung der Tomatenminiermotte an. Sie können über den Beratungsring aber auch das Fallenmaterial beziehen, wenn Sie die Kulturen selber überwachen wollen."
Österreich
Huemer (2013: 216): „In Österreich wurde die Art von der Agentur für Ernährungssicherheit (www.ages.at) erstmals 2010 aus dem Burgenland gemeldet. Da hier ein Überleben auch im Freiland nicht völlig auszuschließen ist, wird sie in die Checkliste aufgenommen.“
Gabl & Hausdorf (2013) schreiben in ihrer Zusammenfassung unter dem Titel „Erstnachweis von Tuta absoluta (Meyrick, 1917) in Österreich und erste Monitoring-Ergebnisse“: „Im August 2010 wurde in Österreich das Auftreten der Tomatenminiermotte Tuta absoluta (Meyrick) in einer Pheromonfalle in einem Gartenbaubetrieb im Bundesland Burgenland nachgewiesen. Dies ist der erste Nachweis für Österreich. Erste Monitoring-Ergebnisse werden in der Arbeit diskutiert.“ Die ersten Monitoring-Ergebnisse zeigen eine Anstieg der Fangzahlen und eine Ausweitung der Fangstellen in und um Wien seit 2010. Sie zeigen außerdem das hohe Ausbreitungsrisiko, das von Tomatenumverpackungsstellen ausgeht, aber auch: „Die Ergebnisse des durchgeführten Monitorings zeigen, dass es trotz eines Auftretens an verschiedenen Standorten, mit teilweise hohen Fangzahlen bezogen auf den Monitoringzeitraum in den verschiedenen Produktionsbetrieben zu keinen nennenswerten Schäden gekommen ist.“
Gros (2016) meldet den Erstnachweis aus dem Bundesland Salzburg vom Februar 2010 - Fundort war die Wohnung des Autors: "Land Salzburg, Gemeinde Koppl, Guggenthal, Wohnung des Beobachters, 570 müA, 15.02.2010: Ein Weibchen (leg. & det. P. Gros); Genitalpräparat N219 (Abb. 2)." Es handelt sich damit um den ältesten bekannten Nachweis der Art in Österreich.
weitere Länder
Die EPPO (2005) meldete zur Verbreitung in Süd-Amerika: "Argentina (introduced from Chile in 1964 according to García & Espul, 1982), Bolivia, Brazil, Chile, Colombia, Ecuador, Paraguay, Peru, Uruguay, Venezuela. T. absoluta is not present in Andean regions at high altitudes (above 1000 m), as low temperatures are a limiting factor for its survival (Notz, 1992)."
Bedenkt man, dass die Art noch vor wenigen Jahren auf Südamerika beschränkt war, ist die weltweite Verbreitungskarte des [Tuta absoluta information network] beeindruckend und erschreckend zugleich. Nachdem der Nahe und Mittlere Osten vom Mittelmeerraum her von der Art flächig eingenommen wurde, ist sie im Osten Afrikas jetzt auch südlich des Äquators zu finden (Kenia, Tansania).
Desneux et al. (2011) hatten in ihrem Artikel "The invasive South American tomato pinworm, Tuta absoluta, continues to spread in Afro-Eurasia and beyond: the new threat to tomato world production" zunächst einmal betont, dass die Art in ihrer südamerikanischen Heimat schon lange nicht mehr gefunden worden war, dann sich dort mit dem Tomatenanbau rasch ausbreitete: Tuta absoluta is thought to be native to Central America although records until recently are unsure and the pest has not been reported in this area for almost 50 years. Dissemination throughout South America was attributed to fruit commercialization (Cáceres 1992), but this has not been supported by any further datasets. Nevertheless, introductions into new regions appear to be somehow linked to importation of tomato fruits, with confirmed cases in Eurasia (UK, Netherlands, Russia, and Lithuania)." Fünf Jahre nach der ersten registrierten Eischleppung nach Europa listeten sie auf: "In 2007, T. absoluta was found in multiple locations in Spain, and in the following years in main Mediterranean coastal tomato-producing areas with populations quickly reaching damaging levels (Desneux et al. 2010). This occurred despite plant protection agencies’ efforts, demonstrating how fast T. absoluta populations can build up when resources are available. In Afro-Eurasia, the pest was reported by the end of 2011 (by academic scientists, extension scientists and/or government official reports) in Albania, Algeria, Bahrain, Bosnia and Herzegovina Bulgaria, Cyprus, Croatia, Denmark, Egypt, France, Germany, Greece, Hungary, Israel, Iraq, Italy, Jordan, Kosovo, Kuwait, Libya, Lithuania, Malta, Morocco, Netherlands, Portugal, Romania, Russia (Krasnodar area), Saudi Arabia, Serbia, Spain, Switzerland, Syria, Tunisia, Turkey, and United Kingdom (Buhl et al. 2010; Cîuljak et al. 2010; Desneux et al. 2010; Duric and Hrnic 2010; Erler et al. 2010; Keresi et al. 2010; Kilic‚ 2010; Ostrauskas and Ivinskis 2010; Seplyarsky et al. 2010; Izhevsky et al. 2011) (Fig. 1)." Besonders bemerkenswert ist auch die damals vorgenommene Prognose "Based on the current speed of spread observed in the mainland of the Afro-Eurasian super continent and on tomato crops not infested in Asia yet (1.9 M ha of tomato, with 20.9, 13.6, and 3.7% of the world tomato-planted surface in China, India, and Iran, respectively), T. absoluta may invade Iran in 2011 2012, India in 2013 2014, China in 2015 2016 and the pest would ultimately reach the Pacific Coast around 2016 2017. This would mainly depend on measures that the Indian and Chinese governments would take to slow down the spread in these countries." Tuta absoluta ist in allen diesen Ländern angekommen - nur wenig später als befürchtet.
