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Bestimmungshilfe / Lepidopteren-Lyrik

1. Carla Pruni und Mac Stachelbein

Ein Krimi in drei Akten von Bernd-Otto Bennedsen [Forum].

2. Dicycla oo

Du trachtest nach Dicycla oo, der schöngelben Eichenblatteule?
Feinziseliert sind die Flügel, mit Borten und Bändern geschmückt,
Drei große Makeln erstehn wie in Kupfer gestochen der Fläche,
Die sich bald jungfräulich weiß, bald gelb, bald rötlich uns zeigt.
Nirgends im dichteren Walde, nirgends im feuchteren Forst
Wirst du Dicycla begegnen, gäb es auch Eichen genug.
Waldmäntel mußt du besuchen, Waldränder sonnig und warm,
Wo unter knorrigen Ästen, tief schon zu Boden geneigt,
Niedriger Buschwald heranwächst auf kargem und steinigem Grund.
Blütengesprenkelt die Rasen, die talwärts den Hang hinabziehn,
Wo einst der geduldige Hirte die Herde zur Weide geführt.

Axel Steiner

3. Macrothylacia rubi

Gedicht "Herzerweichendes Sterbelied einer männlichen Macrothylacia-rubi-Raupe nach ihrer Überwinterung" von Hermann Moritz Pabst (1885): zitiert in einem [Beitrag von Axel Steiner]

4. Papilio machaon

Der Ruhm, wie alle Schwindelware,
Hält selten über tausend Jahre.
Zumeist vergeht schon etwas eh'r
Die Haltbarkeit und die Kulör.
Ein Schmetterling voll Eleganz,
Genannt der Ritter Schwalbenschwanz,
Ein Exemplar von erster Güte,
Begrüßte jede Doldenblüte
Und holte hier und holte da
Sich Nektar und Ambrosia.
Mitunter macht er sich auch breit
In seiner ganzen Herrlichkeit
Und zeigt den Leuten seine Orden
Und ist mit Recht berühmt geworden.
Die jungen Mädchen fanden dies
Entzückend, goldig, reizend, süß.
Vergeblich schwenkten ihre Mützen
Die Knaben, um ihn zu besitzen.
Sogar der Spatz hat zugeschnappt
Und hätt' ihn um ein Haar gehabt.
Jetzt aber naht sich ein Student,
Der seine Winkelzüge kennt.
In einem Netz mit engen Maschen
Tät er den Flüchtigen erhaschen,
Und da derselbe ohne Tadel,
Spießt er ihn auf die heiße Nadel.
So kam er unter Glas und Rahmen
Mit Datum, Jahreszahl und Namen
Und bleibt berühmt und unvergessen
Bis ihn zuletzt die Motten fressen.
Man möchte weinen, wenn man sieht,
Daß dies das Ende von dem Lied.

Wilhelm Busch, 1874 (aus: Kritik des Herzens)

5. Utetheisa pulchella

ACROSS THE STUBBLE

Mark over ! cry the beaters —
I can hear the cock's tchak, tchak ;
Mark over ! There's a hare as well —
Yes—no, he's breaking back.
But what is that that flutters by
Across the yellow stubble ?
Down goes my gun and, hat in hand,
I chase it at the double.
" Look out, you silly ass !" I hear,
" Look out ! the drive's not done !"
" Good god, he's suddlenly gone mad—
Don't shoot there, everyone !"
I care not though they call me every
Kind of crazy fella—
For what are hares and partridges
Compared with D. pulchella ?
No longer now pulchella flits
Across her native heath :
Above, a canopy of glass,
A label underneath,
Admiring friends upon her gaze
While I recital make
And tell them how I courted death
For D. pulchella's sake.

Allan, P. B. M. (1943): Talking of Moths. – Newtown (The Montgomery Press). XII + 340 S. zitiert in einem [Forumsbeitrag von Axel Steiner]

6. Polyommatus coridon

Lysandra coridon oder:

