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Männchen
Erstbeschreibung
Beschreibung als Orthosia chaldaica
Inhalt

2. Diagnose

2.1. Männchen

Der Falter, der bis zum 8. November 2019 hier gezeigt wurde, war fehldeterminiert und wurde nach Eugnorisma insignata verschoben.

2.2. Erstbeschreibung

2.3. Beschreibung als Orthosia chaldaica

3. Weitere Informationen

3.1. Etymologie (Namenserklärung)

„Chaldaea, das alte Babylon, ein Teil des heutigen Syrien.“

Spuler 1 (1908: 149L)

3.2. Andere Kombinationen

  • Caradrina chaldacica Freyer, [1839] [Originalkombination]

3.3. Synonyme

3.4. Taxonomie und Nomenklatur

Wie soll es heißen? Diese Frage stellten sich vermutlich Kindermann und Söhne, als sie in Sarepta dieser Art vor sich hatten - weil die Tiere der "Hebraica" ähnlich sahen, wäre ein vergleichender Name angebracht - warum nicht "Chaldaica", auch wenn der Fundort im Süden Russlands weit vom Wohngebiet der Hebräer und Chaldäer entfernt liegt. Alles Spekulation, denn wir wissen noch nicht einmal wer das Typusmaterial einsammelte und schon gar nicht, was er sich dabei dachte. Die Idee, dass Kindermann hinter den Belegen und auch hinter der Namenswahl stecken könnte, stammt von Bálint & Zolotuhin (2017: 427), denn diesen war aufgefallen, dass die Art gleich zweimal und mit fast identischen Namen beschrieben wurden: als Caradrina chaldacica durch Freyer ([1839]: 27) und als Orthosia chaldaica durch Boisduval (1840: 140). Sie gehen davon aus, dass beide Erstbeschreiber ihre Tiere nicht selbst gesammelt, sondern von derselben Quelle erhalten hatten - eben am wahrscheinlichsten von Kindermann aus Sarepta. Und wenn dann der Sammler selbst diesen Namen vorgeschlagen hatte, brauchte man schon keinen selbst suchen ... Soweit die Spekulationen. Jedenfalls spricht sehr vieles dafür, dass Caradrina chaldacica Freyer, [1839] und Orthosia chaldaica Boisduval, 1840 Synonyme sind und dann gilt nach Bálint & Zolotuhin (2017: 427): "The description of Freyer takes priority".

Aber warum wurde die Art dann überall als "Eugnorisma chaldaica Boisduval, 1840" geführt? Vielleicht weil das Publikationsdatum von Freyers Arbeit z.T. auf 1840 oder auch 1842 datiert wurde? Nein, es hat einen anderen Grund - wahrscheinlich hatten Varga & Ronkay (1987) in ihrer "Revision of the genus Eugnorisma Boursin, 1946" einfach übersehen, dass Caradrina chaldacica Freyer, [1839] auch in ihre Zuständigkeit gefallen wäre. Sie akzeptieren, dass Freyers Arbeit älter ist, denn im Vorspann (S. 187) schließen sie "miniago (FREYER, 1839)" aus ihrer Gattung Eugnorisma aus. Freyer ([1839]) hatte "Xanthia miniago" auf Seite 28 beschrieben, "Caradrina chaldacica" schon auf Seite 27.

Eimal übersehen - immer übersehen! Nach diesem Motto wurde Freyers Beschreibung weder bei Fibiger (1990: 152) noch bei Varga & Ronkay (1994) oder bei Fibiger (1997: 171) und auch nicht in der Checklist von Fibiger et al. (2011: 44) (wo "Eugnorisma miniago (Freyer, [1839])" ihren Platz hat!) thematisiert, ebensowenig bei Karsholt & Razowski (1996) und auch nicht in der Fauna Europaea (abgefragt 9. Dezember 2021).

Die Beschreibungen von Freyer und Boisduval beruhen auf unterschiedlichen Exemplaren, die zwar alle von Sarepta stammen sollen, doch von dort werden auch andere Arten der Gattung genannt, z.B. die erst später beschriebene Eugnorisma ignoratum, die zunächst mit E. chaldaica vermengt wurde. Theoretisch könnten "Caradrina chaldacica Freyer, [1839]" und "Eugnorisma chaldaica Boisduval, 1840" also zu zwei nahe verwandten Arten gehören - wobei dann sogar beide Namen gültig wären!

Bálint & Zolotuhin (2017: 427) fanden in der Treitschke-Sammlung des NHMH ein Exemplar, das sie als Syntypus-Exemplar von Freyer ansehen. Auf pl. 17 (S. 574-575) wird dieses Tier abgebildet und als "lectotypus" (det. Zs. Bálint) bezeichnet. Das Tier wurde nicht genitalisiert. Im Text S. 427 heißt es nur knapp: "PS: Noctua chaldacica Freyer, [1839] = Eugnorisma chaldaica (Boisduval, 1840)" - Boisduvals Beschreibung wird zwar als Synonymbeschreibung behandelt, eine formal korrekte Synonymisierung ist aber nicht erfolgt. Wenn sich die Beschreibungen auf die gleichen Tiere bezogen hätten, wäre das auch nicht nötig, aber das ist hier nicht der Fall.

