Version 36 / 42 vom 18. August 2023 um 16:48:05 von Erwin Rennwald
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Falter
Geschlecht nicht bestimmt
Erstbeschreibung als Grapholitha perangustana
Nomen novum (wegen kurzzeitiger sekundärer Homonymie)
Inhalt

1. Lebendfotos

1.1. Falter

2. Diagnose

2.1. Geschlecht nicht bestimmt

2.2. Erstbeschreibung als Grapholitha perangustana

2.3. Nomen novum (wegen kurzzeitiger sekundärer Homonymie)

3. Biologie

3.1. Nahrung der Raupe

  • [Pinaceae:] Larix decidua (Europäische Lärche)
  • [Pinaceae:] Larix sibirica (Sibirische Lärche)

Die Raupen leben in den heranreifenden Zapfen von Lärchen. Nach den Abbildungen in Schaffers & Muus (2018) verraten sie sich durch an Gespinstfäden zwischen den Zapfenschuppen hängendem Fraßmehl / Kot. (Achtung: auch Dioryctria abietella kann Lärchenzapfen befallen!)

Da die Falter kaum ans Licht kommen und wahrscheinlich zumeist im Kronenraum der Lärchen bleiben, erfolgt der Artnachweis wahrscheinlich viel leichter über die Raupen.

4. Weitere Informationen

4.1. Andere Kombinationen

4.2. Synonyme

4.3. Taxonomie und Nomenklatur

Die Art wurde von Snellen (1883) als "Grapholitha perangustana" beschrieben und in Europa bis jüngst durchweg unter dem Namen "Retinia perangustana (Snellen, 1883)" geführt. Haslberger et al. (2017: 25) kamen aber zum Schluss, dass dieser Name "gemäß den Regeln des Internationalen Codes der zoologischen Nomenklatur (ICZN 1999) nicht verwendbar" sei und begründeten: "Ursprünglich in der Gattung Grapholitha beschrieben, wurde G. perangustana später in die Gattung Eucosma überführt, wodurch der Name zum sekundären Homonym von Eucosma perangustana (Walsingham, 1879) und ein Ersatzname für perangustana Snellen nötig wurde (Meyrick 1932: 224). Auch wenn zwischenzeitlich die beiden fraglichen Taxa nicht mehr in derselben Gattung stehen, muss aufgrund von Artikel 59.3 des Codes das im amerikanischen Raum stets gebrauchte Epithet impropria erhalten werden (ICZN 1999: 62)."

Die nordamerikanische Art Semasia perangustana Walsingham, 1879 wird seit Meyrick (1932) durchgehend in der Kombination "Eucosma perangustana (Walsingham, 1879)" geführt, so dass klar ist, dass man dort - wenn es um die in Eurasien verbreitete Art ging - die Kombination "Eucosma impropria Meyrick, 1932" verwendete. Dies scheint aber - wenn man von Meyrick (1932) absieht - kaum jemals der Fall gewesen zu sein. Tatsächlich scheint in Europa niemand der Meinung von Meyrick (1932) gefolgt zu sein, dass "Grapholitha perangustana" in die Gattung Eucosma gehört. Insofern trat das Problem einer sekundären Homonymie hier praktisch gar nicht auf. Mittlerweile wird das Taxon hier längst durchgehend als Retinia perangustana geführt.

Was konkret sagt ICZN, 59.3? "59.3. Secondary homonyms replaced before 1961 but no longer considered congeneric

A junior secondary homonym replaced before 1961 is permanently invalid unless the substitute name is not in use and the relevant taxa are no longer considered congeneric, in which case the junior homonym is not to be rejected on grounds of that replacement."

Eucosma perangustana (Walsingham, 1879) und Eucosma perangustana (Snellen, 1883) sind sekundäre Homonyme. Die Homonymie ist durch die Überführung beider Taxa aus unterschiedlichen Gattungen in die Gattung Eucosma durch Meyrick (1932: 224) entstanden, durch ihn erkannt und durch einen Ersatznamen für das später beschriebene Taxon gelöst worden. Die europäischen Autoren folgten Meyrick (1932: 224) nicht, da sie ihre Art weiterhin nicht in der Gattung Eucosma angesiedelt sahen, also gar keinen Grund für die Notwendigkeit eines Ersatznamens fanden. Während die nordamerikanische Art bis heute mit Eucosma kombiniert ist, wird für die eurasische Art seit langem durchgehend "Retinia perangustana" verwendet.

Daraus folgt, dass beide Arten heute in getrennten Gattungen zu finden sind. Ob der Ersatzname anzuwenden ist, hängt damit einzig und alleine davon ab, ob er in der Folge im Gebrauch ("in use") war oder nicht. In Europa ist das sicher nicht der Fall, in Asien anscheinend auch nicht. Und in Nordamerika gab es keinen Grund, das eurasische Taxon laufend zu erwähnen, da es in Amerika ja noch gar nie vorkam. Welt-Gesamtlisten der Tortricidae - oder auch nur der Gattung Eucosma, die ein "in use" rechtfertigen könnten, gab es seit Meyrick (1932) so selten, dass daraus kein "in use" abzuleiten ist. Einzige Ausnahme scheint der "World Catalogue of Insects. Volume 5. Tortricidae (Lepidoptera) von Brown et al. (2005) und seine 3 digitalen Nachfolger zu sein [siehe: Gilligan, T. M., J. Baixeras, & J. W. Brown. 2018. T@RTS: Online World Catalogue of the Tortricidae (Ver. 4.0). [http://www.tortricid.net/catalogue.asp].]; dort wird der Fall nicht diskutiert und der Eintrag wurde in Europa schlichtweg ignoriert.

