Version 49 / 51 vom 27. Mai 2022 um 19:04:24 von Erwin Rennwald
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Falter
Kopula
Ausgewachsene Raupe
Erstbeschreibung
Erstbeschreibung der Unterart ogygia
Habitat
Inhalt

1. Lebendfotos

1.1. Falter

1.2. Kopula

1.3. Ausgewachsene Raupe

2. Diagnose

Nachdem M. phoebe und "M. telona" (damals noch inkl. M. ornata) zunächst "nur" genetisch und über die Raupen (siehe Taxonomie) getrennt wurden, fanden Tóth & Varga (2010) auch kleine Unterschiede in den männlichen und weiblichen Genitalien. [pdf-Version] Noch herrscht hier aber große Unsicherheit in der Zuordnung der Unterarten und Arten.

2.1. Erstbeschreibung

2.2. Erstbeschreibung der Unterart ogygia

3. Biologie

3.1. Habitat

4. Weitere Informationen

4.1. Synonyme

4.2. Taxonomie und Verbreitung

Die Gruppe um Melitaea phoebe war in den letzten beiden Jahrzehnten Gegenstand diverser Studien und regelmäßiger Umbenennung einiger Taxa. Noch immer zeichnet sich hier keine Stabilität ab, auch nicht nach der umfangreicheren genetischen Studie von Leneveu et al. (2009) und auch nicht nach Toth et al. (2014) und Hinojosa et al. (2022). Klar ist im Moment nur:

  • Die aus Lambessa (Algerien) beschriebene Melitaea punica ist eine eigenständige Art und als solche auf Marokko und Algerien beschränkt. Alle europäischen Angaben zu „M. punica“ beziehen sich auf andere Arten.
  • Die aus Jerusalem (Israel) beschriebene Melitaea telona ist eine eigenständige Art und als solche auf Israel (und direkte Nachbarregionen?) beschränkt. Alle europäischen Angaben zu „M. telona“ beziehen sich auf andere Arten, zumeist M. ornata.
  • Die als Melitaea phoebe aus Wien (Österreich) beschriebene Art ist von Portugal und Spanien bis jenseits des Ural verbreitet. Hierher gehören die Namen occitanica (europäische Mittelmeer-Anrainerstaaten), aetherea (südöstliches europäisches Russland und Umgebung) und ottonis (östliche Türkei und Kaukasus, teilweise unter eigenem Artnamen Melitaea pseudosibina), die von Tshikolovets (2011) neben phoebe i.e.S. (von West-Frankreich durch das südliche Mitteleuropa bis über den Ural hinaus) als Unterarten angesehen werden.
  • In Europa gibt es noch mindestens eine weitere Art, die je nach Autor unter M. telona, M. ornata oder M. ogygia gehandelt wird. Hierher gehören auch die Namen emipunica und kovacsi, die ebenfalls teilweise als eigenständige Arten angesehen werden. Aktuell gültiger Name ist hier Melitaea ornata.
  • Meldungen zu Melitaea ornata gehören zu Melitaea pseudornata.

Hier wurde zunächst – aus rein pragmatischen Gründen – der Einteilung von Tshikolovets (2011) in die Arten Melitaea phoebe, Melitaea punica (nur Nordafrika) und M. ornata mit 5 M. ornata zugeordneten Unterarten gefolgt - Nachdem M. telona aber als eigenständige Art abgetrennt wurde, verbleiben davon nur noch 4:

  • M. ornata ornata Christoph, 1893 [Südosten des europäischen Teils von Russland, Kasachstan]
  • M. ornata ogygia Fruhstorfer, 1908 [Griechenland inkl. westägäische Inseln, europäische Türkei (?), SW-Bulgarien, Mazedonien]
  • M. ornata emipunica Verity, 1919 [Sizilien, süditalienisches Festland, Provence (Südfrankreich)]
  • M. ornata kovacsi Varga, 1967 [Nord-Ungarn]

Fasst man diese 4 Taxa (ogygia, ornata, emipunica und kovacsi) alle als Unterarten einer einzigen Art auf – so wie es Tshikolovets (2011) tut, muss diese den ältesten verfügbaren Namen bekommen, also Melitaea ornata Christoph, 1893. Ob die Tiere aus dem Südosten des europäischen Teil Russlands und Kasachstans aber tatsächlich mit den weit über 1000 km entfernten Tieren aus dem restlichen Teil Europas oder den Tieren aus der Türkei oder dem Nahen Osten artlich übereinstimmen, ist noch keineswegs sicher. Auch Tshikolovets (2011) schreibt daher zu seiner ssp. ornata: „taxonomic status and distribution require further study.”