Vom Glück, einen seltenen Falter zu sehen — und ihn fliegen zu lassen

Auf meinem Weg im Sonnenschein
bemerk ich einen Schimmer.
Ein kleiner Bläuling wird es sein,
wohl argus, so wie immer.
Mein Blick folgt ihm, der silbrigblau
gen gelbe Blüten segelt,
solange, bis er — zielgenau —
vom Nektardunst umnebelt.
Des Göttertrankes süßer Duft,
der aus den Kelchen schwand,
verströmte in der lauen Luft,
wo ihn die Fühler fand‘n,
die diesem kleinen Falter dann
den Weg zur Quelle wiesen,
wo er ins Blütenfiligran
hinabsank zum Genießen.
Die Neugier treibt mich, hin zu geh‘n,
um mich zu überzeugen,
daß das, was eben ich gesehn,
auch lohnt zum Niederbeugen.
Da sitzt ein coridon vor mir,
das hebt die gute Laune.
‘Ein wirklich wunderschönes Tier’,
denk’ ich — und schau‘ — und staune.
‘Da wär‘ ein Platz im Kasten frei,
du könntest ihn besetzen.
Doch langsam, ich hab keine Eil’,
ich will dich nicht verletzen.’
Von oben schaue ich hinab
und kann’s kaum wirklich fassen,
welch selt’nes Glück ich heute hab.
Doch — sollt‘ ich’s lieber lassen? —
Von innen raunt es leis mir zu
‘Du mußt dich nun entscheiden.
Schlag fest mit deinem Kescher zu,
nur laß das Tier nicht leiden.’
Ich schau hinab und frag mich bloß:
’Soll ich es wirklich lassen,
und ihn, der da so ahnungslos,
nur mit dem Aug’ erfassen?’
Auf leuchtend Gelb grünschillernd Blau
Umrahmt von zarten Zweigen.
Was ich mit meinen Augen schau,
ist nur Natur zu eigen.
‘Wer hat ihn nur so schön gemacht?’
frag ich mich still im Innern.
‘Wer gab ihm diesen Glanz, die Pracht,
den lieblich sanften Schimmer?’
Die Fragen geh‘n mir durch den Sinn,
beglückt bin ich und heiter
und sehe wie gebannt dorthin,
ganz stumm — und staune weiter.
Er stellt die Flügel steil empor.
‘Ach, bitte, öffne wieder.’
Er tut’s, und ich so voller Glück
schau weiter staunend nieder.
Das Netz in meiner rechten Hand,
ich hab es längst vergessen.
(Auf ihn, der hier am Wegesrand,
war einstens ich versessen!)
Vergessen ist der freie Platz
in meinem Sammelkasten.
Ich sehe vor mir nur den Schatz
mit seinem Rüssel tasten.
Mir ist, als spüre er in sich,
daß er nicht fürchten müsse
den Menschen, der so fürchterlich
und groß (allein die Füße!).
Doch da, fast ahnte ich es schon:
Es flieht der sanfte Schimmer.
Er steigt empor. Er fliegt davon.
Und ich? —
Ich staun’ noch immer.

Eckard O. Krüger

7. ...am Bach bei der Laterne

Man sah sie schon aus weiter Ferne:
Schmetterlinge gross und klein.
Am Wildbach nachts bei der Laterne,
hatten sie ihr Stell-dich-ein.
Falter von den schönsten Arten
hab‘ ich an der Wand entdeckt.
Konnt‘ die Morgen kaum erwarten.
Mein Interesse war geweckt.
Staunend stand ich nur und schaute,
was sich stets am Licht befand.
Meinen Augen kaum mehr traute
ob der Vielfalt an der Wand.
Doch morgens früh am zwölften Tage,
traf ich dort ein Schlachtfeld an.
Tief in mir die stumme Frage:
„Wer hat sowas nur getan?“
Was meine Seele hat beglückt
am morgen früh bei der Laterne,
lag am Boden nun zerstückt.
Ich hätt‘ sie lebend doch so gerne!
Und was mein Interesse hat geweckt,
von Arten die ich niemals sah,
haben andere auch entdeckt.
Die Vögel - waren schneller da!
.....
Nun ist die Mauer wieder leer,
die Laterne ausgebrannt.
Falter und Vögel hat‘s nicht mehr.
Friedvolle Leere an der Wand.

Hildegard Stalder [Forum]