Luna et al. (2012) berichten, dass der Erstnachweis in Argentinien erst 1964 erfolgte und dass die Art aber mittlerweile alle Tomaten-Anbaugebiete des Landes eingenommen hat. Zusammen mit italienischen Kollegen arbeiten sie an der Suche nach Parasitoiden, die zur Bekämpfung der Raupen eingesetzt werden könnten, nachdem es längst Resistenzen gegen die klassischen Pestizide gibt.
Nach Machekano et al. (2018) verläuft die Etablierung und Ausbreitung der Art in Botswana rasend schnell.
Tarusikirwa et al. (2020) fassen die explosionsartige Ausbreitung seit deren eher langsamem Beginn zusammen: "Tuta absoluta, commonly known as the South American tomato pinworm, is one of the most invasive destructive insect pests of tomato (Solanum lycopersicum (Solanaceae)) globally [13,15,16]. It is thought to have originated from the Andes region in Peru before spreading to Latin American countries during the 1960s [17,18]. Although it is an endemic Neotropical insect pest whose initial distribution was restricted to its native range in South America, it has successfully extended its geographical range following an unintentional introduction in the Mediterranean basin [15,19,20]. It acquired global pest status after detection in eastern Spain in late 2006 [15,21], following introduction as a single initial Chilean population in the early 2000s [22]. Thereafter, it rapidly spread throughout Europe [23,24]. Since then, the pest has rapidly spread east- and southward, tracking favourable biophysical environments [16]. During the last 10 years, T. absoluta has also spread in the Middle East and Asia at lightning speed, resulting in extensive naturalised populations in India, Iran, Israel, Syria, Turkey and Nepal [25–29]. Following its invasion in most European countries, T. absoluta successfully invaded the Afrotropics, reportedly via the Mediterranean Sea, with first detections reported in Tunisia, Algeria and Morocco in 2008–2009 [15,25,30,31]. Since then, further detections have been reported in Niger, Nigeria (2010), Senegal (2012) [32], Sudan, Ethiopia (2011) [32], Kenya (2013) [33], Tanzania (2014) [34], Uganda (2015) [33], Zambia, Botswana, Mozambique, South Africa, Malawi (2016) [13,35–37] and Angola (2017) [13], thereby elevating its continental pest status. This rapid north–south and downward incursion between 2008 and 2017 poses a biosecurity threat to natural and agroecosystems in pest-free countries. On a global scale, this pest is believed to have increased from primarily infesting only 3% of the worldwide tomato cultivated areas to 60% within 10 years [16], with the most recent in China, a major tomato growing country [38]."
ZHANG et al. (2020) hatten den ersten Nachweis größerer Schäden im Land mit der weltweit größten Tomatenproduktion - in China ebenfalls mit einem Blick in die Ausbreitungsgeschichte garniert: "The South American tomato leafminer, Tuta absoluta (Meyrick) (Lepidoptera: Gelechiidae), has been an important pest of tomato in South America since the 1950s (Garcia and Espul 1982; Desneux et al. 2010), and in Europe since 2006. Presently, this pest poses a serious threat not only to the Afro-Eurasian supercontinent, but also to global tomato production (Desneux et al. 2010, 2011; Campos et al. 2017; Biondi et al. 2018; Mansour et al. 2018). Tuta absoluta was reported in Israel in 2009 (Seplyarsky et al. 2010; CABI 2019), after which it spread steadily across 15 western Asian countries between 2010 and 2015 (Campos et al. 2017; Han et al. 2019). It has also been reported recently in several places in southern Asia, including India in 2014 (western India) (Sridhar et al. 2014; Kalleshwaraswamy et al. 2015) and 2017 (northeastern India) (Sankarganesh et al. 2017); Bangladesh (Hossain et al. 2016) and Nepal (Bajracharya et al. 2016) in 2016; central Asia in Turkmenistan in 2015 (Bratu et al. 2015); and Kyrgyzstan in 2017 (Uulu et al. 2017). There were also reports of its suspected occurrence in Pakistan (southern Asia) in 2014, Oman in 2014 and Azerbaijan in 2016 (western Asia), Tajikistan and Uzbekistan in 2016 (Campos et al. 2017) and Kazakhstan in 2017 (central Asia) (unpublished data), as well as in Burma (eastern Asia) in 2017 (Biondi et al. 2018; Han et al. 2019). In light of these reports, China has been considered at high risk of being invaded by T. absoluta for the past few years (Xian et al. 2017, 2019; Han et al. 2018, 2019).
(Autor: Erwin Rennwald)
4.4. Literatur
- Březíková, M. (2019): Makadlovka jihoamerická – nový invazní škůdce rajčat. Agromanuál 14(1): 32-34. [Artikel auf agromanual.cz]
- Corro Chang, P.E. & M.A. Metz (2021): Classification of Tuta absoluta (Meyrick, 1917) (Lepidoptera: Gelechiidae: Gelechiinae: Gnorimoschemini) Based on Cladistic Analysis of Morphology. — Proceedings of the Entomological Society of Washington, 123(1): 41-54.
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