Zum Inhalt: Varga & Ronkay (1994) unterschieden u.a. "Eugnorisma (Eugnorisma) chaldaica (Boisduval, 1840)" mit Typenfundort "South Russia" und "Eugnorisma (Eugnorisma) caerulea (Wagner, 1932)" mit Typenfundort "Akshehir (Turkey)". Letztere war als Agrotis chaldaica var. caerulea beschrieben worden. Koçak (1983) glaubte zu erkennen, dass es sich bei Agrotis caerulea Wagner, 1932 um ein jüngeres Homonym handeln würde, weshalb er den Ersatznamen "Eugnorisma buraki Koçak, 1983" in die Welt setzte. Bei Fibiger (1990: 152-153) fanden sich danach "Eugnorisma (Eugnorisma) chaldaica (Boisduval, 1840)" und "Eugnorisma (Eugnorisma) buraki Koçak, 1983" nebeneinander, bei Fibiger (1993) hieß dann Letztere wieder "Eugnorisma caerulea (Wagner, 1932)".

Doch Varga & Ronkay (1994) bemerkten beim Studium von Typenmaterial von Boisduval, dass sie einer Fehlinterpretation älterer Autoren aufgesessen waren. Das reiche, in Europa verbreitete und als "E. chaldaica" bezeichnete Material aus der Tien-Shan-Region (bes. Issyk-kul) gehörte gar nicht zu E. chaldaica, sondern zu einer Art, die neu beschrieben werden musste: "Eugnorisma ignoratum Varga & Ronkay, 1994". Und E. caerulea wurde zum Synonym der echten E. chaldaica, so dass kein Bedarf mehr für Koçaks Ersatznamen bestand. Seltsamerweise erklärten Varga & Ronkay (1994) das gesamte, von Varga & Ronkay (1987) aufgelistete Untersuchungsmaterial von "E. chaldaica" zu Paratypen ihrer neuen Art, darunter auch Tiere aus "Sarepta".

3.5. Faunistik

Durch die taxonomische Klärung durch Varga & Ronkay (1994) zeichnete sich ab, dass die echte E. chaldaica mit Lectotypus "Sarepta" mehr in Uralnähe und in der Türkei zu finden ist, E. ignoratum hingegen weiter östlich und insbesondere im Tien-Shan-Gebiet. Doch es gab und gibt weiter Klärungsbedarf. Dadurch, dass Varga & Ronkay (1994) ihr gesamtes früheres Untersuchungsmaterial zu "E. chaldaica" pauschal zu Paratypen von E. ignoratum erklärten, kamen jetzt auch europäische Fundorte für E. ignoratum zustande. Dies geschah durchaus mit Zustimmung der Autoren, die schrieben: "As E. ignoratum occurs sympatrically with E. chaldaica in some of the well-known "classical" localities (e.g. Sarepta, "Rossia merid.", Margelan, "Altai region"), the confusion easily became total." Dass "Russia mer." oder "Rossia mer." ein weiter Begriff ist, zu dem Fundorte, die mehr als tausend Kilometer auseinander liegen zusammengepackt werden können, ist klar. Zu Europa blieben dadurch für E. ignoratum noch einige wenige Exemplare mit Fundortetiketten "Sarepta", "Saratov" und "Ural". Es wäre gut gewesen, wenn die Autoren sich diese Exemplare noch einmal vorgenommen hätten: Passt die Bestimmung noch? Sind die Fundortetiketten plausibel? Oder gibt es in Europa nur eine von beiden Arten - eben E. chaldaica, die in Wirklichkeit E. chaldacica zu heißen hat?

Bálint & Zolotuhin (2017: 427) und Anikin et al. (2017: 292) scheinen das jedenfalls genau so zu sehen, denn sie erwähnen aus der Wolga-Ural-Region nur eine der beiden Arten mit Namen: "Eugnorisma chaldacica"! Und Sinev (2019: 369) erwähnt für seine Regionen 11 (Волго-Донской регион: Саратовская, Волгоградская и Ростовская области), 12 (Нижневолжский регион: Астраханская область, Республика Калмыкия), 14 (Восточно-Кавказский регион: Чеченская Республика, Республика Дагестан) und 15 (Крымский регион: полуостров Крым) ebenfalls nur E. chaldacica, E. ignoratum hingegen für die Region 17 (Южно-Уральский регион: Республика Башкортостан, Оренбургская, Челябинская и Курганская области) und die noch weiter östlich in Asien gelegenen Regionen 23 (Предалтайский регион: Кемеровская область, Новосибирская область (правобережье р. Обь), Алтайский край (без Кулундинской степи)) und 24 (Горно-Алтайский регион: Республика Алтай). Ein Vorkommen von E. ignoratum in Europa ist demnach mit großem Fragezeichen zu versehen.

(Autor: Erwin Rennwald)

3.6. Datierung und Autorschaft der Erstbeschreibung

Boisduval (1840) und Freyer [1839] beschrieben ihre Arten aus aus « Russ. mer. » bzw. „Sarepta“ offensichtlich beide nach Exemplaren, die sie - vermutlich von Kindermann - aus Sarepta geschickt bekommen hatten. Für beide Taxa wurden Lectotypen festgelegt, die sich in verschiedenen Museen befinden. Sie stammen wohl von derselben Population. Nach Anonymus (1840: 302) sind Freyers Hefte 49-52 1839 erschienen. Dies entspricht auch den Angaben zur Datierung der Freyer-Arbeiten durch Olivier (2000). Bálint & Zolotuhin (2017: 427) kommen daher zum Schluss: "The description of Freyer takes priority".

(Autoren: Jürgen Rodeland & Erwin Rennwald)

3.7. Literatur