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Falter
Kopula
Männchen
Weibchen
Beschreibung als infrasubspezifisches Taxon
Beschreibung als Acidalia bilinearia
Erstbeschreibung
Inhalt

1. Lebendfotos

1.1. Falter

1.2. Kopula

2. Diagnose

2.1. Männchen

2.2. Weibchen

2.3. Beschreibung als infrasubspezifisches Taxon

2.4. Beschreibung als Acidalia bilinearia

2.5. Erstbeschreibung

3. Weitere Informationen

3.1. Etymologie (Namenserklärung)

„ruber rot.“

Spuler 2 (1910: 19R)

3.2. Andere Kombinationen

3.3. Synonyme

3.4. Taxonomie und Nomenklatur

In den allermeisten Referenzwerken, so auch in Karsholt & Razowski (1996), läuft das Tier unter dem Artnamen "rubraria". Nach Hausmann (2004) wurde die Art zuerst von Staudinger (1871) so genannt, allerdings nicht gültig nach dem Code (ICZN) beschrieben (infrasubspezifisches Taxon). Der Name wurde dann von Staudinger (1901) validiert. Zwischenzeitlich hatte Fuchs (1878) die Art erneut beschrieben, diesmal unter dem Namen "bilinearia". Auch hier wurde das zunächst infrasubspezifische Taxon erst später - von Fuchs (1889) - validiert. Da "bilinearia" zuerst validiert wurde, wäre dieser Name eigentlich prioritätsberechtigt. Folglich wurde er in einigen neueren Veröffentlichungen auch "ausgegraben", etwa von Leraut (1997), Scobble (1999), Ebert (2001) [Zitate hierzu siehe bei Hausmann (2004)]. Um genau das zu verhindern - nämlich das plötzliche Verschwindenlassen von gültigen und über viele Jahrzehnte gebräuchlichen Namen nach Entdeckung älterer, zwischenzeitlich aber "vergessener" Namen - wurde im ICZN das Instrument des nomen conservandum geschaffen. Hausmann (2004) legt einen Lectotypus fest und empfiehlt dringend, den gebräuchlichen Namen als nomen conservandum zu erhalten. Dem wird hier - trotz einiger Bedenken - gefolgt. Die Details zur verworrenen Geschichte der Namensgebung seien hier aber ausführlich zusammengetragen:

Rößler ([1867]: 309-310) hatte ein schon etwas abgeflogenes Weibchen von Idaea degeneraria zur Eiablage gebracht und daraus eine neue Generation gezüchtet. In seinem „Verzeichniß der Schmetterlinge des Herzogthums Nassau“ lieferte er dazu eine detaillierte Beschreibung der Raupe. Doch wie sich später zeigen sollte (Fuchs 1889), hatte er gar nicht die Raupe jener Art beschrieben, sondern die der damals noch unbenannten Idaea rubraria.

Im Katalog von Staudinger & Wocke (1871: 149) tauchte dann zum ersten Mal der Name rubraria auf, und zwar als „ab. (♀) Rubraria von Idaea degeneraria, also als infrasubspezifisches Taxon. Rössler kannte diesen Katalog natürlich und erwähnt es auch in seinem „Verzeichniss um Bilbao gefundener Schmetterlinge“ (Rössler 1877: 366): „Degenerata H. röther als hier bis zur var. rubraria Staud.“. Daraus ist zu schließen, dass er seine Falter aus der Umgebung von Wiesbaden noch immer nicht mit dem neuen Taxon in Verbindung brachte.

Fuchs (1878: 331-333) beschreibt dann „Acidalia degeneraria Hb. ab. bilinearia“, also ebenfalls ein infrasubspezifisches Taxon. Er bemerkt dazu: „Ich habe von dieser schönen Abänderung 2 ♂, welche sich von der Stammart so weit entfernen, dass erst eine genaue Betrachtung ihre Zugehörigkeit zu Degeneraria ausser Zweifel stellt.“ Er wundert sich: „Die beiden Schmetterlinge sind in der ersten Woche des August bei Bornich gefangen, gehören also zur zweiten Generation. Wenn ich auch nicht bezweifle, dass die beschriebene Abänderung durch den Einfluss der Sommerwärme hervorgebracht wird, so tritt die 2. Generation doch nur selten in dieser Form auf; […] Erzogen habe ich nie etwas anderes als Degeneraria, obwohl mir die zweite Generation 1875 in Menge ausging. Das scheint zu der Vermuthung zu berechtigen, dass sich ab. Bilinearia nur im Freien durch die Einwirkung einer aussergewöhnlichen Wärme ausbilden kann, welche die Grundfarbe steigert, die gewöhnliche Verdunkelung des Mittelfeldes dagegen aufhebt.“ Und dann schreibt er weiter: „Mit ab. Rubraria Stdgr. Ist meine Bilinearia, wie schon die verschiedene Angabe der Färbung zeigt, nicht zu verwechseln.“ Es folgt eine ausführliche Beschreibung der echten Idaea degeneraria-Raupe.