8. Der Eulkönig

Wer schreitet so spät durch Wald und Au?
Ein Nachtfalterjäger, man sieht es genau.
Den Ködereimer im Arm er hält,
seine Lampe die fahle Dämm'rung erhellt.
Er pinselt den Köder an Baum und Strauch
und an so manchen Zaunpfosten auch.
Der Rotwein duftet nach Zucker und Zimt,
der Falterjäger ist heiter gestimmt.
Schon bald ist der Köder aufgebraucht
und der Falterkenner sein Pfeifchen schmaucht,
erwartet die Nacht beim murmelnden Quell,
in der Ferne blitzt ein Gewitter grell.
Der Köderduft verteilt sich im Wald
und weckt die durstigen Falter bald.
Vor dem westlichen Himmel sieht man sie schwärmen
und dem Entomologen das Herz erwärmen.
Dann wird es Zeit für den ersten Gang,
es ist grad erst dunkel, die Nacht noch lang.
Die Lampe auf niedrigste Stärke gestellt,
damit auf die Falter kein Blendlicht fällt,
So naht er sich achtsam dem ersten Baum
ganz außen am vorderen Waldessaum.
Kein Blättchen darf rascheln, kein Ästchen zerbrechen:
mit schleunigster Flucht sonst die Falter es rächen.
Und richtig: Sie kommen; sie sind schon da.
Es sind heute mehr als er letztes Mal sah.
Die ersten c-nigrum sitzen zu viert
und batis hat auch schon vom Köder probiert.
Am nächsten Baum finden sich pallens und psi,
und eine detersa, ein ganz graues Vieh.
Es geht weiter mit morpheus, pulchrina und or,
eine gamma umschwirrt ihn als wollt‘ sie ins Ohr.
Auch Laufkäfer klettern die Stämme herauf
und Ameisen wuseln mitunter zuhauf.
Hier legt Meconema in die Rinde ein Ei,
dort schaut mal ein Tigerschnegel vorbei.
So sieht das Ergebnis ganz ansehnlich aus
doch die ganz große Seltenheit bleibt bisher aus.
Es ist zwar ein nettes Gedränge heute,
doch der Falterjäger pirscht auf andere Beute.
Auf fraxini hat er es abgesehen;
er sucht am Wegrand, wo Schwarzpappeln stehen,
er sucht am Mühlteich, wo Espen nicken,
doch kein Blaues Ordensband läßt sich blicken.
Dafür ist C. nupta in frischen Stücken
entlang des Baches und an den Brücken
an fast jedem Köderfleck angeflogen,
und sponsa, zu Dutzenden (ungelogen),
Sitzt neben promissa an alten Eichen –
wie sehr sich die beiden doch manches Mal gleichen.
So vergeht die Zeit, er merkt es kaum,
im regen Wechsel von Baum zu Baum.
Und Köderjäger, ja siehst du denn nicht
den Eulkönig dort im flackernden Licht?
Den Eulenkönig in Samt und Brokat?
Verzückt und verzaubert der Jäger sich naht:
Er sitzt fest am Stamme und fliegt nicht von dannen,
seine Schwingen klaftern fast zwei volle Spannen.
Auf nachtdunklem Braun glitzern hellere Schuppen
zwischen Querlinien in mehreren Gruppen.
Zwei Augenflecke von seltsamer Form
auf den Vorderflügeln imponieren enorm;
auch die hinteren tragen violettblaue Flecken,
schwarz und goldbraun gesäumt mit drei hängenden Ecken.
Mit kräftigem Rüssel schlürft er gierig den Köder,
dabei wippt der Körper ganz leicht auf und nieder.
Jeder Falter, der sich in die Nähe nur wagt
wird mit herrischem Flügelschlag gründlich verjagt.
Der Falterjäger mit glänzenden Augen
scheint den Anblick geradezu aufzusaugen,
bis er endlich aus seinem Staunen erwacht
und Gedanken über das Tier sich macht.
So fremd und exotisch wirkt dessen Gestalt, er
sah niemals zuvor einen ähnlichen Falter.
Der muß von weither wohl gekommen sein,
spontan fällt ihm da gleich Amerika ein.
Er weiß, diesen Fund muß er dokumentieren,
es wär zwecklos, im Web drüber nur zu parlieren.
Ein Foto nützt wenig, da könnte man „Fake“ schreien,
Nur ein Falterbeleg kann solider Beweis sein.
Sehr vorsichtig zieht er das Netz nun heraus
entfaltet es sorgsam und holt weit aus.
Ein Schlag – nach vorn, dann kreuz, dann quer –
dann der Blick ins Netz – aber das ist leer!
Am Baum prangt nur noch der Köderfleck,
doch der Falter, der riesige, der ist weg.
Der Schreck fährt ihm in alle Glieder:
Diesen Falter siehst du niemals wieder!
Er wartet zwei Stunden und zieht noch mehr Runden
doch der Eulkönig ist und bleibt verschwunden.
Das Tier könnte schon kilometerweit weg sein,
allein der Gedanke bereitet ihm Pein.
Die Selbstvorwürfe, die plagen ihn nun:
Nächstes Mal doch mehr Rum in den Köder tun?
Den Netzfang mehr üben? Die Rückhand trainieren?
Das gezielte Zuschlagen perfektionieren?
Und als ihm nichts andres mehr übrig bleibt
ihn die Müdigkeit endlich nach Hause treibt.
Er klettert ins Bett und ihm ist schier zum Heulen,
denn ihm entging heut ein König: der König der Eulen.
Doch nicht weit entfernt hat ein Langohr viel Glück:
Auf dem Flug in sein Tagesquartier zurück
schnappt es ungewohnt große und dicke Beute,
eine richtige Ausnahmemahlzeit heute.
Es zerbeißt den Chitinkörper mit leisem Knack
und genießt einen feinen Rotweingeschmack.
Vier prächtige Flügel segeln langsam herab
und finden im Staub unterm Dachstuhl ihr Grab.

Axel Steiner [Forum]