Weil die meisten anderen Autoren für die restlichen Taxa keinen Zusammenhang mit der russischen M. ornata herstellten, benutzten sie zwischen 1990 und 2020 überwiegend den jüngeren Namen Melitaea telona Fruhstorfer, 1908, so z.B. auch in der Fauna Europaea [Fauna Europaea, last update 23 July 2012, Version 2.5]. Dabei blieb dann aber leider unklar, ob die russische M.ornata einfach vergessen wurde, oder ob die Daten zu M. phoebe gestellt wurden (wohin sie bestimmt nicht gehören) – bei M. telona wird in der Fauna Europaea Russland als Fundort jedenfalls nicht erwähnt. Anders van Oorschot & Coutsis (2014): Sie lehnen die Synonymisierung der beiden Taxa als zu unsicher ab, weil letzten Endes nicht klar ist, ob "ornata"-Raupen vom Typenfundort rote oder schwarze Köpfe haben, die Synonymisierung also auf wackeligen Beinen steht. Sie könnten hierin recht haben. Letzten Endes wird hier die genetische Untersuchung von Typenmaterial die Entscheidung bringen müssen.

Für Melitaea phoebe telona Fruhstorfer, 1908, - jetzt Melitaea telona - wird als Typenfundort “Jerusalem, Palästina” genannt. Der Autor beschrieb auf der gleichen Seite eine weitere Unterart Melitaea phoebe ogygia Fruhstorfer, 1908, diesmal von der Insel Poros im Nordosten des Peloponnes (Griechenland). Die von Tshikolovets (2011) gezeigten Verbreitungsbilder von M. ornata telona (von Israel an entlang der Mittelmeerostküste nach Norden, flächig quer durch den asiatischen Teil der Türkei und den Iran, in Europa nur auf einigen der Türkei vorgelagerten ostägäischen Inseln (Lesbos, Chios) und Melitaea ornata ogygia (westägäische Inseln, Peloponnes und zentrales Griechenland, wahrscheinlich auch kleinflächig im europäischen Teil der Türkei und S.-W. Bulgarien) berühren sich fast - sie umfassen jedenfalls auch Teile, die im Iran heute zu Melitaea abbas gerechnet werden. Die restlichen Vorkommen der Gruppe verteilen sich auf mehrere kleine und isolierte Arealbereiche in Europa. Autoren, die M. telona und M. ogygia auf Artebene trennen, fassen die Vorkommen von Griechenland, Süditalien und Südfrankreich teilweise unter dem Namen M. ogygia zusammen, andere bevorzugen, die griechischen Tiere mit den türkischen und nahöstlichen Tieren zur M. telona zu vereinigen und ihnen eine eigenständige Art mit Verbreitung in Sizilien, dem süditalienischen Festland und der Provence (Süd-Frankreich) mit Namen Melitaea emipunica Verity, 1919, gegenüberzustellen.

M. ornata kovacsi von Nordungarn erscheint nach den neuen Nachweise von „M. telona“ in Mazedonien nicht mehr ganz so isoliert wie bisher vermutet.

Ein Vergleich in andere Quellen ergibt Folgendes:

Varga et al. (2005) nennen das südosteuropäische Taxon „Melitaea ogygia kovacsi“ und berichten: Oberthür (1876) beschrieb bei Melitaea phoebe eine „varietas punica“. Typenfundort war Lambessa in Algerien. Hesselbarth et al. (1995) wiesen darauf hin, dass in Kleinasien Melitaea phoebe und „Melitaea punica ogygia“ häufig nebeneinander vorkommen. Sie erwähnten, dass bereits Varga (1967) das Vorkommen einer „zweiten Art“ im Karpathenbecken aufgezeigt hat, die er Melitaea kovacsi nannte. „punica Oberthür, 1876“ steht als infrasubspezifisches Taxon als Artname nicht zur Verfügung. Fruhstorfer (1907) [recte 1908] beschrieb Melitaea phoebe telona (Typenfundort Jerusalem) und Melitaea phoebe ogygia (Typenfundort Poros, Griechenland) auf der gleichen Seite [Int. Ent. Z. Guben 1: 310]. Da der Code (ICZN) keine Zeilenpriorität vorsieht, bleibt es im Falle einer Synonymisierung späteren Autoren überlassen, welchen der beiden Namen sie verwenden. Varga et al. (2005) begründen ihre Verwendung von Melitaea ogygia damit, dass schon Bálint (1996) es für das Taxon im Bereich von Karpathenbecken, Balkan und Kleinasien genauso handhabte. „The specific status of the eastern Mediterranean taxon was also confirmed by molekular data (Wahlberg & Zimmermann 2000), based on some specimens of libanon identified as “M. punica”. These data refer, however, to the Ponto-Mediterranean M. ogygia (= M. telona). Thus, the taxonomic status of Melitaea punica remained unclear.”