Fuchs (1889: 211-218) beschrieb die Art dann zum ersten Mal gültig unter der Überschrift „IX. Acidalia bilinearia Fuchs, eine gute Art“. Und er beginnt: „Es ist das Unglück dieser noch immer verkannten Art, dass derjenige, welcher sie zuerst durch Aufzucht aus den Eiern zu beobachten Gelegenheit hatte und vorzüglich befähigt gewesen wäre, uns ihre Benennung und Beschreibung zu geben, einen Irrthum in der Bestimmung des ♀, von welchem er seine Eier erhielt, beging. Roessler – ich gebe in dem folgenden seine eigene Darstellung, wie er sie, nachdem es mir endlich gelungen war, ihn von der Acidalia bilinearia zu überzeugen, mir mündlich gemacht, mit der ausdrücklichen Ermächtigung zu ihrer Publication – Roessler fing jetzt vor einem Menschenalter in der Wiesbadener Gegend, wo die Art noch heute vorkommt, einige abgeflogene Stücke, darunter ein ♀, welche er um der Aehnlichkeit ihrer Zeichnungsanlage mit derjenigen der Degeneraria willen als diese ansah.“ Die Beschreibung der neuen Art ist sehr engagiert und umfassend – der Autor kannte die Art also gut. Und wir erfahren von Fuchs (1889) auch etwas zur Herkunft der Tiere im Katalog von Staudinger & Wocke (1871): „Staudinger benennt und beschreibt im Catalog als Rubraria eine fast ganz rothe Degeneraria-Aberration mit ausgelöschtem Mittelfelde. Seine beiden Originalia stammen, wie er mir auf Anfrage brieflich mittheilte, aus unserer Gegend, sind ihm also wohl von Roessler zugesandt […]“.

In der 3. Ausgabe des „Katalogs“ durch Staudinger & Rebel (1901: 272) wird wieder der (älteste) Name Rubraria Stdgr.“ verwendet, diesmal aber – ohne Kommentar – auf Artniveau. „Bilinearia Fuchs“ wird als Synonym geführt. Da der Staudinger-Katalog sehr viel weiter verbreitet war als die Arbeiten von Fuchs und „Rubraria“ ja auch tatsächlich der ältere (wenn auch nach den dezeitigen Nomenklaturregeln erst ab 1901 gültige) Name ist, wurde er in der Folge praktisch ausschließlich verwendet. So beschreibt auch Ferdinand Fuchs (1904:18-19) – Sohn von August Fuchs – eine „Acidalia rubraria Stdgr. var. therinaria”, die er mit der “Forma bilinearia Fuchs” vergleicht.

August Fuchs war hier also sicher derjenige, der als Erster die Artberechtigung des Taxons erkannte und alles Wesentliche für die Differenzialdiagnose gegenüber I. degeneraria zusammentrug. Insofern wäre es schön, wenn die Artbenennung auch seinem Vorschlag folgen würde. Doch der Wunsch nach Stabilität der verwendeten Namen spricht hier sehr klar dafür, I. rubraria als nomen conservandum zu erhalten.

(Autor: Erwin Rennwald)

3.5. Literatur

  • Beschreibung als infrasubspezifisches Taxon: Fuchs, A. (1878): Lepidopterologische Mittheilungen aus dem nassauischen Rheintale, Fortsetzung. — Stettiner Entomologische Zeitung, 39 (7-9): 329-344.
  • Beschreibung als Acidalia bilinearia: Fuchs, A. (1889): Lepidopterologische Beobachtungen aus dem unteren Rheingau. — Jahrbücher des Nassauischen Vereins für Naturkunde 42: 191-224; Wiesbaden.
  • Fuchs, F. (1904): Neue Schmetterlingsformen. — Societas entomologica, 19 (3): 18-19.
  • Rößler, A. ([1867]): Verzeichniß der Schmetterlinge des Herzogthums Nassau, mit besonderer Berücksichtigung der biologischen Verhältnisse und der Entwicklungsgeschichte. — Jahrbücher des Nassauischen Vereins für Naturkunde 19/20: 99-442. Wiesbaden. [Digitalisat auf biodiversitylibrary.org]
  • Rössler, A. (1877): Verzeichniss um Bilbao gefundener Schmetterlinge. — Stettiner Entomologische Zeitung 38: 359-380.
  • Erstbeschreibung: Staudinger, O. (1901): Catalog der Lepidopteren des palaearctischen Faunengebietes. I. Theil: Famil. Papilionidae-Hepialidae. I-XXXII, 1-411. Berlin (R. Friedländer & Sohn).
  • Beschreibung als infrasubspezifisches Taxon: Staudinger, O. & M. Wocke (1871): Catalog der Lepidopteren des europäischen Faunengebiets. 1-426. Dresden (O. Staudinger).