Phantom-Art: offensichtlich Synonym zu Dendrolimus pini, formale Synonymisierung steht aber noch aus
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2. Weitere Informationen

2.1. Taxonomie

D. kilmez wurde von der Fauna Europaea [Fauna Europaea, last update 29 August 2013, Version 2.6.2] noch nicht erwähnt. Sie steht Dendrolimus pini sehr nahe und ist nach Mikkola & Ståhls (2008) im wesentlichen durch Unterschiede im Barcoding getrennt. Beim COI-Barcoding erwiesen sich die 4 untersuchten finnischen D. pini als identisch mit D. sibiricus, während die D. kilmez-Tiere klar von beiden abwichen und als Zweig im Baum von D. superans erschienen. Bei der ITS2-Kern-DNA-Untersuchung clusterte D. kilmez hingegen perfekt mit D. pini, mit der es ja auch die größte morphologische Übereinstimmung gab. Für die Autoren war klar, dass das eine neue Art sein musste, weshalb sie D. kilmez beschrieben. Sie diskutierten Möglichkeiten, wie es im Kontaktbereich zweier nahe verwandter Dendrolimus-Arten zur Herausbildung eines Endemiten gekommen sein könnte - ganz überzeugen kann das im konkreten Fall aber nicht.

Dass man diese Ergebnisse auch ganz anders deuten kann, zeigten Kononov et al. (2016). Sie erweiterten den Untersuchungsumfang und nahmen bei D. pini nicht nur - wie bei Mikkola & Ståhls (2008) - Tiere aus Finnland sondern auch solche aus Bayern und Italien hinzu. Und siehe da: "D. kilmez" clusterte jetzt auch beim COI-Barcoding perfekt mit D. pini aus Bayern und Italien, weiterhin nicht aber mit den finnischen Tieren. Bei der Kern-DNA (ITS2) gehörten alle 4 zu einer einzigen Art: D. pini. Kononov et al. (2016) stellten erst einmal fest, dass D. pini und D. sibiricus im südlichen Sibieren einen mehrere tausend Kilometer lange, ost-west-verlaufende Überscheidungszone haben. Dort kann es bei Massenausbrüchen einer der beiden Arten durchaus natürliche Hybriden geben, die sich mitunter weit weg davon im Genpool niederschlagen - so wie es bei den finnischen D. pini mit D. sibiricus-COI offensichtlich passiert ist.

"D. kilmez" ist also ganz offensichtlich ein Synonym zu D. pini, doch Kononov et al. (2016) haben keine formale Synonymisierung vorgenommen. Und anscheinend hat das auch kein Autor seither nachgeholt. Allerdings wird "D. kilmez" in neueren Arbeiten auch nicht mehr erwähnt, d.h. die Synonymisierung wurde stillschweigend akzeptiert. Sinev (2019: 388) formulierte: "Dendrolimus kilmez Mikkola & Stähls, 2008 представляет собой гибрид D. pini (Linnaeus, 1758) и D. superans (Butler, 1881)." [Übersetzt: "Dendrolimus kilmez Mikkola & Stähls, 2008 ist eine Hybride aus D. pini (Linnaeus, 1758) und D. superans (Butler, 1881)."] Das ist so sicher nicht richtig, denn es geht hier nicht um einen Primär-Hybriden zwischen 2 Arten - der auch gar nicht zustande kommen könnte, da D. superans erst mehrere tausend Kilometer entfernt vorkommt. Es geht um die Spuren einer möglicherweise sehr alten Hybridisierung, die bei D. pini mitochondriale DNA angesammelt hat, wie sie sonst in ähnlicher Form bei D. superans gefunden werden kann. Solche "fremde" mitochondriale DNA findet sich in der Natur bei nahe verwandten Arten gar nicht so selten.

Vor diesem Hintergrund ist "D. kilmez" so etwas wie eine Phantom-Art, die formal so lange weiterexistiert, bis sie in einem Einzeiler auch formal synonymisiert wird.

2.2. Typenmaterial

Mikkola & Ståhls (2008) informieren: "Material examined and dissected. Holotype: ♂, Russia, Udmurtia, Kilmez 57º00’N 51º05’E, 10.VII.2002 K. Mikkola leg. (MZH). Paratypes: 3 ♂♂: 1 ♂, Russia, Mari El, Mariy Chodra 56º00’N 46º30’E, 13.VI.1997 K. Mikkola leg.; 2 ♂♂ Russia, Chelyabinsk obl., Miass 55º06’N 60º09’E 28.VI.1997 K. Nupponen leg. (MZH and Coll. Nupponen). In addition, the genitalia and/or DNA sequences of the following specimens were studied: 3 ♂♂ from Kilmez and 1 ♂ from Mari El, both K.Mikkola leg. (microscopic slides in MZH, sequences in Genbank)."

Die Art wurde aus Udmurtien, also aus dem europäischen Teil Russlands beschrieben. Mikkola & Ståhls (2008) informieren: "Type locality. The village and river of Kilmez (Кильмезь ) in Udmurtia, Russia."

2.3. Faunistik

Die Phantom-Art ist nur durch die Typenserie - ausschließlich Männchen - bekannt.

(Autor: Erwin Rennwald)

2.4. Literatur