Ich stimme der Argumentation von Erik J. van Nieukerken zu, dass es hier keinen Zwang gibt, auf den Ersatznamen zurückzugreifen. ICZN 59.3 erlaubt hier ausdrücklich, den nicht gebrauchten Ersatznamen weiterhin ungebraucht zu lassen. Dafür spricht auch die weite Verbreitung des Namens Retinia perangustana in der forstwirtschaftlichen, also angewandten Literatur. Selbst wenn die eurasische Art jemals nach Nordamerika oder umgekehrt die nordamerikanische Art nach Europa oder Asien verschleppt würden gäbe es keinerlei Verwirrung bezüglich der Namen.

4.4. Faunistik

Die an Lärchen gebundene Art wird nur relativ selten gefunden. Sie wurde 1883 von Pokrowsk (Pokrovka, Покровка, Region Transbaikalien) und Albasin (Albazino, Албазино, Oblast Amur) beschrieben, also 2 sehr winterkalten Orten am Amur an der russischen Grenze zu China. Meldungen aus Mittel-, West- und Nordeuropa folgten erst fast hundert Jahre später, so dass unsicher bleibt, ob die Art hier "schon immer" bodenständig war, oder erst spät eingeschleppt wurde. Schaffers & Muus (2018) stellen in ihrer Karte für Mitteleuropa, West- und Nordeuropa alle 40 von ihnen in Erfahrung gebrachten Fundpunkte zusammen und nennen darin für jedes Land den frühesten Fund; in der Reihenfolge des Erstnachweises sind das: Polen (1973), Tschechien (1975), Frankreich (Briancon: 1976), Österreich (1977), Schweden (1980), Schweiz (1989), Deutschland (1990), Slowakei (2009), Ungarn (2012), Italien (Südtirol: 2014), Finnland (2014), Niederlande (2016).

Außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebiets dieses Baums ist der Falter erst spät aufgetaucht, lange nachdem Lärchen in Parks und auch Forsten Einzug gehalten haben. Dies wird verständlich dadurch, dass die Raupen an Zapfen, also fruchtende Bäume gebunden sind.

Gaedike (2008) führt den oben unter Diagnosebild 1 gezeigten Nachweis vom 3. Mai 2002 aus Sachsen als Erstnachweis für Deutschland an. Roweck & Savenkov (2013) können ergänzen: "Ritzerau, Wald: 27.04.2009, 1 ♂, 21.04.2011 2 Ex., 23. 04.2011 3 Ex., 08.05.2011 3 Ex.; 10. & 23.05.2011, 26.05.2011, jeweils 1 Ex. (Belege in ECKU). Verbr.: Wauer (2003) berichtet über den Erstfund für die deutsche Fauna in SN (Herrnhut, Hengstberg) 2002, 2 Nachweise liegen aus Mittelschweden vor, ferner AU, FR, CH, PL und SO-Europa. Unsere Funde in Ritzerau deuten auf ein stabiles Vorkommen vor Ort. Die Larven entwickeln sich in Lärchen-Zapfen (Larix decidua und L. sibirica). Die Falter halten sich bevorzugt im Kronenraum der Bäume auf und verlassen diesen offenbar nur zögerlich; trotz einiger unmittelbar am Lichtfallenstandort wachsender Larix decidua-Exemplare konnten stets nur einzelne oder wenige Tiere gefangen werden." Lärchen sind weder in Sachsen noch in Schleswig-Holstein heimisch, sie werden aber in Deutschland vielerorts gepflanzt.

Schaffers & Muus (2018) hatten in ihrer Karte den Erstfund in Deutschland ebenfalls mit 2002 angesetzt, im Text aber schon 1990: "Germany (Kirkel an der Saar and Bad Rappenau) in 1990 (A. Roques personal communication)". Dies verwundert - jedenfalls ist von diesen (angeblichen) frühen Funden weder etwas im Saarland noch in Baden-Württemberg bekannt.

Huemer (2013) schreibt zu Österreich: "Die Art wurde von Wimmer (2008) erstmals im Nationalpark Kalkalpen in Oberösterreich nachgewiesen, aber auch von Deutsch (2012b) in Osttirol (Dölsach, Görtschacher Berg, 850 m, 1.5.2005) belegt." (siehe dazu das Falterbild oben). Huemer (2016) berichtet über den Erstnachweis für Nordtirol. Schaffers & Muus (2018) schreiben zum Erstfund in Österreich: "Austria (Rettenbachtal) in 1977 (P. Huemer personal communication)".

Huemer (2016) meldet den Erstnachweis für Südtirol und damit für Italien.

Schaffers & Muus (2018) berichten über den Erstnachweis der Art in den Niederlanden: Am 11. Mai 2016 flogen beim Lichtfang in einer 80 Jahre alten Lärchenplantage im Naturschutzgebiet Loenermark (Provinz Gelderland) 3 Falter ans Licht.

Wie kommt der Falter in die Niederlande? Die nächsten - ebenfalls stark isolierten und auf Lärchen-Anpflanzungen begründeten - Vorkommen liegen mehr als 300 km entfernt. Da die Raupen in Lärchen-Zapfen leben, ist zwangsläufig eine Verschleppung mit diesen in Betracht zu ziehen. Sie kann aber nur dann Erfolg haben, wenn die schlüpfenden Falter auf schon ältere, bereits fruchtreife Lärchenpflanzungen treffen. Sind hier Arboreten die treibende Kraft?

(Autor: Erwin Rennwald)

4.5. Literatur