Artberechtigung umstritten!
Europarechtlich streng geschützt: Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU (FFH), Anhang IV (streng zu schützende Arten von gemeinschaftlichem Interesse)
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Falter
Eiablage
Raupe
Puppe
Ei
Erstbeschreibung
Inhalt

1. Lebendfotos

1.1. Falter

1.2. Eiablage

1.3. Raupe

1.4. Puppe

1.5. Ei

2. Diagnose

2.1. Erstbeschreibung

3. Weitere Informationen

3.1. Andere Kombinationen

3.2. Synonyme

3.3. Taxonomie

Z. cassandra wurde im Lepiforum bis Anfang 2019 als Synonym zu Zerynthia polyxena betrachtet. Nachdem jetzt auch noch Wiemers et al. (2018) die Art ohne jeglichen einschränkenden Kommentar als europäische Art führen, sehe ich mich genötigt, für dieses Taxon doch eine Artseite anzulegen, selbstverständlich mit Hinweis: "Artberechtigung umstritten!". Die folgenden 3 Abschnitte standen bis 8. Januar 2019 als Kommentar bei Z. polyxena, der Abschnitt danach ist neu:

Kudrna et al. (2011) zeigen eine eigene Verbreitungskarte für Zerynthia cassandra (Geyer, [1830]), die demnach das Vorkommen von Z. polyxena in ganz Italien mit Ausnahme der alpennahen Teile im Norden ersetzt. Sie schreiben dazu: "Zerynthia cassandra and Z. polyxena ([Schiffermüller], 1775) are here provissionally treated as distinct morphospecies because their male genitalia differ and they are sympatric in N.W. Italy: Savona district (Dapporto 2009). Nazari & Sperling (2007) regard both taxa as conspecific."

Tshikolovets (2011) akzeptiert Z. cassandra ebenfalls als Art; nach seiner Verbreitungskarte reicht das Vorkommen von Sizilien durch das italienische Festland bis zur Poebene: "... sympatric with Z. polyxena in Monte Beigua, N. Italy."

Das sympatrische Vorkommen könnte - wenn es dieses denn tatsächlich gäbe - als Hinweis darauf verstanden werden, dass es sich hier tatsächlich um zwei getrennte Arten handeln könnte.

Studiert man die Arbeit von Nazari & Sperling (2007) näher, dann fällt als erstes auf, dass die beiden Autoren eine artliche Abtrennung der italienischen cassandra von Z. polyxena ausdrücklich ablehnen. Dabei waren sie es, die einen Barcoding-Unterschied (COI) von 2,4 % ausmachten, ein Wert, der zumindest eine Diskussion nahelegt. Diese Diskussion haben sie - mit überzeugenden Argumenten - dann durchaus geführt: Die Basis für eine Auftrennung auf Artebene ist hier noch deutlich zu schwach. Insgesamt verglichen wurden in der Studie 2 Tiere aus Italien (1 Exemplar der ssp. „latevittata“ von Sizilien, 1 Exemplar von ssp. „cassandra“ von Imola in Oberitalien), 4 Tiere vom Balkan (je 1 Exemplar der ssp. „cassandra“ von ssp. „balcanica“ vom Kosovo, von ssp. „bosniensis“ von Serbien, von ssp. „bryki von Montenegro und ssp. „macedonica“ von Griechenland) und 3 Tiere von weiter östlich (ssp. „petri" von der Ukraine und aus Russland). Die beiden italienischen Daten passten einigermaßen gut zueinander, wichen aber um die besagten 2,4 % vom eher wieder einheitlichen Rest ab.