Bei Betrachtung der Arbeit von Wahlberg & Zimmermann (2000) wird vor allem klar, dass „Melitaea punica“ [also M. ogygia] und Melitaea phoebe nahe miteinander verwandt sind (und die Untergattung Cinclidia stellen). [Wie nahe diese Verwandtschaft ist, wird mir aus den Kladogrammen nicht klar.]

Abadjiev (2000) weist “Melitaea punica telona Fruhstorfer, 1908“ in Bulgarien nach, Rakosy & Varga (2001) nennen „Melitaea (punica) telona Fruhstorfer, 1908“ aus Rumänien.

Die osteuropäischen Tiere der ssp. kovacsi scheinen an Cirsium pannonicum zu fressen, Vertreter der anderen Unterarten vornehmlich oder ausschließlich an diversen seltenen Centaurea-Arten.

Auf der französischen Seite [Lépi'Net - Les Carnets du Lépidoptériste Français] wurde noch eine Begründung gegeben, warum „unsere“ Tiere M. ogygia und nicht M. telona heißen sollten: die meisten Fachleute tendieren dazu, die Tiere des Mittleren Ostens und die Südosteuropas nicht als konspezifisch anzusehen! Diese Begründung steht jetzt nicht mehr so explizit da.

Melitaea ogygia wird aus der Provence (Var) gemeldet. Die Raupen haben einen roten Kopf und erinnern ansonsten an eine nicht richtig schwarz gefärbte M. cinxia-Raupe. Tja, und damit gibt es noch immer zwei völlig verschiedene Raupenformen von „Melitaea phoebe“, beide mit schwarzem Kopf! Wann wird ein Teil dieser Tiere einen neuen Namen tragen?

Kudrna et al. (2011) gliedern die M. phoebe-Gruppe in 3 Arten: M. phoebe, die südosteuropäische M. telona und Melitaea emipunica von Sizilien.

Leraut (2016) gliedert die M. phoebe-Gruppe ebenfalls in 3 Arten: M. phoebe, die nordafrikanische M. punica und eine südwest- bis südosteuropäische Art im Sinne der weit gefassten M. ornata, dem er hier trotzdem den jüngeren Namen M. telona verpasst.

Popović & Verovnik (2018) melden das erste gesicherte Vorkommen für Serbien; jenes Exemplar wurde auch dem Barcoding zugeführt. Der in jener Arbeit dargestellte neighbour-joining tree wirft aber bezüglich mancher Vorkommen von M. ornata in Südeuropa mehr Fragen auf als er löst.

Russell & Bartolozzi (2019) stellen fest, dass die beiden Syntypen des Taxon "Melitaea phoebe nigrogygia Verity, 1939" (locus typicus: Abbazia, Istrien = Opatija, Kroatien) entweder zu zwei verschiedenen Arten gehören (M. phoebe und M. ornata) oder dass es sich (teilweise) um Hybriden zwischen den beiden Arten handeln könnte. Sie legen einen Lectotypus fest, den sie M. ornata zuordnen.

Nach Tóth et al. (2014) und Hinojosa et al. (2022) umfasst die M. phoebe-Gruppe neben der auf Spanien beschränkten Melitaea pseudornata in Europa aktuell nur zwei weit verbreitete Arten - Melitaea phoebe und Melitaea ornata. Letztere ist weitgehend auf die Osthälfte Europas beschränkt und erreicht im Westen Sizilien und den Süden Italiens. Ein völlig isoliertes Vorkommen wurde im Département Var in Südfrankreich festgestellt, zu dem es jetzt aber sehr viele offene Fragen gibt.

(Autor: Erwin Rennwald)

4.3. Literatur