Dapporto (2010) fotografierte insgesamt 186 Männchen-Genitalpräparate aus einem großen Teil des Verbreitungsgebiets von Z. polyxena. Mit mathematisch-statistischen Verfahren konnte er die Individuen auf zwei Cluster verteilen, wobei ein Cluster sämtliche Tiere aus Italien südlich des Po umfasste, das andere Cluster die italienischen Tiere nördlich des Po und im Rest Europas. Mit Ausnahme des Monte Beigua in Norditalien (ca. 30 km W Genua) wurden stets nur Tiere eines Clusters gefunden; die Serie von dort ergab aber 9 Tiere des einen Typs und 3 Tiere des anderen, woraus Dapporto (2010) ein sympatrisches Vorkommen von 2 getrennten Taxa – für ihn Arten – ableitet. Das ist – gelinde formuliert – zumindest viel zu voreilig. Eine solche Variation im Männchen-Genital wäre durchaus auch in einer einzigen Population möglich. Sollte es sich um zwei Arten handeln, müssten hier also Reproduktionsschranken existieren – eine etwas andere Genitalform muss noch keine solche Schranke sein. Gibt es Reproduktionsschranken? Dies wurde im Artikel weder diskutiert noch geprüft – aber ohne diese gibt es keine getrennten Arten! Und die Genetik? Sie könnte hier tatsächlich Anhaltspunkte liefern, nämlich dann, wenn sich die Unterschiede im Genital mit solchen in der Genetik zur Deckung bringen ließen. Hier wäre es spannend, Tiere der klassischen polyxena aus Norditalien in eine entsprechende Studie einzubeziehen, insbesondere solche vom Monte Beigua. Gäbe es auch dort eine Zäsur von 2 % könnte das für artliche Trennung sprechen – müsste es aber immer noch nicht. So halte ich es für keineswegs sicher, dass das Taxon cassandra auch nur Unterartrang besitzt (die anderen oben genannten "Unterarten" wurden wohl primär aus kommerziellen Gründen abgetrennt) – für Artrang spricht eigentlich nur, dass der Autor der Studie wichtiger wird und Tiere der neuen Art einträglicher gehandelt werden können. Es ist schon erstaunlich, dass man meint, auf (Internet-)Börsen „Zerynthia cassandra“ offen handeln zu können, da ja nur Z. polyxena durch die FFH-Richtlinie streng geschützt sei. Dabei wird jeder Jurist schnell bestätigen können, dass hier selbstverständlich der Artumfang so zu handhaben ist, wie er zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes war – und da waren die italienischen Tiere also zweifellos mit gemeint.

Wiemers et al. (2018) verweigern den allermeisten umstrittenen Taxa die Aufnahme in ihre Europa-Liste, hier machen sie eine Ausnahme: "Dapporto (2009) has shown that Zerynthia cassandra from peninsular Italy is a separate species based on differences in genital morphology. This was further confirmed by molecular studies (Zinetti et al. 2013)." Die Studie von Zinetti et al. (2013) führt hier tatsächlich weiter: Zwar werden die Unterschiede beim Barcoding im Kontaktzonen-Bereich auf nur 1,5 % gesenkt - aber andererseits gibt es dort keinerlei Anzeichen von Genfluss zwischen den Taxa. Die Autoren sehen darin einen bemerkenswerten Unterschied zu anderen Artenpaaren mit Genfluss in einem 50-250 km breiten Gürtel, etwa bei den Artenpaaren Polyommatus icarus/P. celina und Aricia agestis/A. cramera mit Genfluss trotz 3-5 % Barcoding-Unterschied. Konkret heißt das: Z. polyxena und Z. cassandra weisen nicht nur Unterschiede in den Genitalien auf - sie scheinen auch reproduktiv isoliert zu sein, verhalten sich also wie Arten. Die Autoren schließen daraus: "The Zerynthia species considered in our study seem to follow the reproductive isolation rule required by the biological species concept. From this perspective, they represent an exception compared to most European sister/cryptic species. We therefore recommend to consider Z. polyxena and Z. cassandra as good species, also in the restrictive sense of Descimon and Mallet [4], and to promote these taxa as an important model for the study of speciation, correlation between genotypic and phenotypic traits, evolution and maintenance of adaptive patterns." Auf dieser Grundlage kann ich dem folgen, auch wenn noch viele Fragen offen bleiben.

3.4. Faunistik

Z. cassandra ist auf Italien südlich der Po-Ebene beschränkt - dort trifft sie lokal auf die äußerlich nicht sicher zu unterscheidende Zerynthia polyxena.

(Autor: Erwin Rennwald)

3.5. Autorschaft und Publikationsjahr der Erstbeschreibung

Nach Hemming (1937: 189) publizierte Geyer die Tafeln 182-187 “between the 2nd July 1827 and April 1828.” Für den gesamten Band 1 der Sammlung europäischer Schmetterlinge erschließt Hemming die Publikationsjahre aus externen Quellen: “There is no direct evidence to show the date on which Hübner began the publication of the plates of the Papiliones [...]”. Für die ersten Tafeln gibt Hemming (1937: 223, 236) das Publikations-Zeitfenster vom 24. Dezember 1799 bis 13. April 1800 an, für die letzten September 1837 bis 1838.

(Autor: Jürgen Rodeland)

3.6. Literatur